TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/9 91/10/0105

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Veröffentlicht am 09.11.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §7 Abs1 litc;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A M in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 13. März 1991, Zl. IVb-449-42/1990, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg (belangte Behörde) wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung für schuldig erkannt, wobei der Schuldspruch wie folgt lautet:

"Herr A M, wh. in L, hat, wie am 2.8.1989 bei einer lebensmittelpolizeilichen Untersuchung durch das Lebensmittelaufsichtsorgan S im "X"-Markt in F, in der Fleischabteilung festgestellt wurde, in seiner Funktion als gemäß § 9 VStG 1950 verantwortlicher Beauftragter für den Metzgereibereich im "X"-Verbrauchermarkt in der Filiale F, das Lebensmittel "Schweinskarree ohne Knochen" in der Verkaufsvitrine der Fleischabteilung unter der Bezeichnung "Filet-Ersatz" zum Verkauf angeboten. Herr A M hat dadurch das Lebensmittel "Schweinskarree ohne Knochen" falsch bezeichnet in den Verkehr gebracht und damit zur Irreführung geeignete Angaben über die Beschaffenheit, Art und Aufmachung dieses Lebensmittels, die nach der Verkehrserfassung und Verbrauchererwartung wesentlich sind, gemacht."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 lit. c und 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes 1975 (in der Folge: LMG 1975) begangen. Gemäß § 74 Abs. 1 leg. cit. wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Stunden) verhängt.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz im wesentlichen vorgebracht, die Zusatzbezeichnung "Filet-Ersatz" sei zwischenzeitlich durchaus handelsüblich und weit verbreitet. Durch diese Bezeichnung werde dem Kunden ausdrücklich und schlüssig mitgeteilt, daß es sich hier nicht um das "Filet", sondern um ein "Schweinskarree ohne Knochen" handle. Diese Bezeichnung sei auch von anderen Verwaltungsbehörden wie auch Strafgerichten erlaubt worden.

Nach den Ermittlungsergebnissen - so heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - stehe fest, daß das "Schweinskarree ohne Knochen" unter der Bezeichnung "Filet-Ersatz" zum Verkauf angeboten worden sei. Diese Bezeichnung sei mit 6 mm großen Buchstaben, die Bezeichnung "Schweinskarree ohne Knochen" mit bloß 2 mm großen Buchstaben ersichtlich gemacht gewesen. Es sei offensichtlich, daß sich der Normalverbraucher unter der Bezeichnung "Filet-Ersatz" etwas anderes vorstelle als bei der Umschreibung "Schweinskarree ohne Knochen". Beim Filet handle es sich um ein hochwertiges, teureres Fleischstück. Vom Beschwerdeführer sei eingestanden worden, daß das beanstandete Fleisch tatsächlich kein Filet gewesen sei. Es handle sich um ein "Schweinskarree ohne Knochen", das speziell wie Filet für den Hausgebrauch zubereitet worden sei. Die Umschreibung von "Filet-Ersatz" könne als Eigendefinition des Beschwerdeführers angesehen werden und entspreche nicht der Verkehrsauffassung. Diese Bezeichnung sei auch in der Literatur zum Lebensmittelrecht bisher nicht als allgemein handelsüblich aufgenommen worden. Es sei nicht anzunehmen, daß der Normalverbraucher beim Lesen der Worte "Filet-Ersatz" den Schluß ziehe, daß es sich tatsächlich um ein "Karree ohne Knochen" handle. Die unter der Bezeichnung "Filet-Ersatz" befindliche, mehrfach kleinere, aber richtige Bezeichnung "Schweinskarree ohne Knochen" könne beim flüchtigen Lesen von einem nicht unbeträchtlichen Teil der Konsumenten übersehen werden. Sollten tatsächlich beide Bezeichnungen wahrgenommen werden, so wisse der Konsument nicht, ob es sich bei der Ware um ein filetähnliches Fleisch oder um ein Schweinskarree handle. Es könne daher von einer Irreführung ausgegangen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei ein Lebensmittel falsch bezeichnet, wenn es mit Angaben in Verkehr gebracht werde, die zur Irreführung geeignet seien. Die Irreführung müsse sich auf Umstände beziehen, die nach der Verkehrsauffassung, insbesonders nach der Verbrauchererwartung, wesentlich seien. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde enthalte das Etikett keine "zur Irreführung geeigneten Angaben" im Sinne des § 8 lit. f LMG 1975. Es erwecke keineswegs den Eindruck, das mit ihm bezeichnete Fleisch sei ein "Filet"; vielmehr nenne es das Fleischstück ausdrücklich einen "Filet-Ersatz", sodaß niemand auf den Gedanken kommen könne, ein Filet vor sich zu haben. Dazu komme, daß das Etikett über Art und Herkunft des Fleisches richtig informiere, nämlich darüber, daß es sich um ein "Schweinskarree ohne Knochen" handle.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 LMG 1975 ist es verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die ...

c) falsch bezeichnet sind ...

Der mit "Begriffsbestimmungen" überschriebene § 8 LMG 1975 lautet auszugsweise:

"§ 8. Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe sind

...

f) falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden;

..."

Der mit "Verwaltungsstrafen" überschriebene § 74 Abs.1 LMG 1975 hat folgenden Inhalt:

"§ 74. (1) Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt, macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2, Z. 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig, und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen."

Im Gegensatz zur Verfälschung (und Nachmachung) handelt es sich bei der Falschbezeichnung nicht um eine Manipulation am Produkt, sondern um zur Irreführung geeignete Angaben über die Ware, sei es durch die Bezeichnung, die Form oder Aufmachung. "Zur Irreführung geeignet" bedeutet dabei, daß ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen durch bestimmte Angaben irregeführt werden kann. Allerdings muß es sich um zur Irreführung geeignete Angaben über solche Umstände handeln, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind (vgl. Barfuß u.a., Lebensmittelrecht, 2. Auflage, Kommentar zu § 8, Seite 19f).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer im wesentlichen vorgeworfen, das Lebensmittel "Schweinskarree ohne Knochen" durch die (weitere) Bezeichnung als "Filet-Ersatz" mit zur Irreführung geeigneten Angaben über die Beschaffenheit, Art und Aufmachung dieses Lebensmittels, die nach der Verkehrsauffassung und Verbrauchererwartung wesentlich sind, in Verkehr gebracht zu haben. Dies kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Wird "Schweinskarree ohne Knochen" zusätzlich noch als "Filet-Ersatz" bezeichnet, so liegen jedenfalls zur Irreführung geeignete Angaben über die Art des Produktes vor, weiß doch ein nicht unerheblicher Teil der Konsumenten in einem solchen Fall nicht, ob es sich bei der Ware um ein filetähnliches Fleisch oder um ein Schweinskarree handelt. Dazu kommt, daß durch die Hervorhebung der Bezeichnung "Filet-Ersatz" der Eindruck erweckt wird, es handle sich - wenn schon nicht um ein echtes Filet, also ein hochwertiges, teures Fleisch - jedenfalls um ein höherwertiges Produkt als es Schweinskarree ohne Knochen darstellt. Dabei liegt es auf der Hand, daß die Art des in Verkehr gebrachten Lebensmittels einen Umstand darstellt, der nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich ist.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100105.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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