TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/13 91/17/0047

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Veröffentlicht am 13.11.1992
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;
22/02 Zivilprozessordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §9;
BAO §11;
BAO §198;
BAO §20;
BAO §207 Abs1;
BAO §224 Abs1;
BAO §238 Abs1;
BAO §238 Abs2;
BAO §248;
BAO §7 Abs1;
BAO §7;
BAO §80 Abs1 impl;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1 impl;
BAO §9 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
LAO Wr 1962 §146;
LAO Wr 1962 §154 Abs1;
LAO Wr 1962 §171;
LAO Wr 1962 §18;
LAO Wr 1962 §184 Abs1;
LAO Wr 1962 §184 Abs2;
LAO Wr 1962 §193;
LAO Wr 1962 §5 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
VereinsG 1951 §12 Abs1;
VereinsG 1951 §4 Abs2 lith;
VereinsG 1951 §4;
ZPO §292 Abs2;
ZPO §292;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 23. Jänner 1991, Zl. MDR - V 17/90, betreffend Haftung für Getränkesteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die im Jahre 1984 fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, im übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, vom 6. September 1990, Zl. T 28/90, wurde der Beschwerdeführer "auf Grund der §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung" als Obmann des Vereines "XY" (im folgenden: Verein) für die in der Zeit von April 1984 bis Jänner 1986 entstandene Getränkesteuerschuld im Betrag von insgesamt S 50.891,76 einschließlich Nebenansprüchen haftbar gemacht und zur Zahlung herangezogen.

In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer im Vereinsregister bis 14. Feber 1986 als verantwortlicher Obmann des Vereines eingetragen und daher verantwortlicher Vertreter gewesen sei. Als Vertreter des genannten Vereines habe er es unterlassen, für die Entrichtung der Getränkesteuer zu sorgen. Die Festsetzung der Abgabe sei mit Bemessungsbescheid vom 9. November 1987, Zl. MA 4/7 - V 37/87, erfolgt. Die gesetzliche Voraussetzung für die Haft- und Zahlpflicht des Beschwerdeführers sei gegeben, weil der Rückstand beim Primärschuldner uneinbringlich gewesen sei. Seine Haftung umfasse auch Steuerzeiträume, die vor seiner Bestellung zum Obmann gelegen seien, und habe erst mit der Bestellung des neuen Obmannes am 15. Feber 1986 geendet.

Die Postsendung, die diesen Bescheid enthielt, wurde der Post zur Durchführung einer gewöhnlichen Zustellung (Formular 4 der Zustellformularverordnung 1982) an der Adresse des Beschwerdeführers (W, S-Gasse) übergeben. Auf dem Rückschein (RSb) wurde nach erfolglosem Zustellversuch am 10. September 1990 vermerkt, daß die Sendung beim Postamt 1126 Wien hinterlegt werde, und der Beginn der Abholfrist mit 11. September 1990 angegeben. Der Rückschein trägt allerdings den Poststempel des Postamtes 1120 Wien (als Zustellpostamt) mit Datum "10.9.90, 18". Auf dem im Verwaltungsakt erliegenden (leeren) Briefumschlag findet sich weiters auf der Vorderseite der Stempelvermerk "Nicht behoben" mit Datum "31.9.1990" und auf der Rückseite ein unleserlicher Handvermerk ("... 1126, 10.9.90 ...") sowie folgende drei Poststempel: "1120 Wien, 10.9.90, 8", "1126 Wien, 11.9.90, 10", und "1126 Wien, 3.10.90, 17".

