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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Dorner, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. August 1991, Zl. 4.308.327/3-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Februar 1991 war der Antrag des Beschwerdeführers, eines albanischen Staatsangehörigen, auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft abgewiesen worden. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. August 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Unzuständigkeit der belangten Behörde erhobene Beschwerde. Insbesondere sei der Sachverhalt, der im wesentlichen einer Ergänzung bedürfe, nicht richtig gewürdigt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer gab bei seiner Erstbefragung an, daß er albanischer Staatsbürger sei und daß er seine Heimat aus politischen Gründen verlassen habe. Am 2. Juli 1990 sei er Teilnehmer an einer großen Demonstration in T gewesen. Anschließend an diese sei er ausgeforscht und von seinen Vorgesetzten am Arbeitsplatz verhört worden. Dabei sei er provoziert und es sei ihm auch mit Entlassung gedroht worden. Auf Grund einer weiteren Teilnahme an einer Massendemonstation in T im August 1990 sei er fristlos entlassen worden und habe seit dieser Zeit im Untergrund gelebt. Trotzdem habe er für die demokratische Bewegung in Albanien weiter Leistungen erbracht. Er sei zwar nicht Mitglied der (verbotenen) Partei gewesen, hätte aber immer wieder Leute gesucht, die an Demonstrationen teilnehmen sollten, um Demokratie und Freiheit in Albanien zu fördern. Er sei immer Gegner des stalinistisch-kommunistischen Systems in Albanien gewesen, in dem die Menschenrechte nicht geachtet würden. Deshalb sei auch getrachtet worden, die Beendigung seines Studiums zu verhindern, und nur durch die Protektion und Bestechung eines Bekannten an der Universität habe er sein Studium beenden können. Sein Großvater sei vor dem Krieg als Direktor bzw. Vizedirektor einer amerikanischen Schule in T als Gegner des Kommunismus bekannt gewesen und als Agent der CIA verdächtigt worden. Auch das sei dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht worden, und aus diesen Gründen habe er sich entschlossen, seine Heimat zu verlassen. Anfang Oktober 1990 sei der Beschwerdeführer mit einem gültigen Reisedokument über Budapest nach Kairo gereist, wo er, da er nicht mehr albanischer Staatsangehöriger habe sein wollen, seinen Reisepaß vernichtet habe. Anschließend habe er sich einen gefälschten Paß besorgt, mit dem er dann am 13. Dezember 1990 nach Budapest zurückgekehrt sei. Von dort sei er am 12. Jänner 1991 illegal nach Österreich eingereist. Das gefälschte Reisedokument habe er in Ungarn vernichtet.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung hat der Beschwerdeführer dieses Vorbringen im wesentlichen bekräftigt und darüber hinaus noch geltend gemacht, daß der von ihm angefochtene Bescheid in keiner Weise auf seine persönliche Situation und sein Vorbringen im Überprüfungsverfahren einginge. Er weise ergänzend darauf hin, wie es seinem Großvater mütterlicherseits ergangen wäre, der 1944 zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt worden sei, dies ohne faires Gerichtsverfahren. Der Beschwerdeführer sei als Enkel im Rahmen der üblichen Sippenhaftung ständig verfolgt worden. Sein Vater sei entlassen worden, weil er den Schwiegervater beherbergt hätte. Auch seien die Kinder des Beschwerdeführers manchmal auf ihrem Heimweg von der Schule bedroht worden; so wäre auch sein Sohn für 48 Stunden entführt und festgehalten worden. Aus den gesamten Ausführungen ergebe sich, daß der Beschwerdeführer sich, entgegen der im erstinstanzlichen Bescheid vertretenen Ansicht, aus wohlbegründeter Furcht, wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befinde und daher die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge erfülle.
Die Abweisung der Berufung begründete die belangte Behörde nach einer ergänzenden Einvernahme des Beschwerdeführers am 15. Juli 1991 im wesentlichen damit, daß er im Laufe des Verwaltungsverfahrens widersprüchliche Argumente (behauptete Teilnahme an einer Demonstration am 2. Juli 1990 - Bestreitung des Stattfindens einer Demonstration an diesem Tag sowie der Teilnahme an einer solchen) vorgebracht habe. Es sei unlogisch, daß der Beschwerdeführer, dessen regimekritische Einstellung den Behörden - seinen Behauptungen zufolge - bekannt gewesen und der auf Grund seiner familiären Abstammung beruflich benachteiligt worden sei, aufgefordert worden sei, die Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz zur Unterstützung der Polizei zu motivieren. Die Ausführungen des Beschwerdeführers bei seiner ergänzenden Einvernahme seien daher nicht glaubhaft. Die geltend gemachten Beeinträchtigungen gingen nicht über das hinaus, was die Bewohner des Heimatlandes des Beschwerdeführers auf Grund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hätten. So habe der Beschwerdeführer insbesondere keine konkrete, ihm aus solchen allgemeinen Beeinträchtigungen erwachsende massive Bedrohung seiner Lebensgrundlagen dargetan. Das Vorliegen von gravierenden Eingriffen in die Grundrechte des Beschwerdeführers erscheine auch deshalb nicht glaubwürdig, weil er es unterlassen habe, bereits während seiner Aufenthalte in Ungarn und Ägypten um Asyl anzusuchen. Soweit der Beschwerdeführer Befragungen zu einem Bombenanschlag auf die Kubanische Botschaft ins Treffen geführt habe, sei ihm entgegenzuhalten, daß Ermittlungen zur Aufklärung von Straftaten auch in demokratischen Staaten durchgeführt und für sich allein nicht zu dem Schluß berechtigen würden, der Befragte werde für die Straftat verantwortlich gemacht.
