TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/4 91/01/0206

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Veröffentlicht am 04.11.1992
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Index

10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs2;
VersammlungsG 1953 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. September 1991, Zl. St-12/91, betreffend Übertretung des Versammlungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. Jänner 1991 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (BH) den Beschwerdeführer für schuldig, als Verantwortlicher einer (näher bestimmten) Demonstrationsversammlung am 24. Juni 1990 diese nicht zeitgerecht bei der Behörde, in deren Wirkungsbereich die Versammlung abgehalten wurde, angezeigt und dadurch eine Übertretung des § 2 Abs. 1 Versammlungsgesetz 1953 (VersG) begangen zu haben. Gemäß § 19 leg. cit. verhängte die BH über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe im Ausmaß von S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe 72 Stunden).

Mit Bescheid vom 3. September 1991 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Abänderung, daß die verhängte Strafe auf S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) herabgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die "wegen Rechtswidrigkeit" erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen zufolge in seinem Recht, im Fall der zwar innerhalb der Frist des § 2 Abs. 1 VersG, nicht aber während der behördlichen Amtsstunden erfolgenden Einbringung einer Versammlungsanzeige nicht wegen Übertretung der angeführten Gesetzesstelle bestraft zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 VersG muß, wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, dies wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

Gemäß § 13 Abs. 2 AVG, in der im Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. 357/1990, ist die Behörde zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben nur während der Amtsstunden verpflichtet. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind bei der Behörde durch Anschlag kundzumachen.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, der Beschwerdeführer sei der in § 2 Abs. 1 VersG normierten Anzeigeverpflichtung deshalb nicht rechtzeitig nachgekommen, weil die fernschriftliche Anzeige über die für Sonntag, den 24. Juni 1990, 15.30 Uhr, geplante Demonstrationsversammlung erst am Samstag, dem 23. Juni 1990, vormittags und somit außerhalb der Amtsstunden der BH übermittelt worden sei. Außerhalb der Amtsstunden sei die Behörde nicht zur Entgegennahme von Eingaben verpflichtet, Dauer- und Journaldienst zähle nicht zu den Amtsstunden.

Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer die Anzeige betreffend die von ihm für Sonntag, den 24. Juni 1991, 15.30 Uhr, geplante Demonstrationsveranstaltung am Samstag, dem 23. Juni 1991, um 10.44 Uhr, fernschriftlich der BH als gemäß § 16 lit. a VersG zuständiger Behörde übermittelt. Gemäß einem Amtsvermerk dieser Behörde vom 24. Juni 1990 wurde ein nicht im Amtsgebäude anwesender Organwalter der BH durch den journaldiensthabenden Juristen im Wege der Gendarmerie noch am Vormittag des 23. Juni 1990 über die Demonstrationsanzeige informiert und wurde in der Folge am gleichen Tag eine Besprechung über die auf Grund der angezeigten Demonstration erforderlichen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen durchgeführt.

Aus diesem Sachverhalt ist ersichtlich, daß die BH dadurch, daß sie ihr Fernschreibgerät auch außerhalb der Amtsstunden in Betriebsbereitschaft gehalten hat, in der Lage war, fernschriftliche Anbringen entgegenzunehmen, und die auf diesem Wege bei ihr eingelangte Anzeige über die vom Beschwerdeführer geplante Demonstration auch tatsächlich entgegengenommen hat. Da die Anzeige sohin unbestrittenermaßen früher als 24 Stunden vor der geplanten Versammlung bei der BH eingelangt und damit von dieser Behörde entgegengenommen worden ist, kann davon, daß der Beschwerdeführer die in § 2 Abs. 1 VersG festgelegte Frist nicht eingehalten hätte, nicht die Rede sein (vgl. das in einem ähnlich gelagerten, das Vereinsrecht betreffenden Beschwerdefall ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1982, Zl. 81/01/0291).

Dadurch, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides somit von einer unrichtigen Rechtsanschauung ausgegangen ist, hat sie diesen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Da sich die vom Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel der Einschränkung des Rechtes auf Versammlungsfreiheit gegen § 2 Abs. 1 VersG geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken als unbegründet erweisen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstelle beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991010206.X00

Im RIS seit

04.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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