Am 24. Oktober 1990 machte der Beschwerdeführer vor dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, folgende Angaben: Er habe am Freitag, dem 19. Oktober 1990, einen Rückstandsausweis der Magistratsabteilung 6 - Rechenamt, Stadtkasse für den 4. und 10. Bezirk, zur Zahlung einer Getränkesteuer in der Höhe von S 51.091,76 erhalten. Über fernmündliche Rückfrage bei der Magistratsabteilung 4/7 am 23. Oktober 1990, wofür er diese Summe zu zahlen hätte, sei ihm mitgeteilt worden, daß der genannte Betrag aus einem rechtskräftigen Haftungsbescheid resultiere, der am 10. September 1990 beim Postamt hinterlegt, ab 11. September 1990 zur Abholung bereitgehalten und von ihm angeblich nicht behoben worden sei. Er sei am 13. September 1990 beim Postamt W, S-Gasse, gewesen, habe aber mangels Lagerung des Schriftstückes ein solches nicht in Empfang nehmen können. Cirka eine Woche später sei er nochmals zum selben Postamt gegangen und es sei auch dieses Mal keine Postsendung für ihn lagernd gewesen. Zum Beweis für sein Vorbringen legte der Beschwerdeführer die postamtliche Verständigung über die Hinterlegung des Schriftstückes mit dem Vermerk des Postamtes 1126 Wien "Brief nicht lagernd", datiert mit "13.9.90, 10", vor. Die anläßlich der Vorsprache des Beschwerdeführers aufgenommene Niederschrift vom 24. Oktober 1990 enthält am Schluß noch folgenden Satz:

"HA. WURDE HERRN T DER HAFTUNGSBESCHEID VOM 6. SEPTEMBER 1990, MA 4/7 - T 28/90 INKL. ZAHLSCHEIN ÜBERGEBEN."

Am 12. November 1990 erhob der Beschwerdeführer gegen den genannten Haftungsbescheid Berufung und führte dabei im wesentlichen aus, daß er nur im Jahre 1985 Obmann des Vereines gewesen sei. Die Eintragung im Vereinsregister sei nicht ordnungsgemäß, weil schon im Dezember 1985 ein neuer Obmann gewählt worden sei. Es interessiere ihn weiters, wie die Abgabenbehörde auf die angeforderte Summe gekommen sei, da er während seiner Amtszeit nie eine Kontrolle gehabt hätte. Die Getränke (Bier und Limonade) seien nicht teurer verkauft worden, weshalb es auch keinen Gewinn gegeben habe. Der Verein habe auch Schwierigkeiten gehabt, Miete, Strom etc. zu bezahlen. Im Vereinsregister stehe nicht nur sein Name alleine, sondern es habe sich um eine Gruppe von Personen gehandelt, sodaß nicht er allein zur Haftung herangezogen werden könne.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung unter Zitierung der §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO als unbegründet ab. Zu den im § 54 Abs. 1 leg. cit. genannten Personen gehörten auch die gemäß den Statuten zur Vertretung des Vereines nach außen berufenen Personen nach § 4 Abs. 2 lit. h Vereinsgesetz 1951. Daß die Abgabenforderung in der Höhe von S 50.891,76 bestehe, ergebe sich aufgrund der Aktenlage. Der rechtskräftige Bemessungsbescheid vom 9. November 1987, Zl. MA 4/7 - V 37/87, sei dem Beschwerdeführer als Beilage zum Haftungsbescheid ausgefolgt worden. Die Berufungsausführungen seien nicht geeignet, die Schätzung dem Grunde und der Höhe nach in Zweifel zu ziehen. Die behauptete Obmannwahl im Dezember 1985 sei als beweislose Behauptung anzusehen, weil die Funktionäre des Vereines im Jahre 1986 keine Veranlassung gehabt hätten, der Vereinsbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) eine unrichtige Meldung zu erstatten. Nach § 5 lit. f der Vereinsstatuten obliege dem Präsidenten die Vertretung des Vereines nach außen und somit gehöre der Beschwerdeführer zu dem in § 54 Abs. 1 WAO angeführten Personenkreis. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Mißachtung des § 7 Abs. 1 Getränkesteuergesetz für Wien 1971, wonach der Steuerpflichtige bis zum 10. Tag eines jeden Monats die Steuer für die im Vormonat abgegebenen Getränke zu entrichten habe. Der Vereinsobmann müsse sich bei Übernahme seiner Funktion darüber unterrichten, ob und in welchem Ausmaß der von ihm vertretene Verein bisher seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Den erforderlichen Nachweis, daß ihm die Erfüllung der abgabenbehördlichen Pflichten für den Verein unmöglich gewesen sei, habe der Beschwerdeführer nicht erbracht, "zumal der Verein aufgrund der entgeltlichen Abgabe von Getränken über Mittel verfügen mußte". Weiters stehe fest, daß die Unterlassung der fristgerechten Entrichtung der Steuerbeträge ursächlich für deren nunmehrige Uneinbringlichkeit sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende "wegen Verletzung der gesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein mängelfreies Verfahren" erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Kann eine Sendung an der Abgabenstelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger (oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3) regelmäßig an der Abgabenstelle aufhält, so ist nach § 17 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, das Schriftstück im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen. Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen. Nach § 17 Abs. 3 leg. cit. ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabenstelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabenstelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Ein von einem Postbediensteten ordnungsgemäß ausgestellter Rückschein über die Zustellung eines Poststückes durch Hinterlegung macht als öffentliche Urkunde Beweis über die Rechtswirksamkeit der Zustellung. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen (vgl. § 292 Abs. 2 ZPO) oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (vgl. hiezu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1988, Zl. 87/10/0077, und vom 13. März 1991, Zl. 87/13/0196).

Der Beschwerdeführer machte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 24. Oktober 1990 der Sache nach Zustellmängel geltend. Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens wurde der Ort der Hinterlegung des Haftungsbescheides vom 6. September 1990 mit "Postamt W, S-Gasse" angegeben (siehe den RSb-Rückschein sowie die postamtliche Verständigung über die Hinterlegung der Sendung). Obwohl der im Akt erliegende Briefumschlag der Postsendung unter anderem den Poststempel "1126 Wien, 11.9.90, 10", enthielt, konnte der Beschwerdeführer weder am 13. September 1990 (vgl. den Vermerk des Postamtes 1126 Wien vom 13. September 1990: "Brief nicht lagernd") noch seinen eigenen Angaben zufolge ca. eine Woche später den Haftungsbescheid beim genannten Postamt abholen.

Auch wenn man auf Grund des erwähnten Poststempels davon ausgeht, daß die Postsendung tatsächlich am 11. September 1990 beim Postamt W, S-Gasse, hinterlegt worden ist, so wurde diese im Hinblick auf das oben Gesagte keinesfalls durchgehend mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitgehalten. Die Fiktion des § 17 Abs. 3 dritter Satz des Zustellgesetzes kommt demnach nicht zur Anwendung und es erweist sich der dargelegte Zustellvorgang ("erste Zustellung") als rechtsunwirksam.

Ein Verstoß gegen die Vorschriften des Zustellgesetzes belastet den Zustellvorgang mit einem Mangel. In einem derartigen Fall gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung erst in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Im Beschwerdefall erweist sich daher die - anläßlich der aufgenommenen Niederschrift - am 24. Oktober 1990 erfolgte Aushändigung des Haftungsbescheides ("zweite Zustellung") als erste rechtswirksame (vgl. die §§ 4 und 24 ZustG) Zustellung. Dies bedeutet, daß die mit dieser Zustellung verbundenen Rechtsfolgen, wie z.B. der Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist, erst am 24. Oktober 1990 ausgelöst wurden.

Die belangte Behörde durfte somit davon ausgehen, daß die vom Beschwerdeführer am 12. November 1990 erhobene Berufung fristgerecht eingebracht worden ist, sowie über das Rechtsmittel selbst meritorisch entscheiden.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen in seinem Recht "auf ein mängelfreies Verwaltungsverfahren" verletzt. Er verkennt damit, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein subjektives Recht auf gesetzmäßige Führung der Verwaltung nicht besteht (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1979, Zl. 3167/78). Zum Beschwerdepunkt kann nur ein aus der Norm ableitbares, subjektives Recht des Beschwerdeführers erhoben werden. In diesem Sinne ist nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers als Beschwerdepunkt das Recht, nicht bzw. nur teilweise zur Haftung für die Getränkesteuer herangezogen zu werden, zu verstehen.

Der Beschwerdeführer wendet sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erkennbar nur mehr gegen die Höhe des Haftungsbetrages, wenn er in der Beschwerde im wesentlichen ausführt, es sei "unerfindlich und geradezu absurd", wie die Behörde beim Abgabenbescheid auf einen getränkesteuerpflichtigen Verkaufswert von insgesamt gerundet S 20.000,-- gekommen sei. Hiezu ist folgendes zu sagen:

Gemäß § 193 der Wiener Abgabenordnung, LGBl. Nr. 21/1962, idF. VOR der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 (WAO) kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 171 WAO) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid, § 146 WAO) mittels Berufung die Rechte geltend machen, die dem Abgabepflichtigen zustehen.

Zwar folgt aus der im § 193 WAO vorgesehenen Möglichkeit der Berufung des Haftungspflichtigen auch gegen den Abgabenanspruch, daß ihm - als Voraussetzung für die Ausübung dieses seines Rechtes - anläßlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über die haftungsgegenständlichen Abgabenansprüche Kenntnis zu verschaffen ist (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1987, Zl. 85/17/0035, und die dort angeführte Vorjudikatur). Dieser Verpflichtung ist die Behörde jedoch anläßlich der Erlassung des Haftungsbescheides durch Übermittlung des beigelegten Bemessungsbescheides vom 9. November 1987 nachgekommen: Im Bescheid vom 6. September 1990 wird auf diese Beilage hingewiesen. Zwar ist in der Niederschrift vom 24. Oktober 1990 nicht ausdrücklich vermerkt, daß dem Beschwerdeführer auch die Beilage ausgefolgt wurde, doch tritt er in der Beschwerde der diesbezüglichen Feststellung in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entgegen, sondern bezieht sich vielmehr ausdrücklich auf den Inhalt des ihm offensichtlich bekannten Bemessungsbescheides. Der Verwaltungsgerichtshof bezweifelt daher nicht, daß dem Beschwerdeführer letztgenannter Bescheid zusammen mit dem Haftungsbescheid zugestellt wurde.

Im übrigen kann jedoch in dem Berufungsvorbringen "Mich würde gerne interessieren, wie man auf diese Summe kommt, da ich während meiner Amtszeit nie eine Kontrolle hatte." eine konkretisierte Bekämpfung der Abgabenhöhe nicht erblickt werden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus folgenden, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Gründen als rechtswidrig:

Gemäß § 184 Abs. 1 WAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen oder durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 149 Abs. 2 und 150 unterbrochen. Nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Die Heranziehung des persönlich Haftenden zur Haftung stellt eine Einhebungsmaßnahme dar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 1964, Slg. Nr. 3117/F, vom 21. November 1968, Zl. 857/67, und vom 10. Juni 1981, Slg. Nr. 5600/F). Es sind für die Geltendmachung der Haftung daher nicht die Vorschriften über die Bemessungs-, sondern jene über die Einhebungsverjährung maßgebend.

Im Beschwerdefall haben die Abgabenbehörden den Beschwerdeführer auch für die in der Zeit von April bis Dezember 1984 entstandene (fällig gewordene) Getränkesteuerschuld in Anspruch genommen. Diesbezüglich endete jedoch die Frist des § 184 Abs. 1 WAO mit Ablauf des Jahres 1989; hinsichtlich dieser Getränkesteuerschuldigkeiten war daher die Einhebungsverjährung zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides vom 6. September 1990 bereits abgelaufen.

Eine GEGEN DEN BESCHWERDEFÜHRER gerichtete Unterbrechungshandlung ist nicht aktenkundig. Der gegen den Verein als Abgabenschuldner gerichtete Bemessungsbescheid vom 9. November 1987 vermochte jedoch die gegen den Beschwerdeführer laufende Einhebungsverjährung nicht zu unterbrechen, weil gegenüber Haftenden einer nur gegen einen Abgabenschuldner gerichteten Unterbrechungshandlung keine Wirksamkeit zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 1964, Slg. Nr. 3117/F, und vom 12. Jänner 1967, Zl. 1384/65, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Anhaltspunkte dafür, daß es sich um eine hinterzogene Abgabe handelt, ergeben sich aus der Aktenlage nicht.

Der Umstand, daß die belangte Behörde die hinsichtlich der im Jahre 1984 fällig gewordenen Abgaben eingetretene Einhebungsverjährung nicht beachtete, belastet ihren Bescheid diesbezüglich mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, was in diesem Umfang zu dessen Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

Zum angefochtenen Bescheid in seinem noch verbleibenden Umfang ist weiters folgendes zu sagen:

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 54 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Berufung zur Vertretung juristischer Personen kann sowohl durch Gesetz als auch durch Vertrag erfolgen, wobei nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zwischen den beiden Vertretungsarten nicht unterschieden wird. Soweit es sich um Stiftungen, Fonds oder Vereine handelt, bestimmen deren STATUTEN den Vertreter; maßgebend sind jene Personen, die von den Statuten zur Vertretung des Vereines nach außen berufen sind (§ 4 Abs. 2 lit. h Vereinsgesetz 1951 idF. VOR der Novelle BGBl. Nr. 648/1987). Dieses Organ ist den Behörden für die gesetzmäßige Tätigkeit des Vereines verantwortlich (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1986, Zl. 85/17/0110).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den mit den §§ 7, 54 WAO gleichartigen Rechtsvorschriften in anderen Landesabgabenordnungen sowie in der Bundesabgabenordnung setzt eine darauf gestützte Haftungsinanspruchnahme voraus, daß die rückständigen Abgaben uneinbringlich wurden und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung gemäß § 7 Abs. 1 WAO hat weiters zur Voraussetzung, daß zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung einer Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Das Tatbestandsmerkmal "... infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können" ist etwa dann als erfüllt anzusehen, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeiten Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung die Bezahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht - wenn auch nur anteilig - für die Abgabentilgung Sorge getragen hat. Insoweit - der Vertreter darf Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Schulden, auch wenn nicht verlangt wird, daß der Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigt wird - ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt.

Weiters ist zu beachten, daß der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, es sei Sache des Vertreters, darzutun, weshalb er nicht Sorge dafür tragen konnte, daß die von ihm vertretene juristische Person die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Außerdem hat der Vertreter darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat. Diese den Vertreter treffende qualifizierte Mitwirkungspflicht kann freilich nicht so aufgefaßt werden, daß die Abgabenbehörde jedweder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 88/17/0216, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt ausgeführt, daß die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten nicht mit dem Zeitpunkt der Entstehung der (Abgabenzahlungs-)Schuld, sondern erst mit deren Abstattung endet. Der Verein bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr bzw. Einzahlung er in Rückstand geraten ist, zu erfüllen; zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist das gemäß den Vereinsstatuten zur Vertretung des Vereines nach außen berufene Organ verhalten. Dieses muß sich bei Übernahme seiner Funktion auch darüber unterrichten, ob und in welchem Ausmaß der nunmehr von ihm vertretene Verein bisher seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Juli 1989, Zl 89/15/0021), und es obliegt ihm, auch die vor seiner Bestellung fällig gewordenen, aber noch nicht abgestatteten Abgabenschuldigkeiten des Vereins aus dessen allenfalls vorhandenen Mitteln zu entrichten (Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/17/0044, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Das Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer erst im Jänner 1985 zum Obmann gewählt wurde, war daher unter diesem Gesichtspunkt unbeachtlich.

