TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/10 92/05/0215

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Veröffentlicht am 10.11.1992
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L70704 Theater Veranstaltung Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauO OÖ 1976 §23 Abs2;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauRallg;
BauV OÖ 1985 §36 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der MB in P, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1992, Zl. BauR-010679/3-1992 Ki/Lan, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) JB, 2) HB, beide in P, 3) Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. Juni 1991 wurde dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung für die "Sanierung der bestehenden Düngerstättenmauer" auf dem Grundstück Nr. 2604/2, EZ 19 des Grundbuches über die Katastralgemeinde P, erteilt.

Die dagegen u.a. von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. August 1991 abgewiesen, wobei sich die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides auf die im Gegenstande stattgefundene Bauverhandlung vom 10. Juni 1991 berief, bei welcher die Beschwerdeführerin entsprechend der darüber aufgenommenen Verhandlungsschrift durch ihren Ehemann vertreten gewesen sei und die Auffassung vertrat, daß es sich bei der Forderung "um Einhaltung einer Lagerhöhe von 2 m" um keine Einwendung im Sinne der O.ö. Bauordnung 1976 handle, weshalb diese als unzulässig abgewiesen werde. Von einer Erhöhung der Geruchsbelästigung durch die bewilligte bauliche Maßnahme könne nicht gesprochen werden, da der Stallmist seit jeher an derselben Stelle gelagert werde.

Dieser Berufungsbescheid wurde auf Grund der von der Beschwerdeführerin dagegen eingebrachten Vorstellung mit dem unbekämpft gebliebenen Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 27. September 1991 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde zurückverwiesen.

Die Aufsichtsbehörde vertrat in der Begründung dieses Bescheides zunächst die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin bei der erwähnten Bauverhandlung nicht vertreten gewesen sei, weshalb sie als nicht präkludiert anzusehen und daher berechtigt gewesen sei, in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid Einwendungen vorzubringen. Aus dem Rechtsmittel der Beschwerdeführerin gehe eindeutig hervor, daß sie eine Beeinträchtigung durch Immissionen befürchte, weshalb diese Einwendung als eine öffentlich-rechtliche zu werten sei. Im übrigen vertrat die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, daß das Ermittlungsverfahren zur Frage einer Erhöhung der Geruchsbelästigung durch die bewilligte Baumaßnahme mangelhaft geblieben sei und nicht ausgeschlossen werden könne, daß nach Durchführung eines ordnungsgemäß ergänzten Ermittlungsverfahrens ein anderes Bescheidergebnis hervorgekommen wäre.

Nach Einholung von Stellungnahmen des Bezirksbauamtes Gmunden sowie eines immissionstechnischen Sachverständigen wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 30. Juni 1992 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. Juni 1991 neuerlich ab. Die Berufungsbehörde begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß nach dem baufachlichen Gutachten die grundlegende Voraussetzung für eine Unterschreitung der sonst zu beachtenden Abstandsvorschriften erfüllt sei und nach dem Gutachten des immissionstechnischen Sachverständigen für das Anwesen der Beschwerdeführerin in bezug auf Geruchsimmissionen - hervorgerufen durch Emissionen der Mistlagerstätte - keine wesentliche Änderung eintreten werde. Sowohl der baufachliche als auch der immissionstechnische Sachverständige hätten in ihren Gutachten auf eine Reduzierung der Geruchsemission durch die Erhöhung der Düngerstättenmauer hingewiesen.

Mit Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 23. Juli 1992 wurde der dagegen eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß sie durch den Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt werde.

Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Wortlautes des § 23 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung 1976 wies die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides darauf hin, daß diese Vorschrift subjektiv-öffentliche Rechte für die Nachbarschaft begründe, weshalb diesbezügliche Einwendungen im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen seien. Es sei allerdings festzuhalten, daß durch diese Vorschrift nicht schlechthin Nachteile oder Belästigungen für den dort geschützten Personenkreis ausgeschlossen seien. Ob diese Nachteile oder Belästigungen letztlich im Sinne des Vorstellungsbegehrens bedeutungsvoll seien, setze in diesem Punkt eine Beurteilung durch Sachverständige voraus, wobei aber die Beurteilung grundsätzlich an der widmungsgemäßen Zulässigkeit des Bauvorhabens zu messen sein werde. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß sich sowohl das Baugrundstück als auch das Grundstück der Beschwerdeführerin in einem von landwirtschaftlicher Nutzung geprägten Weiler befänden, sodaß eine gewisse Geruchsemission (entsprechend der Nutzung durch Tierhaltung und der damit verbundenen Mistablagerung) als ortsüblich anzusehen sei. Was die tatsächliche Gefährdung, Benachteiligung oder Belästigung anlange, so lägen zwei Sachverständigengutachten vor, aus denen klar hervorgehe, daß mit schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 23 Abs. 2 leg. cit. nicht zu rechnen sei. Diese Gutachten seien nachvollziehbar bzw. schlüssig und stünden mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch. Die Beschwerdeführerin stelle bloß Behauptungen auf, ohne den gutächtlichen Äußerungen auf gleicher fachlicher Ebene Argumente entgegenzuhalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehendes Gutachten in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden. Da die Beschwerdeführerin kein gleichwertiges, fachlich fundiertes Gutachten vorgelegt habe, bestünden seitens der Aufsichtsbehörde keine Bedenken, daß die Berufungsbehörde die obgenannten Gutachten des immissions- bzw. des bautechnischen Sachverständigen der Entscheidung zugrunde gelegt habe und davon ausgegangen sei, daß die Beschwerdeführerin durch das Bauvorhaben weder gefährdet, noch erheblich benachteiligt oder erheblich belästigt werde. § 23 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung 1976 stehe somit der Erteilung einer Baubewilligung nicht entgegen. Gemäß § 49 Abs. 2 leg. cit. sei, sofern nicht eine Zurückweisung oder eine Abweisung nach § 45 zu erfolgen habe, die beantragte Baubewilligung zu erteilen, wenn die erforderliche Zustimmung des Grundeigentümers vorliege und das Bauvorhaben in allen seinen Teilen den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes sowie, unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 4, dem § 23, den hiezu erlassenen Durchführungsvorschriften und sonstigen baurechtlichen Vorschriften nicht widerspreche. Andernfalls sei die beantragte Baubewilligung zu versagen. Da - jedenfalls im Hinblick auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin - keiner der im § 49 Abs. 2 leg. cit. festgelegten Tatbestände gegen die Erteilung der Baubewilligung spräche, sei diese zwingend zu erteilen gewesen. Die Beschwerdeführerin sei hiedurch nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung 1976 müssen bauliche Anlagen in allen ihren Teilen so geplant und errichtet werden, daß schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind solche, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im besonderen für die Benützer der Bauten und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung (Änderung der natürlichen Zusammensetzung der freien Luft, z.B. durch Rauch, Ruß, Staub und andere Schwebstoffe, Dämpfe, Gase und Geruchstoffe), Lärm oder Erschütterungen.

Aus diesen Anordnungen kann der Nachbar ein subjektiv-öffentliches Recht ableiten (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1982, Zlen. 81/05/0126, 0127).

In der im Anschluß an den aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheid vom 27. September 1991 eingeholten Stellungnahme des immissionstechnischen Sachverständigen wurde ausgeführt, daß "für das westlich der geplanten Baumaßnahmen befindliche Anwesen" der Beschwerdeführerin "in bezug auf Geruchsimmissionen - hervorgerufen durch Emissionen der Mistlagerstätte - keine wesentliche Änderung eintreten wird. Durch die Erhöhung der Mauer an der" der Beschwerdeführerin "zugewandten Seite der Mistlagerstätte kann sich eine Reduzierung der Geruchsemission durch die Verringerung der freien Oberfläche ergeben, solange sich die Oberkante der Mistlagerung unterhalb der Unterkante der Begrenzungsmauer befindet".

Der Beschwerdeführerin hat in ihrer dazu abgegebenen Stellungnahme die Frage aufgeworfen, woraus sich die Garantie ergebe, "daß die 2 m Lagerhöhe eingehalten wird", und in diesem Zusammenhang gemeint, "je höher der frische Mist gelagert wird, desto mehr dringen die Geruchsimmissionen in die obersten Wohnräume".

Die Berufungsbehörde ist in der Begründung ihres Bescheides vom 30. Juni 1992 auf diese Erwägungen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen, sondern hat sich in diesem Zusammenhang auf die Feststellung beschränkt, daß der immissionstechnische und der baufachliche Sachverständige in ihren Gutachten auf eine "Reduzierung der Geruchsemission durch die Erhöhung der Düngerstättenmauer" hingewiesen hätten. Obwohl die Beschwerdeführerin in ihrer Vorstellung gegen diesen Berufungsbescheid ausdrücklich hervorgehoben hat, daß die Bauwerber "nur durch die Formulierung und Aufnahme eines

zusätzlichen Auflagepunktes ... zu verpflichten" seien, "die

Mistlagerstätte im Sinne der ... Aussagen des

immissionstechnischen Gutachtens zu betreiben", weil der Verdacht naheliege, daß "nach Errichtung der geplanten Mistlagerstätte mit einem Mistfördergerät gearbeitet wird, das schlußendlich den Mist kegelförmig anhäuft und der Großteil des Kegels die Oberkante der geplanten Mistlagerstätte überragt", hat sich auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit diesem Thema nicht auseinandergesetzt.

Der Gerichtshof hält diesen Begründungsmangel für wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf die geschilderten Erwägungen der Beschwerdeführerin zu einem für diese günstigeren Bescheid gekommen wäre. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß sich weder aus dem von der Berufungsbehörde bestätigten erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid, noch aus der diesem zugrundeliegenden Baubeschreibung sowie dem mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauplan irgendeine Beschränkung der Menge des in der genehmigten, von der Liegenschaft der Beschwerdeführerin lediglich etwa 7 m () entfernten Anlage zu deponierenden Düngers ergibt, weshalb in rechtlicher Hinsicht keineswegs sichergestellt ist, daß die Mistlagerung nicht in einer Höhe erfolgt, von welcher der Sachverständige im Zusammenhang mit seiner Schlußfolgerung, daß auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin "keine wesentliche Änderung" der Geruchsimmissionen "eintreten wird", nicht ausgegangen ist. Der in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretenen Auffassung, daß auch ohne eine den Vorstellungen der Beschwerdeführerin entsprechende Auflage keine wesentliche Änderung einer allfälligen Geruchsbelästigung eintreten wird, kann sich der Gerichtshof nicht anschließen, weil der immissionstechnische Sachverständige in seiner Stellungnahme nicht zum Ausdruck gebracht hat, daß sich dann keine wesentliche Änderung des Ausmaßes der Geruchsimmissionen auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin ergeben könnte, wenn die Mistablagerung - gegebenenfalls erheblich - über die Oberkante der Begrenzungsmauer hinaus erfolgt.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann es dahingestellt bleiben, ob das von der Beschwerdeführerin gerügte Unterbleiben der Einholung des Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, doch wird aus prozeßökonomischen Gründen darauf hingewiesen, daß im fortgesetzten Verfahren zwecks Vermeidung einer allfälligen diesbezüglichen Rechtswidrigkeit die Auswirkungen der vom beantragten Bauvorhaben ausgehenden Emissionen durch einen medizinischen Sachverständigen zu beurteilen sein werden.

Im übrigen ist noch darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides insofern die Rechtslage verkannt hat, als sie, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegeben, darauf hingewiesen hat, daß sich das Grundstück der Beschwerdeführerin in einem von LANDWIRTSCHAFTLICHER NUTZUNG GEPRÄGTEN WEILER befinde, sodaß eine gewisse Geruchsemission (entsprechend der Nutzung durch Tierhaltung und der damit verbundenen Mistablagerung) als ortsüblich anzusehen sei, weil mit diesen offenbar auf die seit 1. Oktober 1989 als Landesgesetz geltende Regelung des § 36 Abs. 7 der O.ö. Bauverordnung (vgl. LGBl. Nr. 37/1989) Bezug nehmenden Ausführungen übersehen worden ist, daß die in dieser Bestimmung vorgesehenen Abstände von Sammelanlagen für festen Dünger u.a. von Nachbargrenzen nur in Gebieten unterschritten werden dürfen, in denen sich AUSSCHLIEßLICH LANDWIRTSCHAFTSBETRIEBE befinden, wenn die zu erwartende Geruchsbelästigung das ortsübliche Ausmaß voraussichtlich nicht überschreitet.

Der angefochtene Bescheid war also gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Beschwerdeführerin durch diesen Bescheid in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung der Vorschrift des § 23 Abs. 2 der

O.ö. Bauordnung 1976 verletzt worden ist.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050215.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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