Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
PauschV VwGH 1991 Art1 lita Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. Februar 1992, Zl. MA 64-11/316/91/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das (aufhebende) hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1991, Zl. 90/02/0155, verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid wurde der Beschwerdeführer neuerlich der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 und 2a lit. b StVO schuldig erkannt und hiefür bestraft.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat im zweiten Rechtsgang ein weiteres medizinischen Sachverständigengutachten eingeholt, "wobei der Berufungswerber einer Lungenfunktionsüberprüfung unterzogen wurde"; unter Berücksichtigung dieser Untersuchung sei das Gutachten (vom 11. Dezember 1991) erstellt worden. Mit diesen Formulierungen erweckt die belangte Behörde den Eindruck, als wäre eine neue derartige Überprüfung vorgenommen worden. Tatsächlich stützt sich das Gutachten aber auf die im Vorerkenntnis genannten Befunde vom September 1989 und auf einen Befund einer tschechischen Heilanstalt für Tuberkulose und Krankheiten der Atemwege vom 29. Oktober 1991 (nach den Angaben des Beschwerdeführers befindet sich sein Arbeitsplatz in Brünn).
Auf Grund des normalen Lungenröntgens vom 4. September 1989 und der (laut tschechischem Befund) normalen Blutgaswerte hat der Amtssachverständige eine "schwere restriktive Ventilationsstörung" mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Selbst im Falle einer solchen sei das für die Beatmung des Alkomaten nötige Blasvolumen von einem 42-jährigen Mann von 1,75 Meter Größe erreichbar. Diese Feststellungen hat der Beschwerdeführer nicht entkräften können. Dem Gutachten ist aber nicht zu entnehmen, daß die Schlußbemerkung, der Beschwerdeführer sei in der Lage gewesen, eine "Atemalkoholbestimmung" durchzuführen, schon aus den vorhin genannten Gründen gerechtfertigt sei, sodaß der Lungenfunktionsprüfung keine Bedeutung mehr zukäme. Vielmehr gehört zur tragenden Begründung des Gutachtens auch die Feststellung, bei der "kleinen Spirometrie" des Gesundheitsamtes vom 8. September 1989 sei es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, ohne große Motivation in drei Sekunden 2,63 Liter auszuatmen; für die Beatmung des Alkomaten sei (demgegenüber) laut Betriebsanleitung ein Blasvolumen von (nur) mindestens 1,5 Liter in drei Sekunden nötig. Mit dieser Darstellung wäre die Schlußbemerkung des Gutachtens hinreichend begründet, ohne daß es noch auf das Ausmaß der Motivation zur "forcierten Exspiration" bzw. deren Erkennbarkeit aus den "Werten der Flußvolumenkurve" ankäme. Während im Gutachten vom 11. Dezember 1991 als Ergebnis der Lungenfunktionsprobe vom 8. September 1989 aber eine Vitalkapazität von 2,63 Liter wiedergegeben wird, enthält der lungenfachärztliche Befund vom 11. September 1989 die Angabe, daß die "Lungenfunktion vom 8. September 1989" nicht verwertbar sei, wie dies schon im Vorerkenntnis dargestellt wurde.
Obwohl nun der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme vom 17. Februar 1992 auf diese Diskrepanz hingewiesen hat, hat die belangte Behörde eine Aufklärung verabsäumt. Für den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht nachvollziehbar, wie die Lungenfunktionsprüfung vom 8. September 1989 einerseits kein verwertbares Ergebnis haben, andererseits (mit im Befund vom 11. September 1989 nicht aufscheinenden Werten) für das Gutachten vom 11. Dezember 1991 doch verwertbar sein konnte. Auch auf mögliche Auswirkungen der im Befund der tschechischen Heilanstalt aufgezählten, bei den Untersuchungen des Beschwerdeführers festgestellten Erscheinungen auf eine Beatmung von Alkomaten wurde im Gutachten nicht vollständig eingegangen.
Durch die (unkritische) Übernahme dieses Gutachtens wurden somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der Beschwerdeführer hat an Schriftsatzaufwand weniger, zuzüglich der (nicht gesondert zuzusprechenden) Umsatzsteuer mehr als den höchstzulässigen Pauschbetrag verzeichnet; es gebührt ihm daher Aufwandersatz in der verordneten Höhe (vgl. auch Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 687).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020210.X00Im RIS seit
11.11.1992