Aus anderen Gründen waren jedoch die Feststellungen der belangten Behörde darüber, welches Organ wie lange zur Vertretung des Vereines nach außen berufen war, unzureichend. So zog die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Beschwerdeführer als VereinsOBMANN gemäß §§ 7, 54 WAO zur persönlichen Haftung heran, obwohl es gleichzeitig in der Begründung dieses Bescheides heißt, daß nach § 5 lit. f der Vereinsstatuten dem PRÄSIDENTEN die Vertretung des Vereines nach außen oblegen sei.

Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer schon auf Verwaltungsebene im Berufungsschriftsatz unter anderem geltend gemacht hat, daß nicht einzig sein Name im Vereinsregister gestanden sei und er daher nicht alleine zur Haftung herangezogen werden könnte. Im übrigen sei schon im Dezember 1985 ein neuer Obmann bestellt worden.

Auch mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht erschöpfend auseinandergesetzt. Es wäre insbesondere im Hinblick auf die oben zitierten Rechtsvorschriften zu klären gewesen, welche Verantwortungsbereiche für wie lange Zeit die einzelnen Organe (z.B. Obmann, Präsident) gehabt haben. Weiters ist zu beachten, daß die Frage der Funktionsdauer von Vereinsfunktionären vom Inhalt der Statuten und nicht von der Erstattung der im § 12 Abs. 1 Vereinsgesetz 1951 vorgesehenen Anzeige an die Vereinsbehörde abhängt, zumal letztere keinerlei konstitutiven Rechtswirkungen hat. Ein Vorstandsmitglied erwirbt nämlich seine Funktion mit statutengemäß durchgeführter Bestellung (Wahl), nicht erst mit der Anzeige dieser Wahl an die Behörde (vgl. Fessler - Keller, Österreichisches Vereinsrecht7, 79).

Wenn die belangte Behörde das Berufungsvorbringen, die Vorstandswahl habe bereits im Dezember 1985 stattgefunden, als "beweislose Behauptung" abtut, ist sie auf ihre Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsermittlung zu verweisen, zumal aus den Akten nicht hervorgeht, ob die im Jänner 1986 erstattete Anzeige nach § 12 Abs. 1 Vereinsgesetz 1951 auch den Zeitpunkt der Wahl enthielt.

Weiters ist die Geltendmachung einer Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Ermessensentscheidungen der Abgabenbehörde haben sich gemäß § 18 WAO (vgl. auch die gleichlautende Vorschrift des § 20 BAO) innerhalb der Grenzen zu halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1989, Zl. 87/15/0136, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Kommen aber, wie der Beschwerdeführer behauptet hat, mehrere Vertreter des Primärschuldners als Haftungspflichtige in Betracht, so ist die Ermessensentscheidung, wer von ihnen in Anspruch genommen wird, entsprechend zu begründen. Eine ausreichende Begründung enthält der angefochtene Bescheid in dieser Hinsicht aber schon deswegen nicht, weil darin die für die Abwägung erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht getroffen worden sind (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/17/0044). Der angefochtene Bescheid weist auch in diesem Umfang einen wesentlichen Begründungsmangel auf, weil nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Beschwerdeführer hat überdies in seiner Berufung vorgebracht, daß der Verein die Getränke ohne Gewinn verkauft und Schwierigkeiten gehabt habe, Miete, Strom etc. zu bezahlen. Auch dieser Behauptung hätte die belangte Behörde nachgehen müssen; denn die grundsätzliche qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters betreffend das Fehlen der erforderlichen Mittel zur Abgabenentrichtung entbindet die Behörde dann nicht von ihrer Ermittlungs- und Feststellungspflicht, wenn sich aus der Aktenlage deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen dieser Mittel ergeben (vgl. hiezu abermals das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 21. Mai 1992).

Der angefochtene Bescheid mußte aus den genannten Erwägungen im noch verbleibenden Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 5. März 1991, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

Schlagworte

Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991170047.X00

Im RIS seit

13.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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