TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/4 92/01/0462

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Veröffentlicht am 04.11.1992
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. März 1992, Zl. 4.289.056/3-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. März 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein afghanischer Staatsangehöriger, der am 11. Dezember 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer selbst vertritt nicht die Auffassung, daß er bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren über die "Fluchtgründe", wie sie aus der mit ihm am 22. Dezember 1989 aufgenommenen Niederschrift hervorgehen, das Vorliegen wohlbegründeter Furcht, wegen eines der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe verfolgt zu werden, glaubhaft gemacht habe. Demnach gehöre er keiner politischen Partei an und sei auch nicht verfolgt worden. Er habe ein Staatsstipendium erhalten und in Bulgarien studieren dürfen. Er habe beschlossen, nicht mehr nach Afghanistan zurückzukehren, da das jetzige Regime ein "mörderisches" sei und er "in Freiheit weiterstudieren" wolle. Außerdem habe er keine Angehörigen mehr in Afghanistan. Sollte er nach Afghanistan zurückkehren, erwarte ihn ein Militärdienst bis zu seinem 40. Lebensjahr. Da er den Kommunismus ablehne und in Freiheit leben wolle, habe er sich zur Flucht entschlossen.

Bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Mai 1991 hat allerdings der Beschwerdeführer (wie nunmehr auch in der Beschwerde) geltend gemacht, daß seiner Vernehmung ein Iraner, der der afghanischen, vom Beschwerdeführer gesprochenen Landessprache Dari nicht mächtig gewesen sei, als Dolmetsch beigezogen worden sei und Dari mit Persisch zwar verwandt sei, jedoch einige nicht unbeträchtliche Unterschiede aufweise. Im Zuge seiner Vernehmung sei es mehrfach zu Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetsch gekommen, und der Beschwerdeführer sei in seinen Ausführungen wiederholt vom Dolmetsch unterbrochen worden, weshalb seine Angaben auch nicht vollständig zu Protokoll genommen worden seien. Wenn es im Punkt 15. der Niederschrift heiße, daß ihm das Protokoll in seiner Muttersprache vorgelesen worden sei, so entspreche dies aus dem genannten Grund nicht den Tatsachen. Das Protokoll habe er unterfertigt, weil er einen schlechten Eindruck durch Verweigerung der Unterschrift habe vermeiden wollen. Die belangte Behörde wies in Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf hin, daß der Beschwerdeführer im Punkt 11. der Niederschrift Persisch als seine Muttersprache angegeben habe und es (anhand des von ihr zitierten "Fischer Welt Almanach") erwiesen sei, daß in Afghanistan Dari mit den Sprachen Farsi bzw. Persisch gleichzusetzen sei. Es entbehrten daher die vom Beschwerdeführer behaupteten Verständigungsschwierigkeiten im Rahmen der erstinstanzlichen Befragung der erforderlichen Glaubwürdigkeit. Abgesehen davon, daß die Beschwerde ein Eingehen auf diesen Begründungsteil vermissen läßt, wäre aber für den Standpunkt des Beschwerdeführers auch dann nichts zu gewinnen, wenn man der rechtlichen Beurteilung auch sein Berufungsvorbringen - das entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht im Widerspruch zu seinen Angaben laut Niederschrift vom 22. Dezember 1989 steht, sondern die damit, wenn auch ausführlich, lediglich ergänzt worden sind - zugrundelegt. Insofern ist der belangten Behörde, die auch zum Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers Stellung genommen hat, jedenfalls im Ergebnis beizupflichten.

Aus der Berufung ergibt sich, daß der Beschwerdeführer, obwohl er nicht der kommunistischen Partei Afghanistans angehört habe, deshalb, weil er "gute Zensuren" aufgewiesen habe, nach Bulgarien zum Studium geschickt worden sei und dort das Studium der Medizin absolviert habe. Wenn die belangte Behörde betont, daß dem Beschwerdeführer auf diese Weise "eine bevorzugte Behandlung" zuteil geworden sei, so kommt dem - ebenso wie den dagegen erhobenen Einwänden des Beschwerdeführers, daß es sich um eine zwangsweise Ausbildung in einem damals ebenfalls totalitären Staat gehandelt habe, weshalb auch von einem "Auslandsstudium" nicht die Rede sein könne, und sein Reisepaß nur für den Aufenthalt in Bulgarien für die Dauer des Studiums gegolten habe - keine maßgebliche Bedeutung zu, weil eine solche "Behandlung" eine spätere Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr in sein Heimatland nicht von vornherein ausschließen würde.

Der Beschwerdeführer hat in der Berufung auch vorgebracht, daß er während seines Studiums von Mitgliedern der kommunistischen Partei Afghanistans wiederholt aufgefordert worden sei, dieser Partei beizutreten, was er verweigert habe. Es sei hiebei immer wieder eindringlich versucht worden, ihm auseinanderzusetzen, daß er in diesem Fall als Contra-Revolutionär eingestuft werde. Dies bedeute, daß man nach Beendigung des Studiums einen Begleitbrief der kommunistischen Partei Afghanistans vom Studienland mit nach Hause erhalte, in welchem diese Haltung festgestellt werde. Der Beschwerdeführer lehne, wie bereits in der "ersten Niederschrift" festgehalten worden sei, das afghanische Regime ab; er bekenne sich jedoch auch nicht zu den sogenannten Contra-Revolutionären in seinem Heimatland. Er sei aber nicht bereit, im Rahmen eines Wehrdienstes, den er in Afghanistan abzuleisten hätte, gegen Contra-Revolutionäre zu kämpfen. Zum einen lehne er es als Arzt ab, Menschenleben zu vernichten, wozu er im Rahmen des Militärdienstes gezwungen wäre, zum anderen befürworte er nicht die Ziele und die Art und Weise, auf welche die Contra-Revolution bekämpft werde. In Afghanistan gebe es für Parteimitglieder, welche Ärzte seien, die Möglichkeit, keinen Waffendienst zu leisten. In den Genuß dieser Privilegien wäre er nicht gekommen, da er als Contra-Revolutionär eingestuft worden sei. Als Person, welche als politisch unzuverlässig gelte, würde er im Kampf gegen die Contra-Revolutionäre in die erste Linie, gewissermaßen als "Kanonenfutter", an die Front geschickt werden. Er hätte daher im Falle der Rückkehr in sein Heimatland um sein Leben, jedenfalls aber um seine körperliche Unversehrtheit zu fürchten.

Damit hat der Beschwerdeführer ihn treffende Nachteile in seinem Heimatland behauptet, die in diesem Zusammenhang (lediglich) darin bestünden, daß er aus den von ihm genannten Gründen nicht in den Genuß der - Ärzten, die der kommunistischen Partei Afghanistans angehören, zukommenden - Begünstigung, nicht zum Militärdienst eingezogen zu werden, gelange und er hiebei in vorderster Front gegen Contra-Revolutionäre zum Einsatz käme. Was letzteres betrifft, so hat der Beschwerdeführer - ungeachtet der Frage, ob es sich diesbezüglich nicht um eine von ihm bloß subjektiv empfundene, weil objektiv nicht näher begründete Furcht handelt - nicht dargetan, daß er schlechter gestellt würde als, unabhängig von ihrer politischen Gesinnung, andere Wehrpflichtige seines Heimatlandes. Die "Flucht" eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, und die dort zitierte weitere Judikatur) keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar. Daran vermögen die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände, auf Grund welcher er nicht bereit sei, gegen Contra-Revolutionäre zu kämpfen, nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer selbst hat auch nicht in Abrede gestellt, daß grundsätzlich alle im entsprechenden Alter befindlichen Staatsbürger seines Heimatlandes, zumindest männlichen Geschlechts, der Wehrpflicht unterliegen. Eine allfällige Benachteiligung, die er dadurch erfahren würde, daß er als Nichtmitglied der kommunistischen Partei Afghanistans auch als Arzt Militärdienst leisten müßte, kann aber für sich allein nicht als relevante Verfolgungshandlung angesehen werden.

Der Beschwerdeführer behauptet nunmehr auch, daß er auf Grund seiner Weigerung, der kommunistischen Partei Afghanistans beizutreten, in seinem Heimatland nicht mehr als Arzt "eingesetzt", sondern "dadurch vielmehr als "Volksschädling", der auf Kosten des Volkes studiert und dann nicht dem Volk hilft, behandelt" worden wäre. Es erübrige sich "wohl der Hinweis", welche Repressalien er als "Volksschädling" in einem totalitären Staat hätte ertragen müssen, sofern er "nicht gleich umgebracht worden wäre". Dieses zusätzliche Vorbringen verstößt gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, sodaß darauf nicht Bedacht genommen werden kann.

Auf sein weiteres Berufungsvorbringen, sein Vater sei von den staatlichen Behörden in Afghanistan wegen der von ihnen angenommenen Verbindung zu Contra-Revolutionären auf näher von ihm bezeichnete Weise politisch verfolgt worden, seine Eltern seien daraufhin in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet, wo sie in der Zwischenzeit als politische Flüchtlinge anerkannt worden seien, und er hätte im Falle der Rückkehr in sein Heimatland wegen der Flucht seiner Eltern "mit Nachstellungen und Inhaftierungen durch den afghanischen Geheimdienst, wie sie mein Vater erfahren mußte", darüber hinaus aber "ebenfalls mit der dargestellten Sonderbehandlung im Rahmen des Wehrdienstes" zu rechnen, und auf die damit im Zusammenhang stehende Begründung des angefochtenen Bescheides nimmt der Beschwerdeführer mit keinem Wort Bezug. Damit bringt er selbst nicht zum Ausdruck, daß ihm die belangte Behörde auf Grund dieses Vorbringens die Flüchtlingseigenschaft hätte zuerkennen müssen, sodaß eine Auseinandersetzung damit entbehrlich ist. Auch mit seiner Verfahrensrüge, es hätten die von ihm in der Berufung angebotenen Zeugen (offenbar seine Eltern) vernommen werden müssen, wird ausdrücklich nur das Beweisthema, "welche persönlichen Nachteile ich durch meine Haltung in Afghanistan hätte erleiden müssen", angesprochen. Daß die belangte Behörde auch bei Vernehmung der Zeugen zu diesem Beweisthema nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ergibt sich aus der bereits oben dargestellten Rechtslage.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010462.X00

Im RIS seit

04.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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