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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. April 1992, Zl. 4.306.959/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. April 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger, der am 25. September 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der (bereits damals anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer führte in seinem schriftlichen Asylantrag vom 2. Oktober 1990 hinsichtlich seiner Fluchtgründe aus, daß er in der Türkei auf Grund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit politisch verfolgt worden sei. Er sei Sympathisant der kurdischen Organisation "TK-PAL" gewesen, hätte ihr aber nicht angehört. Dies sei den Behörden bekannt geworden und habe, abgesehen von der im allgemeinen bestehenden Benachteiligung der Kurden in der Türkei in allen Lebensbereichen, konkrete Verfolgungshandlungen seitens der türkischen Behörden ausgelöst. Er sei von der Polizei überwacht, verhört und anderen Verfolgungshandlungen unterworfen worden, weshalb er sich zur Flucht nach Österreich entschlossen habe. Demgegenüber gab er diesbezüglich bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren am 23. November 1990 an, er gehöre seit 1983 der in der Türkei illegalen und im Untergrund arbeitenden TKP, der "Türkischen Kommunistischen Partei", welche marxistisch-leninistisch ausgerichtet sei, an. Ein Teil der Partei sei die TIKKO, die "Türkische Arbeiter- und Dorforganisation", der er ebenfalls angehöre. Er selbst habe keine "direkten Schwierigkeiten" mit den türkischen Behörden gehabt, da er von den Behörden unerkannt für die Partei gearbeitet habe. Am 1. Mai 1990 habe er bei den Maiaufmärschen teilgenommen. Kurz vor seiner Flucht habe er aber erfahren, daß er an die Polizei verraten worden sei und er auf Grund seiner Mitgliedschaft bei der TKP intensiv gesucht werde. Er habe für die Partei auch aktiv gearbeitet. Würde er den türkischen Behörden ausgeliefert, würden ihn Folter und eine hohe Gefängnisstrafe erwarten, und zwar sowohl weil er aktives Mitglied der TKP als auch weil er Kurde sei. Bei der PKK sei er deshalb nicht, weil diese Partei nur für die Kurden sei, während die TKP die Zustände für die Kurden und auch für die gesamte Türkei verbessern wolle. Aus diesem Grund habe er sicherlich besondere Verfolgung zu befürchten. Ein großer Teil seiner Freunde sei in der Türkei bereits in Haft.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers einerseits im schriftlichen Asylantrag andererseits bei seiner Befragung um gravierende Widersprüche - und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, lediglich um geringfügige Abweichungen - handelt. Worauf diese Widersprüche zurückzuführen waren und ob sie sich im Sinne des Beschwerdevorbringens daraus erklären, daß es mangels Anwesenheit eines geeigneten Dolmetsch bei Aufnahme der Information vor Stellung des Asylantrages zu Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vertreter gekommen ist, weshalb der Entscheidung der belangten Behörde seine Angaben bei der Befragung zugrunde zu legen gewesen wären, ist ohne Belang. Maßgebend ist nämlich nur, daß der belangten Behörde diese Widersprüche vorlagen, ohne daß sie der Beschwerdeführer bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides von sich aus aufgeklärt hätte. Der belangten Behörde war gar nicht erkennbar, daß es bei Abfassung des Asylantrages allenfalls intern zu "Verständigungsschwierigkeiten" gekommen ist, sodaß sie auch nicht gehalten war, danach zu forschen (vgl. in Ansehung von Mißverständnissen bei der Abfassung einer Berufung das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0459). Im übrigen ist dem Beschwerdeführer, der geltend macht, daß ihn die belangte Behörde zu diesen Widersprüchen hätte befragen müssen, entgegenzuhalten, daß keine Verpflichtung bestand, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, daß Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hiefür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber in der Richtung, daß sich der Betreffende aus wohlbegründeter Furcht, aus einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe - wofür im vorliegenden Fall nur die der Nationalität und der politischen Gesinnung in Betracht gekommen wären - außerhalb seines Heimatlandes befinde. Wenn die belangte Behörde auf Grund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangt ist, daß dem Beschwerdeführer eine solche Glaubhaftmachung nicht gelungen ist, so handelt es sich dabei um einen Akt der freien Beweiswürdigung, die nicht als unschlüssig angesehen werden kann. Die erforderliche Glaubhaftmachung hat der Beschwerdeführer nicht dadurch erbracht, daß seine niederschriftlichen Angaben "durch keine wie immer gearteten gegenteiligen Beweisergebnisse widerlegt sind". Die weitere Rüge des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid enthalte keine Sachverhaltsfeststellungen, ist ebenfalls nicht berechtigt, erschöpft sich doch in diesem Fall die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes gemäß den §§ 37 und 56 AVG in der Feststellung der belangten Behörde, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Tatsachen - im Hinblick darauf, daß sie (mangels Glaubhaftmachung) gemäß § 45 Abs. 2 leg. cit. nicht als erwiesen anzunehmen waren - nicht zuträfen und wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides dem § 60 AVG auch insoweit, als sie die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens klar und übersichtlich zusammenzufassen hat, hinreichend Rechnung getragen.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelAbstandnahme vom ParteiengehörBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010560.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
25.02.2019