TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/12 92/18/0302

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Veröffentlicht am 12.11.1992
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Index

L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ABGB §1096;
ASchG 1972 §3 Abs2;
BauRallg;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der X-Gen.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 4. Dezember 1991, Zl. 61.026/54-3/91, betreffend Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. März 1991 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 8 Abs. 3 AAV in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz für nicht natürlich belichtete Arbeitsräume (Geschäftsraum Nr. 4) in einem näher bezeichneten Großmarkt abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß für den in einem von der Beschwerdeführerin gemieteten Objekt gelegenen Raum gemäß dem Baubewilligungsbescheid vom 3. August 1988 die Belichtung durch Lichtkuppeln vorgesehen gewesen sei; bei der Bauverhandlung am 29. Jänner 1991 sei jedoch festgestellt worden, daß der Geschäftsraum bereits fertig gestellt worden wäre, ohne daß Lichtkuppelöffnungen in der Dachfläche vorhanden seien. Daß das Bauvorhaben in einer der Baubewilligung widersprechenden Weise ausgeführt worden sei, stelle keinen wichtigen Grund im Sinne des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz dar. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, daß sie als Mieterin keinen Einfluß auf die Einhaltung der baurechtlichen Verpflichtungen nehmen könne, erkannte die belangte Behörde keine Berechtigung zu.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 15. Juni 1992, B 103/92, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes müssen Arbeitsräume, soweit es die Art der Arbeitsvorgänge zuläßt oder nach der Zweckbestimmung der Räume möglich ist, natürlich belichtet sein. Diese Belichtung muß nach Maßgabe der in den Arbeitsräumen ausgeführten Tätigkeiten ausreichend und möglichst gleichmäßig sein; kann dies aus zwingenden, vor allem in den örtlichen Verhältnissen gelegenen Gründen, wie infolge der Anordnung der Arbeitsräume, nicht erreicht werden, müssen diese Räume zusätzlich künstlich beleuchtet werden. Das Arbeitsinspektorat kann bei Vorliegen sonstiger wichtiger Gründe Ausnahmen von den Bestimmungen des ersten Satzes zulassen. Wichtige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn dringend benötigte zusätzliche Arbeitsräume nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden können.

§ 8 AAV lautet:

"(1) Arbeitsräume müssen, soweit die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung des Raumes dem nicht entgegenstehen, ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betragen muß; mindestens eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes muß vorhanden sein. Arbeitsräume müssen möglichst gleichmäßig natürlich belichtet sein. Lichteintrittsflächen müssen so beschaffen oder mit Einrichtungen ausgestattet sein, daß nachteilige Einwirkungen durch direktes Sonnenlicht auf die Arbeitnehmer vermieden sind.

(2) Wenn aus zwingenden, vor allem in den örtlichen Verhältnissen gelegenen Gründen, wie bei Gebäuden in dicht verbauten Ortskernen, eine ausreichende und möglichst gleichmäßige natürliche Belichtung der Arbeitsräume nicht ereicht werden kann, müssen die Arbeitsräume zusätzlich durch eine künstliche Beleuchtung erhellt sein, die den Erfordernissen des § 9 entsprechen muß.

(3) Das Arbeitsinspektorat kann bei Vorliegen wichtiger Gründe, wie bei dringend benötigten zusätzlichen Arbeitsräumen, über Antrag zulassen, daß Räume als Arbeitsräume verwendet werden, die nicht natürlich belichtet sind. In diesen Fällen müssen die Arbeitsräume durch eine künstliche Beleuchtung erhellt sein, die den Erfordernissen des § 9 entsprechen muß; sofern dies technisch durchführbar ist, muß auch eine Sichtverbindung mit dem Freien vorhanden sein."

Vom Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht gesprochen werden, wenn der Eintritt der in dieser Bestimmung normierten Tatbestandsvoraussetzung, daß die dringend benötigten zusätzlichen Arbeitsräume nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden können, vom Arbeitgeber insofern selbst verschuldet worden ist, als er es unterlassen hat, rechtzeitig alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um den Bedarf auf andere Art als im Wege einer Ausnahmeregelung zu decken.

Wenn die belangte Behörde ein derartiges, der Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung entgegenstehendes Selbstverschulden der Beschwerdeführerin angenommen hat, so vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten. Nach eigenem Vorbringen hat die Beschwerdeführerin die Räumlichkeiten vor Baubeginn im Oktober 1988 angemietet. Der Mietvertrag konnte sich daher nur auf das - den Arbeitnehmerschutzbestimmungen entsprechende - Vertragsobjekt beziehen, wie es der Baubewilligung vom 3. August 1988 zugrunde gelegen ist. Da die Beschwerdeführerin nicht dargetan hat, was sie veranlaßte, beim Vermieter nicht auf die vertragsgemäße Ausführung des Baues zu dringen, und warum ein derartiges Begehren, notfalls unter Anrufung der Gerichte, erfolglos geblieben wäre, durfte die belangte Behörde mit Recht annehmen, daß die Beschwerdeführerin nicht alle ihr zu Gebote stehenden zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um den dringenden Bedarf nach zusätzlichen Arbeitsräumen auf andere Art als im Wege einer Ausnahmebewilligung nach § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz befriedigen zu können.

Wenn in der Beschwerde nunmehr ins Treffen geführt wird, daß die Nichtdurchführbarkeit des Einbaues von Lichtkuppeln aus brandschutzrechtlichen Überlegungen gegeben gewesen sei, so handelt es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung. Dies gilt auch für den Hinweis auf den baubehördlichen Bescheid vom 4. Februar 1992 und das an die in diesem Bescheid erfolgte Streichung der den Einbau von Lichtkuppeln regelnden Auflage geknüpfte Beschwerdevorbringen. Im übrigen geht aus der Verhandlungsschrift vom 29. Jänner 1991 bloß hervor, daß die technisch einwandfreie Erfüllung dieser Auflage IM DERZEITIGEN BAUZUSTAND nicht mehr sinnvoll lösbar sei, keineswegs aber, daß - wie die Beschwerdeführerin zu meinen scheint - dem Einbau von Lichtkuppeln von vornherein brandschutzrechtliche Gründe entgegengestanden wären.

Aus diesen Erwägungen ist die Verneinung des Vorliegens wichtiger Gründe im Sinne des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz (§ 8 Abs. 3 AAV) durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig anzusehen. Die Beschwerde erweist sich somit, ohne daß auf das weitere Vorbringen eingegangen werden muß, als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der von Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180302.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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