Soweit der Beschwerdeführer Unzuständigkeit der belangten Behörde deswegen als gegeben erachtet, weil der erstinstanzliche Bescheid lediglich "mit einem unleserlichen Gebilde anstelle einer Unterschrift" versehen sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß es gemäß § 18 Abs. 4 AVG nicht - wie der Beschwerdeführer offenbar meint - erforderlich ist, daß die auf schriftlichen Ausfertigungen behördlicher Erledigungen angebrachte Unterschrift des Genehmigenden leserlich ist, sondern daß in dieser Gesetzesstelle die leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden gefordert wird. Dieser Anforderung wird der erstinstanzliche Bescheid, der unterhalb der handschriftlichen Unterfertigung den druckschriftlichen Zusatz "Dr. S" aufweist, gerecht. Die Bescheideigenschaft dieser Erledigung wie auch die Zuständigkeit der belangten Behörde zur meritorischen Entscheidung über die dagegen erhobene Berufung kann sohin durch dieses Vorbringen nicht in Zweifel gezogen werden.
Der Beschwerdeführer vermeint, der von ihm behauptete Verlust seines Arbeitsplatzes infolge seiner politischen Aktivitäten sei einem Entzug der Existenzgrundlage gleichzusetzen. Da eine solche Folge nicht zwangsläufig mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden ist (Möglichkeit der Erlangung eines anderen Arbeitsplatzes, Gelegenheitsarbeiten u. dgl.) und der Beschwerdeführer solches im Verwaltungsverfahren auch gar nicht behauptet hat, kann der belangten Behörde nicht der Vorwurf rechtswidrigen Vorgehens gemacht werden, wenn sie den Verlust des Arbeitsplatzes nicht als Verfolgungsmaßnahme gewertet hat.
Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Teilnahme an Demonstrationen als in sich widersprüchlich erachtet hat. So hat der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung ausdrücklich angegeben, am 2. Juli 1990 an einer großen Demonstration in T und auch im August ebenfalls in T an einer Massendemonstration teilgenommen zu haben und im ersten Fall ausgeforscht, im zweiten Fall gewaltsam vertrieben worden zu sein. Demgegenüber hat er bei seiner ergänzenden Befragung am 15. Juli 1991 angegeben, daß am 2. Juli 1990 keine Demonstration stattgefunden habe, er aber sich geweigert habe, an seinem Arbeitsplatz eine Versammlung zur Verhinderung der Flucht seiner Landsleute in ausländische Botschaften zu organisieren. An einer eine Woche später abgehaltenen Demonstration habe er zwar teilgenommen, sei aber dabei nicht betreten worden. Der aus diesen Widersprüchen gezogene Schluß, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei unglaubwürdig, kann auch durch die Beschwerdeausführungen über das Nichtbestehen eines Demonstrationsrechtes in Albanien nicht erschüttert werden.
Soweit der Beschwerdeführer auf Nachteile verweist, die sein Großvater und sein Vater wegen der Verurteilung des ersteren als angloamerikanischer Agent hätten in Kauf nehmen müssen, hat die belangte Behörde zu Recht den Standpunkt vertreten, daß in Ermangelung von Behauptungen des Beschwerdeführers, daß diese Nachteile jetzt auch ihm gegenüber wirksam geworden wären, diese nicht als Verfolgung der Person eines Asylwerbers gewertet werden könnten.
Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Benachteiligungen als nicht über das hinausgehend gewertet, was von allen Bewohnern seines Heimatlandes auf Grund des dort herrschenden Systems hinzunehmen sei. Angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer sein Studium - wenn auch nur unter Mitwirkung eines in der Universitätsverwaltung bediensteten Freundes - vollenden und legal mit einem gültigen Reisedokument ausreisen konnte, und im Hinblick auf die mangelnde Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers insgesamt kann die gerügte Unterlassung der Ermittlung, was von allen Bewohnern des Heimatlandes des Beschwerdeführers hinzunehmen sei, nicht als den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastender Verfahrensmangel gewertet werden.
Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der als nicht glaubhaft gewerteten Aufforderung, Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz zur Unterstützung der Polizei zu bewegen, der belangten Behörde entgegenhält, gerade wegen der Stigmatisierung seiner Familie sei von der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens auszugehen, gelingt es ihm damit nicht, die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde als unschlüssig erscheinen zu lassen.
Wenn auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer seine Aufenthalte in Ungarn und Ägypten nicht zum Anlaß genommen hat, bereits dort um Asyl anzusuchen, entgegen der Auffassung der belangten Behörde für sich allein noch nicht ausreicht, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu verneinen, so kann diese Argumentation angesichts der aufgezeigten Gründe, die gegen das Vorliegen von Fluchtgründen sprechen, Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht nach sich ziehen.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010167.X00Im RIS seit
04.11.1992