Index
L65000 Jagd Wild;Norm
AVG §52 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. April 1991, Zl. 8-42 Ka 6/19-91, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I
1. Mit dem - in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid vom 8. Juni 1989 hatte die Bezirkshauptmannschaft Y (BH) gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Jagdpächter gemäß § 61 des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1986, LGBl. Nr. 23 (in der Folge: JG), im Eigenjagdrevier der Agrargemeinschaft K für das Jagdjahr 1989/90 zusätzlich zum bereits bewilligten Abschuß für das laufende Jagdjahr von Amts wegen einen "Reduktionsabschuß" von Rotwild: ein Stück männlich, drei Stück weiblich, angeordnet.
2. Nachdem eine diesbezügliche Strafverfügung derselben Behörde vom 8. Mai 1990 infolge Einspruches des Beschwerdeführers außer Kraft getreten war, erließ die BH unter dem Datum 29. Juni 1990 dem Beschwerdeführer gegenüber ein Straferkenntnis, mit dem ihm spruchmäßig zur Last gelegt wurde, "es bis zum 1.4.1990 als Jagdberechtigter des Eigenjagdreviers
X der Agrargemeinschaft K unterlassen (zu haben), ein Stück Rotwild männlich zusätzlich zu den im Abschußplan freigegebenen Stücken zu erlegen, obwohl Ihnen dies mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 8.6.1989, GZ. 8 K 34/1989, vorgeschrieben worden ist". Über den Beschwerdeführer wurde deshalb wegen Verstoßes gegen § 61 JG gemäß § 77 leg. cit. iVm dem vorzitierten Bescheid eine Geldstrafe in der Höhe von
S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von drei Tagen) verhängt.
3. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 16. April 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG als unbegründet ab; dies mit der Maßgabe, daß die "übertretene Rechtsvorschrift" zu lauten habe:
"§ 77 iVm § 61 Abs. 1 des Stmk. Jagdgesetzes 1986, LGBl. Nr. 23, im Zusammenhalt mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 8.6.1989, GZ. 8 K 34/1989".
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Der Beschwerdeführer hat hiezu in der Folge eine Gegenäußerung und eine weitere Äußerung erstattet.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebende Verwaltungsvorschrift des § 61 Abs. 1 JG lautet:
"Wenn sich in einem Jagdgebiet die Verminderung einer Wildgattung zur Vermeidung von Schäden in land- und forstwirtschaftlichen Kulturen als notwendig erweist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde über Antrag der Gemeinde, der Eingeforsteten, des Jagdberechtigten oder des Geschädigten, im Falle von Meldungen über Waldverwüstungen gemäß § 16 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, auch amtswegig, nach Anhören der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft die erforderliche geschlechts- und zahlenmäßige festzusetzende Verminderung anzuordnen, welche vom Jagdberechtigten auch während der Schonzeit durchzuführen ist. Über derartige Anträge ist innerhalb von 14 Tagen zu entscheiden."
2. Gemäß § 77 erster Satz JG werden Übertretungen dieses Gesetzes und der auf Grund desselben erlassenen Vorschriften oder besonderen Anordnungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis 30.000 S bestraft.
2.1. Die von der belangten Behörde im Instanzenzug angenommene Verwirklichung der objektiven Tatseite wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
Hinsichtlich der subjektiven Tatseite hält die Beschwerde den bekämpften Bescheid deshalb für inhaltlich rechtswidrig, weil ihrer Meinung nach der dem Beschwerdeführer angelastete Verstoß gegen § 61 Abs. 1 JG kein Ungehorsamsdelikt, sondern ein Erfolgsdelikt darstellt, mit der Rechtsfolge, daß die Behörde das Verschulden des Beschwerdeführers hätte "näher begründen müssen".
2.2. Dieser Ansicht vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Wesentlich für die rechtliche Qualifizierung eines Deliktes als Erfolgsdelikt ist, daß der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung gehört (s. § 5 Abs. 1 VStG). Der Umstand, daß ein Gebot oder Verbot einen bestimmten Zweck verfolgt, macht diesen nicht zum Tatbestandsmerkmal.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer spruchmäßig einen Verstoß gegen den auf der Grundlage der Anordnungs-Ermächtigung des § 61 Abs. 1 JG erlassenen Bescheid der BH vom 8. Juni 1989 (vgl. oben I 1.) angelastet.
Weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr ist Tatbestandsmerkmal des gesetzlich grundgelegten und dem Beschwerdeführer gegenüber in Form des genannten Bescheides konkretisierten Gebotes, eine Verminderung des Wildstandes (in bestimmtem Umfang) durchzuführen. Die Tatsache, daß dieses Gebot der Vermeidung von Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Kulturen dient, und die Mißachtung desselben zu solchen Schäden führen könnte, bedeutet nicht, daß deren Eintritt Tatbestandselement ist. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist demnach mit der belangten Behörde vom Vorliegen eines Ungehorsamsdeliktes auszugehen. Dies hatte im Grunde des § 5 Abs. 1 VStG zur Folge, daß das Verschulden des Beschwerdeführers in Form der Fahrlässigkeit präsumiert wird und es an ihm gelegen war, das Fehlen eines Verschuldens glaubhaft zu machen.
3.1. In dem zuletzt genannten Sinn hat der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens - zusammengefaßt - vorgebracht, es sei ihm die Einhaltung des bescheidmäßigen Auftrages der BH vom 8. Juni 1989 (aus im einzelnen angeführten Gründen) objektiv nicht möglich gewesen. Träfe dieses Vorbringen zu, so wäre dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens gelungen. Denn ein Verschulden an der Nichterfüllung des vorgeschriebenen "Reduktionsabschusses" ist dann nicht gegeben, wenn seine Erfüllung objektiv unmöglich war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1986, Zlen. 84/03/0317, 0318, 0319, das insoweit auch im vorliegenden Fall zum Tragen kommt).
3.2. Die belangte Behörde hat zu dieser Verantwortung des Beschwerdeführers das Gutachten eines Amtssachverständigen für das Jagdwesen (vom 14. Dezember 1990) eingeholt. In diesem wurde im wesentlichen ausgeführt, daß im Jagdrevier in der zweiten Hälfte des Jahres 1989 viele und starke Verbiß- und Schälschäden hätten festgestellt werden können, was den Schluß zulasse, daß Rotwild in größerer Zahl vorhanden gewesen sei und hätte erlegt werden können. Durch den schon sehr früh ergangenen Reduktionsauftrag der BH habe der Beschwerdeführer ausreichend die Möglichkeit gehabt, den vorgeschriebenen Abschuß (zur Gänze) zu tätigen und seine jagdliche Planung danach einzurichten. Schließlich sei zu beachten, daß zur Erfüllung des Auftrages nicht nur ein Hirsch der Klasse 2, sondern irgendein Stück männliches Rotwild als Reduktionsabschuß habe erlegt werden können, ein Umstand, der die Abschußmöglichkeit wesentlich erhöht habe.
3.3. Dem hat der Beschwerdeführer in seiner dazu abgegebenen Stellungnahme vom 10. Jänner 1991 im wesentlichen folgendes entgegengehalten: Das Jagdrevier der Agrargemeinschaft K habe eine Größe von nur 226 ha und dies in Form eines langen schmalen Berghanges mit einer mittleren Breite von 500 m. Die angrenzenden Reviere seien wesentlich größer und wiesen jeweils auch eine Rotwildfütterung auf. Durch das ohnehin schmale Revier führten zwei Wanderwege; weiters erfolge im Revier eine Almbewirtschaftung mit ca. 100 bis 150 Stück Weidevieh. Schon allein aus dieser Situation ergebe sich, daß im Revier "X" Rotwild als Standwild nicht vorhanden sei, sondern nur fallweise als Wechselwild. Die festgestellten Verbißschäden seien hauptsächlich in einer Entfernung von 0 bis 200 m von den Nachbarrevieren aufgetreten, was ebenfalls auf durchwechselndes Wild hinweise, das sich nur ein bis zwei Tage im dichten Bestand aufhalte, wo es nicht bejagt werden könne. Da die Bewirtschaftung durch Weidevieh bis Ende September anhalte, befinde sich zu dieser Zeit im Revier überhaupt kein Rotwild. Zur Jagdausübung verblieben nur rund 90 Tage; dieser Zeitraum reduziere sich auf ca. 70 Tage, da auf Grund der an den Wochenenden starken Benützung der Wanderwege eine Jagdausübung nicht möglich sei. Für die Erlegung der drei Stück Rotwild weiblich seien 90() Begehungen notwendig gewesen. Es sei daher völlig unrichtig, wenn die "Fachabteilung für das Forstwesen" ausführe, der Beschwerdeführer habe seine jagdliche Planung und die Jagdausübung auf den erforderlichen Abschuß einstellen können. Vielmehr sei zusammenfassend festzuhalten, daß im Revier "X" hinsichtlich des Rotwildes, da kein Standwild vorhanden sei, nur noch ein Schießen "auf Begegnung" möglich sei; ein Abschuß sei nur vom Zufall und nicht von einer jagdlichen Planung abhängig. Die Nichterfüllung behördlicher Aufträge, deren Erfüllung vom Zufall, nicht aber vom Verhalten des Jagdberechtigten abhänge, könne aber keine verwaltungsstrafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen.
