Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §68;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der E in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Juli 1992, Zl. SV - 2135/1 - 1992, betreffend Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm die Nichtzugehörigkeit der Beschwerdeführerin zum Kreis der begünstigten Behinderten AB DEM 11. JUNI 1991 bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich (LIA) vom 17. Jänner 1990 wurde gemäß §§ 2, 3 und 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) festgestellt, daß die Beschwerdeführerin ab dem 27. Juni 1989 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre; der Grad der Behinderung betrage 50 v.H. Zur Begründung dieses unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Bescheides wurde auf ein ärztliches Sachverständigengutachten vom 16. August 1989 verwiesen, wonach die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Beschwerdeführerin wegen der (damals) vorliegenden Gesundheitsschädigung "Thorakale-lumbale Skoliose, rec. Lumbalgie (Positionsnummer der Richtsätze: 191) 50 v.H. betrage; die Einstufung mit 50 v.H. sei entsprechend den röntgenologischen Veränderungen und dem derzeitigen Zustandsbild mit bereits kurzzeitig auftretenden Schmerzen erfolgt.
Am 17. April 1991 stellte die Beschwerdeführerin den formularmäßigen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, weil sich ihr Wirbelsäulenleiden verschlimmert habe und Gelenksschmerzen in verschiedenen Gelenken neu aufgetreten seien. Diesem Antrag ließ die Beschwerdeführerin als Nachweis für ihren Standpunkt einen Befundbericht des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. M vom 23. April 1991 folgen, der folgende Diagnose erstellte:
"Serumpositive Polyarthritis lt. Laborbefund mit hochpositivem CRP und klinischer Symptomatik entsprechend einer Polyarthralgie. Neu hinzugetreten seit 27.2.91, daher deutliche Verschlechterung des Zustandsbildes."
Das LIA holte zu diesem Antrag zunächst ein ärztliches Gutachten der praktischen Ärztin Dr. Z vom 11. Juni 1991 ein, die - nach mehrmaliger Ergänzung - bei der Beschwerdeführerin letztlich "Veränderungen der Wirbelsäule" (Richtsatzposition 191, MdE 40 v.H.) und "chronische Arthritis ohne Bewegungseinschränkung" (Richtsatzposition 417, MdE 10 v.H.) feststellte und die Gesamt-MdE mit 40 v.H. vorschlug.
Die Beschwerdeführerin erhielt im Rahmen des Parteiengehörs vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Kenntnis. Sie brachte in ihrer (am 27. Dezember 1991 persönlich beim LIA abgegebenen) Stellungnahme hiezu im wesentlichen vor, für sie sei die Einstufung ihrer MdE mit insgesamt 40 v.H. nicht akzeptabel; ihre Beschwerden in der Wirbelsäule sowie im Hüftgelenk hätten sich im vergangenen Jahr verschlechtert. Sie hätte morgens starke Schmerzen beim Aufstehen sowie beim Ankleiden von Strümpfen und Hosen, wobei sie sehr oft fremde Hilfe benötige. Auch hätten sich ihre Schmerzen bei längerem Stehen verstärkt. Dieser Stellungnahme ließ die Beschwerdeführerin einen Befundbericht Dris. M vom 20. Jänner 1992 folgen, der die Herabsetzung der Gesamt-MdE auf 40 v.H. als einen offensichtlichen Irrtum bezeichnete, weil bekannterweise eine serumpos. Polyarthritis bei einer derart jugendlichen Patientin niemals zu einer Besserung, sondern zu einer progredienten Verschlechterung führe und somit es auch nicht nachvollziehbar sei, daß eine Verringerung der prozentualen MdE vorliege.
Am 5. Mai 1992 langte beim LIA noch ein ärztlicher Entlassungsbericht des Moorheilbades X (Kuraufenthalt der Beschwerdeführerin vom 9. Februar bis 29. Februar 1992) ein.
Daraufhin holte das LIA noch ein Gutachten der Sachverständigen Dr. U vom 15. Mai 1992 ein, die die Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin wie folgt beurteilte:
1. Veränderungen der Wirbelsäule, RS.Pos. 191, 40 v.H. MdE
2. Polyarthralgien, RS.Pos. 417, 10 v.H. MdE
Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H. MdE.
Dazu führte die Sachverständige begründend aus:
"Es bestehen rez. Dorsolumbalgien (zum Zeitpunkt der Untersuchung nur geringer Reizzustand). Die Funktion der Wirbelsäule ist nur mäßig eingeschränkt, röntgenologisch bestehen nur geringgradige Veränderungen, keine neurologischen Ausfälle. Eine höhere Einschätzung ist daher insgesamt nach den gegebenen Richtsätzen nicht gerechtfertigt.
Pkt. 2: bei fallweise auftretenden Gelenksbeschwerden, bei beginnenden arthrotischen Veränderungen Einstufung mit dem oberen Rahmensatz in dieser Pos.Nr. Die Beweglichkeit ist in allen Gelenken frei.
Anamnestisch ist keine typische Symptomatik für eine PCP erhebbar. Die im Moorheilbad X erhobenen Laborwerte vom 11.2.1992 im Normbereich."
Mit Bescheid vom 21. Mai 1992 stellte das LIA sodann gemäß §§ 2, 3 und 14 BEinstG fest, daß die Beschwerdeführerin ab 11. Juni 1991 nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre; gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß der der Beschwerdeführerin ausgestellte Ausweis mit der Nummer 31847 gemäß § 14a BEinstG eingezogen werde und binnen zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides dem LIA zurückzustellen sei.
Nach Wiedergabe des § 2 Abs. 1 BEinstG führte das LIA begründend aus, mit Bescheid des LIA vom 17. Jänner 1990 sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin ab 27. Juni 1989 dem Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne der §§ 2 und 14 BEinstG angehöre. Der Grad der Behinderung (die MdE) sei auf Grund der festgestellten Gesundheitsschädigungen (zuletzt) mit 50 v.H. eingeschätzt worden. Das auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin vom 17. April 1991 durchgeführte medizinische Beweisverfahren habe ergeben, daß der Grad der Behinderung unter Berücksichtigung des § 3 BEinstG und des § 7 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) nunmehr weniger als 50 v.H. betrage. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Beweisverfahrens seien dem Beiblatt (Auszug aus den eingeholten Gutachten; kurze Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens), das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, innerhalb eines Jahres hätten sich ihre Schmerzen speziell im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke sehr stark verschlechtert. Der Kuraufenthalt in X habe ihr keine Linderung der Schmerzen gebracht. Sie könne daher die Beurteilung der MdE mit 40 v.H. nicht akzeptieren.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 1992 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und stellte in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides fest, daß die Beschwerdeführerin gemäß den §§ 2, 3 und 14 BEinstG idF gemäß BGBl. Nr. 313/1992 ab 11. Juni 1991 nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre. Gleichzeitig sprach die belangte Behörde aus, daß der der Beschwerdeführerin ausgestellte Ausweis mit der Nummer 31847 gemäß § 14a BEinstG eingezogen werde und von der Beschwerdeführerin unverzüglich dem LIA zurückzustellen sei.
Zur Begründung dieses Bescheides wurde nach kurzer Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes und Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage ausgeführt, im vorliegenden Fall habe sich nach den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 11. Juni 1991 und vom 15. Mai 1992 folgende Einschätzung der Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin ergeben:
"Lfd.Nr. Art der Gesundheits- Positionsnr. MdE
schädigung d. Richtsätze
01 Veränderung der 191 40 v.H.
Wirbelsäule Rahmensatz
40-100 v.H.: Entsprechend
dem Ausmaß, erfolgte die
Einschätzung mit 40 v.H.
02 Polyarthralgien 417 10 v.H.
Die Gelenksschmerzen wurden in Pos.417 mitberücksichtigt.
Anamnestisch ist keine typische Symptomatik für eine PCP erhebbar. Die im Moorheilbad X erhobenen Laborwerte vom 11.2.1992 liegen im Normbereich.
Der Grad der Behinderung beträgt somit vierzig von Hundert (40 v.H.), weil die unter Pkt. 01 angeführte führende Gesundheitsschädigung durch das Leiden unter Pkt. 02 nicht angehoben wird."
Die belangte Behörde sehe keinerlei Veranlassung, an der Schlüssigkeit der zitierten Sachverständigengutachten Zweifel zu hegen. Die in der Berufung geschilderten Schmerzzustände seien von der Beschwerdeführerin bereits im Rahmen des medizinischen Beweisverfahrens vor dem LIA geltend gemacht und in Pos. 417 der Richtlinien ohnehin schon mitberücksichtigt worden. Insgesamt habe sich aber eben nur ein Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben; es sei sohin wie im Spruche zu entscheiden gewesen. Bei einer allfälligen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin stehe es dieser frei, neuerlich einen Antrag auf Einbeziehung in den Kreis der begünstigten Behinderten zu stellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich "in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter und dem Vertrauen auf den Bestand eines rechtskräftigen Bescheides" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß dem ersten Satz des § 2 Abs. 1 BEinstG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 313/1992 (vgl. deren Art. III Abs. 1) sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.
