TE Vfgh Beschluss 1990/6/12 B316/89

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Veröffentlicht am 12.06.1990
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Index

19 Völkerrechtliche Verträge
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb MRK Art3

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde mangels geeigneten Beschwerdegegenstands; keine Erbringung eines ausreichenden Nachweises für die behaupteten Mißhandlungen

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund zu Handen der Finanzprokuratur die mit S 37.500,- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Beschwerdeführer begehrt mit seiner auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof die kostenpflichtige Feststellung, daß er durch die am 21. Februar 1989 um 19.00 Uhr durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien "rechtswidrig und schuldhaft erfolgte, unmenschliche und erniedrigende Behandlung in seinen Rechten gemäß Art3 MRK und Art7 Weltmenschenrechtspakt verletzt" worden sei.

In der Beschwerde wird der Sache nach vorgebracht, daß sich der Beschwerdeführer am Dienstag, dem 21. Februar 1989 vor 19.00 Uhr in einer Wohnung in 1090 Wien, M-gasse, aufgehalten habe. In der Folge sei diese Wohnung von Organen der Bundespolizeidirektion betreten worden. Diese hätten von den anwesenden Personen Auskunft darüber begehrt, ob sich der Beschwerdeführer in dieser Wohnung aufhalte. Während dieses Gesprächs sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer am Fußboden unterhalb eines Stockbetts liege. Da ein Körperteil des Beschwerdeführers für die Organe der Bundespolizeidirektion Wien zu sehen gewesen sei, habe der Beschwerdeführer versucht, unter diesem Stockbett hervorzukommen, was ihm jedoch nicht vollständig gelungen sei.

Zu einem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer noch am Fußboden, mit dem Gesicht nach unten, gelegen habe und sich nur mehr seine Füße unterhalb des Stockbettes befunden hätten, sei er von einem Beamten der Bundespolizeidirektion Wien mit Fußtritten auf den Körper schwer mißhandelt worden. Da der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Gesicht nach unten am Fußboden gelegen sei, wäre der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, gegen die Organe der Bundespolizeidirektion Wien eine Angriffshandlung zu setzen, welche diese allenfalls provozieren oder gefährden hätte können. In der Folge sei der Beschwerdeführer von den Beamten aufgerichtet worden; außerdem seien ihm Handschellen an die am Rücken befindlichen Hände angelegt worden.

Obwohl der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt auf Grund der angelegten Handschellen vollkommen handlungsunfähig gewesen sei, hätte ihm nunmehr ein Beamter mit Faust- und Handschlägen mindestes zehnmal auf den Kopf und in das Gesicht geschlagen. Überdies seien dem Beschwerdeführer Faust- und Handschläge auf den Oberkörper sowie zahlreiche Fußtritte auf die Füße und Unterschenkel versetzt worden. Diese Handlungsweisen durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien seien erst nach einer Aufforderung durch ein anderes anwesendes Organ der Bundespolizeidirektion Wien, von diesen Handlungsweisen Abstand zu nehmen, eingestellt worden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diese Vorgangsweisen in den ihm zustehenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art3 MRK und Art7 Weltmenschenrechtspakt verletzt. In dem Zeitraum, in dem diese Handlungsweisen vorgenommen worden seien, habe er sich der Befehls- und Zwangsgewalt der Organe der Bundespolizeidirektion Wien nicht entziehen können. Weiters sei dem Beschwerdeführer vor Beginn der "Amtshandlung" kein konkreter Tatvorwurf zur Last gelegt worden.

2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde erstattete unter Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt und den Sachverhalt folgendermaßen darstellt:

Auf Grund einer Anzeige der N B am 21. Februar 1989, die angegeben habe, vom Beschwerdeführer fernmündlich mit dem Umbringen bedroht worden zu sein, sei von den Inspektoren M R und B L sowie den Revierinspektoren E T und M W an der von der Anzeigerin als Aufenthaltsort des Beschwerdeführers genannten Adresse in 1090 Wien, M-gasse, ein Einsatz durchgeführt worden. Es habe der dringende Verdacht bestanden, daß sich der Beschwerdeführer, gegen den auch ein Aufenthaltsverbot der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 29. Juni 1987, FR-86751/87 vorgelegen sei, in der angegebenen Wohnung aufhalte. In der Folge sei daher eine Hausdurchsuchung an dieser Adresse durchgeführt worden und der Beschwerdeführer tatsächlich im Kinderzimmer, unter einem Stockbett verborgen, aufgefunden worden. Revierinspektor M W und Inspektor B L hätten versucht, den Beschwerdeführer aus dem Versteck hervorzuziehen, nachdem er mehrmaligen Aufforderungen, freiwillig hervorzukommen, nicht nachgekommen sei. Hierbei habe der Beschwerdeführer den Revierinspektor M W gegen den linken Unterarm getreten, sodaß dieser verletzt worden sei. Der Beschwerdeführer hätte mit den Händen am Rücken geschlossen werden müssen, da er Gewalt gegen die Beamten angewendet hätte. Der Beschwerdeführer sei am 21. Februar 1989 um 21.25 Uhr gemäß §177 iVm §175 Abs1 Z1, 2 und 4 StPO festgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei in der Folge vom Bezirkspolizeikommissariat Neubau der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts nach §§107, 269, 83 StGB angezeigt worden. Der Akt werde dort unter der GZ 21 St 16.335/89 bearbeitet.