3.4. Das Gutachten des Amtssachverständigen für das Jagdwesen - um ein solches handelt es sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ungeachtet dessen, daß der betreffende Sachverständige in der "Fachabteilung für das Forstwesen" tätig ist, da dieser Umstand weder zum Wegfall der jagdlichen Sachkunde führt noch bewirkt, daß es zu einem forstfachlichem Gutachten wird - läßt für die Nachvollziehbarkeit der fachlichen Schlußfolgerungen (Gutachten im engeren Sinn) wesentliche Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht (Befund) vermissen. Da der in Rede stehenden fachlichen Stellungnahme nicht entnommen werden kann, von welchen Sachverhaltsfeststellungen der Amtssachverständige ausgegangen ist, insbesondere nicht erkennbar ist, ob er bedeutsame, in der Stellungnahme des Beschwerdeführers hervorgehobene Gesichtspunkte, wie die Lage des Reviers "X" zwischen zwei erheblich größeren Jagdrevieren, dessen flächenmäßige Ausgestaltung (eine mittlere Breite von lediglich 500 m), dessen Bewirtschaftung als Alm mit Weidevieh, dessen Querung durch zwei, jeweils stark frequentierte Wanderwege, der (infolge dieser Gegebenheiten) tatsächlich verbleibende Zeitraum für die Jagdausübung, das Nichtvorhandensein von Standwild in den Befund einbezogen hat, ist das sachverständige Urteil, es sei dem Beschwerdeführer die gänzliche Erfüllung des aufgetragenen Reduktionsabschusses möglich gewesen, auf seine Schlüssigkeit hin nicht überprüfbar und insoweit unzureichend.
Der Beschwerdeführer hat auf diesen Mangel hingewiesen und vorgebracht, daß man bei Bedachtnahme auf die eben angeführten Tatsachen zu dem Ergebnis gelangen müsse, daß ihm die (gänzliche) Erfüllung des behördlichen Auftrages vom 8. Juni 1989 unmöglich gewesen sei.
Der belangten Behörde wäre es angesichts dieses seiner Entlastung dienenden und hiefür keineswegs als ungeeignet zu erkennenden Vorbringens des Beschwerdeführers oblegen, eine Ergänzung des besagten Amtssachverständigen-Gutachtens zu veranlassen. Ohne Einholung einer ergänzenden, auf das detaillierte Vorbringen des Beschwerdeführers konkret eingehenden Äußerung des Amtssachverständigen war es der belangten Behörde verwehrt, ein Verschulden des Beschwerdeführers an der nicht vollständigen Erfüllung des angeordneten Reduktionsabschusses als gegeben anzunehmen bzw. davon auszugehen, daß die Glaubhaftmachung des Gegenteils durch den Beschwerdeführer nicht erbracht worden sei.
In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß es für die Frage der Glaubhaftmachung i.S. § 5 Abs. 1 VStG rechtlich unerheblich ist, daß der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der BH vom 8. Juni 1989 kein Rechtsmittel ergriffen hat.
4. Da nach dem Gesagten der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß im Gesetz eine gesonderte Zuerkennung von Aufwandersatz für die Erstattung von Schriftsätzen neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz nicht vorgesehen ist.
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Gutachten rechtliche Beurteilung Jagdschaden Wildschaden Schadensverhütung Übertretungen und Strafen Strafnormen Übertretungen und Strafen VerfahrensrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991190160.X00Im RIS seit
11.07.2001