Liegt - wie im Fall der Beschwerdeführerin - ein Nachweis im Sinne des § 14 Abs. 1 BEinstG nicht vor, so hat nach § 14 Abs. 2 BEinstG (ebenfalls in der Fassung gemäß BGBl. Nr. 313/1992) auf Antrag des Behinderten das örtlich zuständige Landesinvalidenamt unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (§ 3) festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim örtlich zuständigen Landesinvalidenamt wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (§ 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.
Nach § 19 Abs. 1 BEinstG (ebenfalls in der Fassung gemäß BGBl. Nr. 313/1992) finden auf das Verfahren, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 und hinsichtlich des § 21 die Vorschriften des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 Anwendung.
Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, bei rechtlich richtiger Würdigung hätte die belangte Behörde erkennen müssen, daß im Beschwerdefall gemäß § 19 BEinstG die Vorschriften des AVG, insbesondere § 68 AVG, Anwendung finden hätten müssen und nicht jene Rechtsgrundlage, die bereits zu einer in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung der Behörde geführt habe, und zwar einerseits zur Feststellung, daß der Grad der Behinderung nach Position 191 50 v.H. betrage und andererseits zur Aufnahme in den Kreis begünstigter Behinderter. Die Behörde habe daher über eine bereits rechtskräftig entschiedene Sache ohne jegliche Rechtsgrundlage neuerlich entschieden und sie sohin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Darüber hinaus sei durch die Vorgangsweise der belangten Behörde der Schutz des Vertrauens auf den Bestand eines rechtskräftigen Bescheides auf das gröblichste verletzt worden. Ein Antrag auf Neufeststellung des Grades der Behinderung wegen eines neu hinzugekommenen Leidens sei nicht in der Lage, eine Behebung eines rechtskräftigen Bescheides von Amts wegen einzuleiten. Es werde daher der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zu beheben und, da über den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung wegen Verschlimmerung des Leidenszustandes noch nicht entschieden worden sei, diese Entscheidung der Vorinstanz aufzutragen.
Es ist zwar grundsätzlich zutreffend, daß § 68 AVG mangels einer abweichenden Regelung im BEinstG auch in Angelegenheiten der Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der nach dem BEinstG begünstigten Behinderten Anwendung findet; dennoch erweist sich der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die im Beschwerdefall eingeschrittenen Verwaltungsbehörden hätten über eine bereits rechtskräftig entschiedene Sache zu Unrecht ohne jegliche Rechtsgrundlage neuerlich - meritorisch - entschieden, als nur zum Teil berechtigt.
Mit dem - unangefochten IN RECHTSKRAFT ERWACHSEN - Bescheid des LIA vom 17. Jänner 1990 ist festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin ab 27. Juni 1989 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört, wobei dieser Entscheidung als Gesundheitsschädigung eine "Thorakale-lumbale Skoliose, rec. Lumbalgie" mit einer MdE von 50 v.H. zugrunde gelegt worden ist. Am 17. April 1991 hat dann die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung (vgl. § 14 Abs. 3 BEinstG) mit der Begründung gestellt, daß sich ihr Wirbelsäulen-Leiden verschlechtert habe und Gelenksschmerzen in verschiedenen Gelenken neu aufgetreten seien. Das auf Grund DIESES ANTRAGES eingeleitete medizinische Beweisverfahren (Gutachten Dris. Z und Dris. U) hat ergeben, daß der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin nur mehr 40 v.H. betrage; als Gesundheitsschädigungen sind dabei "Veränderungen der Wirbelsäule (MdE 40 v.H.) und Polyarthralgien (MdE 10 v.H.)" festgestellt worden. Mit Bescheid des LIA vom 21. Mai 1992 (dieser Bescheid ist mit dem angefochtenen Bescheid vollinhaltlich bestätigt worden) ist festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin ab 11. Juni 1991 nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehört.
