TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/11 92/02/0137

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.1992
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §46;
StVO 1960 §4 Abs2;
VStG §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des E in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 30. Jänner 1992, Zl. VI/2-1179-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Strafausspruches einschließlich der Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Bescherde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.440,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden ursächlich Beteiligter unterlassen, sofort die nächste Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- (48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1.) Der Unfall ereignete sich am 19. Juli 1990. Die erste Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG erfolgte durch Abfertigung der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 2. Oktober 1990 (zugestellt am 8. Oktober 1990). Das Verwaltungsstrafverfahren war daher am 1. Jänner 1991 bereits anhängig. Daraus ergibt sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, daß zur Entscheidung über seine Berufung gegen das Straferkenntnis der Erstbehörde vom 14. März 1991 die belangte Behörde und nicht der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland zuständig war (Art. IX Abs. 2 der Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1988 sowie Art. II Abs. 2 der Novelle zum VStG, BGBl. Nr. 358/1990 - vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0078).

2.) Der Beschwerdeführer verantwortet sich damit, daß er nach dem Unfall (welcher sich um 15.30 Uhr ereignet hat) unverzüglich die Rettung verständigen ließ. Nachdem der schwerverletzte Unfallsgegner vom Unfallsort abtransportiert worden war, habe der Beschwerdeführer versucht, den nächstgelegenen Gendarmerieposten in Kittsee zu verständigen. Der Gendarmerieposten sei jedoch nicht besetzt gewesen. Daraufhin habe er versucht, einen im Außendienst befindlichen Gendarmeriebeamten anzutreffen. Nachdem auch das mißlungen war, habe er Angehörige des Unfallsopfers verständigt und sodann um

19.15 Uhr an dem inzwischen wieder besetzten Gendarmerieposten Kittsee Meldung erstattet.

Die belangte Behörde geht von der Strafbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 2 StVO 1960 aus, weil bei dem von 12.00 bis 19.00 Uhr unbesetzten Gendarmerieposten Kittsee das Telefon zu einem anderen Gendarmerieposten umgeschaltet war und an den Eingängen zum Gendarmerieposten Vermerke hinsichtlich des nächsten erreichbaren Gendarmeriepostens sowie hinsichtlich des Notrufes angebracht gewesen seien. In Beachtung dieser Vermerke wäre dem Beschwerdeführer eine wesentlich frühere Verständigung eines Gendarmeriepostens möglich gewesen.

Es entspricht zunächst der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß dann, wenn die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle im Sinne des § 4 Abs. 2 StVO 1960 vorübergehend unbesetzt ist, die Meldepflicht hinsichtlich der dort angegebenen diensthabenden Dienststelle aufrecht bleibt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1988, Zl. 87/03/0130, als Rechtssatz abgedruckt in Slg. Nr. 12.717/A, zum gleichlautenden § 4 Abs. 5 StVO 1960).

Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang, daß keine Feststellungen über die Art und Weise, insbesondere über die Erkennbarkeit dieser Vermerke getroffen worden seien. Diese Behauptung ist insofern aktenwidrig, als in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich davon die Rede ist, daß sich die entsprechenden Vermerke an den beiden Außentüren des Gendarmeriepostens befunden hätten. Diese Feststellung des angefochtenen Bescheides ist zwar ihrerseits insofern aktenwidrig, als der betreffende Gendarmeriebeamte als Zeuge ausgesagt hat, die Vermerke seien an der Außentüre und zusätzlich innerhalb des Gebäudes an einer weiteren Türe angebracht gewesen. Die belangte Behörde konnte aber jedenfalls davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer bei Aufwendung der nach Feststellung, daß der Gendarmerieposten unbesetzt war, nötigen Aufmerksamkeit hätte zur Kenntnis gelangen müssen, wo er die gebotene Meldung zu erstatten gehabt hätte.

Ähnliches gilt für den vom Beschwerdeführer gerügten Umstand, daß keine Feststellungen darüber getroffen worden seien, ob der in den Vermerken angegebene Gendarmerieposten tatsächlich besetzt gewesen ist.

3.) Die Behauptung, die tatsächlich erfolgte Verständigung des Gendarmeriepostens Neusiedl am See durch das Krankenhaus sei auf die Veranlassung des Beschwerdeführers zurückzuführen, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar, sodaß darauf nicht weiter einzugehen war.

4.) Hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensverstöße - Nichtbeischaffung eines gerichtlichen Strafaktes und Unterlassung der Einvernahme eines bestimmten Zeugen - unterläßt es der Beschwerdeführer, in der Beschwerde konkret darzutun, welche Ergebnisse diese Ermittlungen erbracht hätten und wieso die belangte Behörde deswegen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Daß "zu erwarten ist, daß bei Einvernahme dieser Zeugen ein anderer Sachverhalt festgestellt worden wäre und somit ein anderes Verfahrensergebnis erzielt worden wäre", stellt kein derart konkretes Vorbringen dar.

Die Beschwerde war aus den genannten Gründen in Ansehung des Schuldspruches gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Das Verschulden des - bislang unbescholtenen - Beschwerdeführers ist als derart gering anzusehen, daß die belangte Behörde nicht bloß die verhängte Strafe gegenüber dem Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hätte herabsetzen müssen, sondern daß sie in Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG eine Ermahnung hätte aussprechen müssen. Auf die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0033).

Der Beschwerdeführer hat, nachdem er seiner primären Pflicht zur Hilfeleistung gegenüber dem Unfallsopfer nachgekommen war, versucht, die nächstgelegene Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Er hat - nach seinen durch keinerlei Beweisergebnisse widerlegten Behauptungen - nach dem Scheitern dieses Versuches andere Aktivitäten zur Verständigung der Gendarmerie entfaltet, wenn auch nicht die rechtlich gebotenen. Er hat Angehörige des Unfallsopfers informiert und sodann verspätet eine Meldung beim nächsten Gendarmerieposten erstattet. Die Folgen der Unterlassung der gebotenen sofortigen Verständigung der nächsten Gendarmeriedienststelle sind auch unbedeutend, weil nach der Aktenlage eine solche Verständigung von Seiten des Krankenhauses, in das das Unfallsopfer eingelifert worden war, erfolgt ist. Es kann keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer durch seine Vorgangsweise ungeachtet ihrer Tatbestandsmäßigkeit nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 die nach dem Unfall nötigen behördlichen Schritte vereitelt oder auch nur verzögert hätte.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Strafausspruches und der damit verbundenen Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, im Rahmen des gestellten Begehrens. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur in der Höhe von S 330,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen und S 90,-- für die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnte.

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020137.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten