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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. April 1992, Zl. VII/2a-V-1279/14/16-92, betreffend Einstellung von Strafverfahren wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: G in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit zwei Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft vom 20. März 1991 wurde der Mitbeteiligte als zur Vertretung nach außen Berufener der X-AG für schuldig befunden, Übertretungen nach § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Arbeitszeitgesetz begangen zu haben, weil namentlich genannte Filialleiter dieser Gesellschaft zu im einzelnen bezeichneten Zeiten die zulässige Tagesarbeitszeit bzw. die zulässige Wochenarbeitszeit überschritten hätten. In der Begründung beider Straferkenntnisse führte die erstinstanzliche Behörde aus, es sei aktenkundig, daß die genannten Filialleiter zu verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG bestellt worden seien, wobei ihr Verantwortungsbereich auch die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes umfaßt habe. Der Filialleiter könne jedoch nur für die von seinen untergebenen Mitarbeitern geleisteten ungesetzlichen Arbeitszeiten verantwortlich gemacht werden, nicht jedoch für die von ihm selbst geleisteten, weshalb von der Verantwortlichkeit des Mitbeteiligten in den vorliegenden Angelegenheiten ausgegangen werden müsse.
2. Die vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Berufungen stützten sich auf die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten sowie deren Eigenschaft als leitende Angestellte im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz. Ferner wurde geltend gemacht, daß den Mitbeteiligten kein Verschulden treffe, weil er alle ihm zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung solcher Übertretungen gesetzt habe.
3. Mit Bescheid vom 9. April 1992 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) den Berufungen des Mitbeteiligten Folge, behob die erstinstanzlichen Straferkenntnisse und stellte die Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes aus, § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz nehme leitende Angestellte vom Geltungsbereich dieses Gesetzes aus. Im vorliegenden Falle handle es sich zweifelsfrei um Arbeitszeiten, die im Rahmen des selbstverantwortlichen Bereiches der betreffenden Filialleiter entstanden seien. Lediglich wenn eine generelle Weisung des Arbeitgebers bzw. des Vertretungsorganes erfolgt wäre, die die Filialleiter in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt hätte, wären die in Rede stehenden Arbeitszeiten verwaltungsstrafrechtlich anders zu beurteilen gewesen. Der Beschwerdeführer habe somit die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 9 Abs. 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1974 erhobene Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
II.
1. Der Beschwerde liegt die in den erstinstanzlichen Straferkenntnissen vertretene Rechtsansicht zugrunde, daß die in unbedenklicher Weise und im Einklang mit dem Akteninhalt festgestellte Bestellung der beiden Filialleiter zu verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften insoweit nicht beseitige, als sich diese Übertretungen auf die Beschäftigung der verantwortlichen Beauftragten selbst beziehe.
2. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0210, der vom beschwerdeführenden Bundesminister für Arbeit und Soziales vertretenen Auffassung, daß ein Arbeitnehmer nicht zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften hinsichtlich der "eigenen" Person bestellt werden könne, nicht gefolgt, weil im Gesetz eine derartige Einschränkung nicht vorgesehen sei. Hinsichtlich der näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das zitierte Erkenntnis verwiesen.
3. Ausgehend von dieser in dem zitierten Erkenntnis dargelegten Rechtsansicht, von der abzugehen sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt sieht, erfolgte die Aufhebung der erstinstanzlichen Straferkenntnisse und die Einstellung der Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten zu Recht, weil der Mitbeteiligte für die in den betreffenden Filialen, für die verantwortliche Beauftragte bestellt worden waren, begangenen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes verwaltungsstrafrechtlich nicht verantwortlich ist.
Aus diesem Grund war es entbehrlich, auf die im angefochtenen Bescheid und in der vorliegenden Beschwerde enthaltenen Ausführungen darüber, ob es sich bei den Filialleitern um leitende Angestellte im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz handelt oder nicht, näher einzugehen.
4. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den an den Mitbeteiligten zu leistenden Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz ist gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht berechtigt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180239.X00Im RIS seit
12.11.1992Zuletzt aktualisiert am
10.08.2009