Die Rechtskraft des Bescheides des LIA vom 17. Jänner 1990 steht der meritorischen Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde NICHT zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft eines früher in derselben Angelegenheit ergangenen Bescheides einer neuen Sachentscheidung nur dann entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen KEINE Änderung eingetreten ist (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0162). Haben sich seit der Erlassung des rechtskräftigen Bescheides WESENTLICHE ÄNDERUNGEN (davon ist zum Zeitpunkt der Antragstellung wohl auch - allerdings im Sinne einer Verschlechterung ihres Leidenszustandes - die Beschwerdeführerin ausgegangen, weil ansonsten ihr Antrag wegen "entschiedener Sache" zurückzuweisen gewesen wäre) im Sachverhalt ergeben, so liegt keine Identität der Sache vor. Im Beschwerdefall liegt nach den - von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde unbekämpft gebliebenen - Feststellungen der medizinischen Sachverständigen eine Änderung des seinerzeit für die Entscheidung des LIA maßgebenden Sachverhaltes insoweit vor, als der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin auf Grund der nunmehr festgestellten Gesundheitsschädigungen ("Veränderungen der Wirbelsäule" und "Polyarthralgien") mit nur mehr 40 v.H. einzuschätzen sei. Damit kam zum Ausdruck, daß sich der dem Bescheid vom 17. Jänner 1990 zugrunde gelegene Sachverhalt im Sinne einer VERBESSERUNG des Leidenszustandes der Beschwerdeführerin geändert hat. Dem BEinstG läßt sich auch nicht entnehmen, daß eine einmal ausgesprochene Feststellung, ein Behinderter gehöre dem Kreis der nach dem BEinstG begünstigten Behinderten an, für immer - unabhängig von einem späteren Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten (wie im Beschwerdefall: Grad der Behinderung nur mehr 40 v.H.) - aufrecht zu bleiben hat (vgl. vielmehr § 14 Abs. 2 letzter Satz BEinstG). In diesem Zusammenhang kommt dem Umstand, daß das gegenständliche Verwaltungsverfahren über Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und nicht von Amts wegen - etwa als Folge einer amtswegigen Nachuntersuchung - eingeleitet worden ist, keine Bedeutung zu.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist auch über ihren Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung wegen Verschlimmerung der Leidenszustände sehr wohl entschieden worden. Das auf Grund dieses Antrages eingeleitete Ermittlungsverfahren hat allerdings - wie schon oben ausgeführt worden ist - ergeben, daß der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin auf Grund der nunmehr festgestellten Gesundheitsschädigungen nur mehr 40 v.H. beträgt, sodaß in der Folge mit Bescheid des LIA vom 21. Mai 1992 (dieser ist durch den angefochtenen Bescheid bestätigt worden) festgestellt worden ist, daß die Beschwerdeführerin ab 11. Juni 1991 nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehört.
Der belangten Behörde kann daher bei der gegebenen Sach- und Rechtslage keine Rechtswidrigkeit angelastet werden, wenn sie im Instanzenzug die Feststellung, daß die Beschwerdeführerin nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehört, bestätigt hat. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, daß die Beschwerdeführerin in dem von ihr geltend gemachten Recht auf den gesetzlichen Richter (gemeint offenbar: durch Entscheidung einer hiefür nicht zuständigen Behörde) verletzt worden ist.
Die Beschwerdeführerin ist jedoch dessenungeachtet in ihrem als Beschwerdepunkt geltend gemachten "Vertrauen auf den Bestand eines rechtskräftigen Bescheides" insoweit verletzt worden, als die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid auch in dem Ausspruch bestätigt hat, die Beschwerdeführerin gehöre dem Kreis der begünstigten Behinderten "ab dem 11. Juni 1991" nicht mehr an. Die belangte Behörde hatte bei ihrer Entscheidung gemäß Art. III Abs. 1 der Novelle BGBl. Nr. 313/1992 den oben wiedergegebenen § 14 Abs. 2 BEinstG in der Fassung gemäß dieser Novelle anzuwenden. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung erlöschen die Begünstigungen "mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird". Ein rückwirkendes Erlöschen dieser Begünstigungen, wie es im angefochtenen Bescheid bestätigt wurde, widerspricht dieser Gesetzeslage. In diesem Umfang erweist sich der angefochtene Bescheid somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 2 und 50 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die mit Rücksicht auf die Gebührenfreiheit gemäß § 23 BEinstG zu Unrecht verzeichneten Stempelgebühren.
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Gebührenfreiheit der Beschwerde Ersatz bei GebührenfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090213.X00Im RIS seit
04.11.1992