TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/4 92/09/0185

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Veröffentlicht am 04.11.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. Mai 1992, Zl. UVS - 04/23/155/91, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: O in W, zu Handen Dr. V, Rechtsanwalt in W; weitere Partei:

Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 6. Mai 1991 wurde der Mitbeteiligte als nach § 9 VStG Verantwortlicher für eine Baufirma zu einer Geldstrafe von S 21.000,-- wegen Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) verurteilt, weil sein Unternehmen am 1. März 1991 auf einer Baustelle in W drei namentlich genannte polnische Staatsangehörige als Fliesenleger beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei noch ihnen ein Befreiungsschein oder eine gültige Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei.

Auf Grund der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Mai 1992 den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben. Sie begründete den angefochtenen Bescheid, ohne auf die Sache weiter einzugehen, damit, daß die Behörde erster Instanz für das angelastete Beschäftigen von drei Ausländern nur EINE Geldstrafe verhängt habe, obwohl das AuslBG für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine eigene Strafdrohung aufstelle. Es wären daher dem Mitbeteiligten drei Verwaltungsübertretungen zur Last zu legen und dafür drei gesonderte Strafen zu verhängen gewesen. Auf Grund der Aufhebung könne nun die Erstbehörde ein dem § 22 Abs. 1 VStG entsprechendes Straferkenntnis erlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 28a AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 gestützte Amtsbeschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, sie hat aber ebenso wie der Mitbeteiligte von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der auf Grund der Tatzeit (1. März 1991) im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 begeht, soferne die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde, und zwar bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern (wie im Beschwerdefall, der kein Wiederholungsfall ist) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis zu S 60.000,--.

Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind gemäß § 22 Abs. 1 VStG die Strafen nebeneinander zu verhängen.

Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, daß das AuslBG (seit der Novelle BGBl. Nr. 231/1988) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine eigene Strafdrohung aufstellt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0015, und die dort angeführte Vorjudikatur), weshalb es nicht dem Gesetz entsprochen hat, daß die Strafbehörde erster Instanz im Spruch ihres Bescheides für die unerlaubte Beschäftigung der drei Polen nur eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt S 21.000,-- verhängte. Aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ergibt sich dazu, daß ohnehin beabsichtigt war, die Strafhöhe "mit S 7.000,-- je Ausländer nahe dem Mindestsatz" (von S 5.000,--) zu bemessen.

Aber auch abgesehen von der Frage, ob der erstinstanzliche Bescheidspruch nicht aus dieser Begründung heraus ohnehin als dem Gesetz entsprechend ausgelegt werden könnte, hat die belangte Behörde die Rechtslage insofern verkannt, als sie meinte, den von ihr wahrgenommenen, in erster Instanz unterlaufenen Fehler im Berufungsverfahren nicht beheben zu können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 23. April 1986, Zl. 85/03/0171, und die dort angeführte Vorjudikatur) ist die Berufungsbehörde, wenn der Abspruch der ersten Instanz fehlerhaft ist, nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, dies in ihrem Abspruch richtigzustellen. Naturgemäß ist die Berufungsbehörde dabei auf die "Sache" des bei ihr anhängigen Verfahrens - im Beschwerdefall war die dem Mitbeteiligten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegte Tat und die dafür ausgesprochene Bestrafung - beschränkt.

Die belangte Behörde hat die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Behebung des erstinstanzlichen Bescheides auf den gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 66 Abs. 4 AVG gestützt und dabei übersehen, daß sie gerade nach dieser Gesetzesstelle verpflichtet war, in der Sache selbst zu entscheiden, und daß diese Gesetzesstelle ausdrücklich die Berechtigung der Berufungsbehörde normiert, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den (bei ihr) angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als im Sinne der zutreffenden Beschwerdeausführungen als inhaltlich rechtswidrig; er war deshalb gemäß § 42 As. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte Parteistellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090185.X00

Im RIS seit

04.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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