Zu den in der Beschwerde erhobenen Vorwürfen führt die belangte Behörde aus, daß die Darstellung, daß der Beschwerdeführer selbst versucht hätte, aus seinem Versteck unterhalb des Stockbetts hervorzukommen, unrichtig sei. Der Beschwerdeführer sei weder geschlagen noch unmenschlich oder erniedrigend behandelt worden.

3. Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten, Z Kr 230/N/89, ergibt sich, daß gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Februar 1989 gemäß §5 Abs1 des Fremdenpolizeigesetzes iVm §57 Abs1 AVG 1950 die vorläufige Verwahrung zur Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde. Laut Mitteilung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 10. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien des Landes verwiesen und befindet sich derzeit - ohne nähere Wohnadresse - in Malatya/Türkei. Auf Grund einer telefonischen Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft Wien dem Verfassungsgerichtshof am 27. Juni 1989 mit, daß die gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Voruntersuchungen gemäß §412 StPO abgebrochen wurden, da der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts ist.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Inspektor M R, Inspektor B L, Revierinspektor E T und Revierinspektor M W im Rechtshilfeweg sowie durch Einsichtnahme in den Akt Z Kr 230/N/89 der Bundespolizeidirektion Wien. Die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme der Zeugen O B, N Ö, N Z, N D und R Ö konnte nicht durchgeführt werden, da diese an den vom Beschwerdeführer angegebenen Adressen nicht (mehr) wohnhaft sind und die Anschrift dieser Personen nicht ermittelt werden konnte. Auch die Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei konnte nicht durchgeführt werden, da sich dieser nach Angabe seines Rechtsvertreters zur Zeit in der Türkei aufhält, ohne daß eine genaue Zustelladresse bekannt ist.

2. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens und des Parteienvorbringens nimmt der Verfassungsgerichtshof folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt als erwiesen an:

Auf Grund einer Anzeige der N B, die angab, vom Beschwerdeführer fernmündlich mit dem Umbringen bedroht worden zu sein, erfolgte am 21. Februar 1989 gegen 21.00 Uhr an einer von der N B angegebenen Andresse in 1090 Wien, M-gasse, ein gegen den Beschwerdeführer gerichteter Einsatz durch die Inspektoren M R und B L sowie die Revierinspektoren E T und M W. Bei einer Hausdurchsuchung wurde der Beschwerdeführer im Kinderzimmer, unter einem Stockbett verborgen, am Boden liegend aufgefunden. Der Aufforderung der einschreitenden Organe, unter dem Stockbett hervorzukommen, leistete der Beschwerdeführer keine Folge. Der Beschwerdeführer wurde nunmehr an den Füßen unter dem Stockbett hervorgezogen. Auf Grund des Widerstands des Beschwerdeführers wurden diesem in der Folge unter Anwendung von Körperkraft Handfesseln angelegt. Der Beschwerdeführer wurde gemäß §177 iVm §175 Abs1 Z1, 2 und 4 StPO festgenommen und an das Bezirkspolizeikommissariat Neubau überstellt. Dort wurde der Beschwerdeführer einer polizeiamtsärztlichen Untersuchung auf seine Deliktsfähigkeit unterzogen. Diese Untersuchung ergab eine leichte Alkoholisierung und einen nicht die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand. Etwaige Verletzungen am Körper des Beschwerdeführers wurden nicht festgestellt.

3. Diese Sachverhaltsannahme beruht auf den Behauptungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift im Verein mit den Aussagen der im Rechtshilfeweg einvernommenen Organe der Bundespolizeidirektion Wien. Diese sagten übereinstimmend aus, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Mißhandlungen nicht vorgenommen worden seien. Gegen diese Aussage steht ausschließlich die Behauptung des Beschwerdeführers in der Beschwerde. Da weder der Beschwerdeführer selbst noch die von diesem angegebenen Zeugen einvernommen werden konnten, sieht sich der Verfassungsgerichtshof außerstande, die in der Beschwerdeschrift angeführten Mißhandlungen als erwiesen anzunehmen.

Festzuhalten ist weiters, daß nach den übereinstimmenden Aussagen der beteiligten Beamten die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen den Ablauf der Amtshandlung und damit auch allfällige Mißhandlungen nicht wahrnehmen konnten, da sich diese Personen am Gang außerhalb der Wohnung aufgehalten hatten.

4. Da somit ein Nachweis für die behaupteten Mißhandlungen des Beschwerdeführers, die allein in Beschwerde gezogen waren, nicht erbracht wurde, fehlt es an einem geeigneten Beschwerdegegenstand. Die Beschwerde war darum mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung fußt auf §88 VerfGG 1953.

6. Diese Entscheidung konnte der Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in einer der Norm des §7 Abs2 litc VerfGG 1953 genügenden Zusammensetzung treffen.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Mißhandlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B316.1989

Dokumentnummer

JFT_10099388_89B00316_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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