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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des LH von NÖ vom 24.7.1990, Zl. VII/2-4570/2-1990, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 2 ASVG (mP: NÖ Gebietskrankenkasse St.Pölten), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 22. März 1990 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer als gemäß § 62 Abs. 2 ASVG bevollmächtigten Steuerberater der Dienstgeberin B wegen nicht fristgerechter Vorlage der Beitragsgrundlagennachweise für das Jahr 1989 gemäß § 113 Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 480,-- vor. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 2 ASVG mit der genannten Dienstgeberin eine Vereinbarung über die Beitragsabrechnung unmittelbar nach dem Arbeitsverdienst abgeschlossen und sich unter anderem verpflichtet, mit dem zu Beginn eines jeden Jahres zur Verfügung gestellten Maschinenausdruck für jeden im abgelaufenen Jahr Versicherten das beitragspflichtige Entgelt (§ 49 ASVG) zu melden und die dem Vordruck entsprechend ergänzte Liste innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung an die zuständige Bezirksstelle der Kasse zurückzusenden. Da für das Jahr 1989 die Beitragsgrundlagenmeldung (Maschinenausdruck) innerhalb der Sechswochenfrist - wie im vergangenen Jahr - wieder nicht erfolgt sei, habe der genannte Betrag als Beitragszuschlag vorgeschrieben werden müssen.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 26. März 1990 zugestellt.
Noch innerhalb der einmonatigen Rechtsmittelfrist richtete der Beschwerdeführer ein mit 6. April 1990 datiertes Schreiben um Nachsicht des Beitragszuschlages an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse. Der Grund für die ihm angelastete Verspätung liege darin, daß mit Stichtag 1. Jänner 1990 nunmehr die Lohnverrechnung "im Haus" mittels eigener EDV-Anlage abgerechnet werde. Diese Umstellung habe es mit sich gebracht, daß sämtliche Stammdaten und Lohnarten aller Art der von der Kanzlei abgerechneten Lohnverrechnungen hätten neu erfaßt werden müssen und mit der ersten Abrechnung Probleme aufgetaucht seien. Neben dieser zeitraubenden Tätigkeit sei auch noch die Jahresauswertung mit dem Rechenzentrum durchzuführen gewesen, wobei auf die Daten 1989 im Rechenzentrum nur mehr wöchentlich zugegriffen werden könne. Solle für 1989 noch eine Änderung gemacht werden, so müsse man eine Woche auf die korrigierte Auswertung (Beitragsgrundlagennachweis) warten. Auch bei der Lohnverrechnung der Dienstgeberin sei noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen, sodaß der Beitragsgrundlagennachweis für 1989 eine Woche verspätet abgegeben worden sei. Da die monatlichen Beitragsnachweise der genannten Dienstgeberin immer pünktlich eingereicht und die Beiträge ordnungsgemäß abgeführt worden seien, werde höflich ersucht, die Verspätung zu entschuldigen und den festgesetzten Beitragszuschlag in der Höhe von S 480,-- nachzusehen.
Mit Schreiben vom 19. April 1990 bestätigte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Erhalt des Nachsichtsansuchens vom 6. April 1990 und informierte den Beschwerdeführer darüber, daß den Versicherungsträgern vom Gesetzgeber keine rechtliche Handhabe eingeräumt sei, Bescheide im Nachsichtsweg abzuändern oder gar aufzuheben. Angesichts dieser Rechtslage vermöge die Gebietskrankenkasse dem Begehren nicht näherzutreten und den in Rechnung gestellten Beitragszuschlag herabzusetzen. Es bestünde jedoch die Möglichkeit, den Bescheid vom 22. März 1990 durch einen Einspruch im Sinne der Rechtsmittelbelehrung unter Wahrung der Formvorschriften anzufechten.
Mit Schreiben vom 3. Mai 1990 erhob der Beschwerdeführer "Einspruch gegen den Bescheid vom 19. 04. 1990", wobei er als Begründung für die Verspätung wiederum die Umstellung der Lohnverrechnung auf eine eigene EDV-Anlage und eine notwendige Korrektur bei der Lohnverrechnung der Dienstgeberin anführte.
In ihrem Vorlagebericht beantragte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Abweisung des Einspruches für den Fall, daß dieser unter Berücksichtigung des Nachsichtsansuchens vom 6. April 1990 als rechtzeitig erstattet angesehen werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 22. März 1990 abgewiesen und der "angefochtene Bescheid" bestätigt. Als Begründung dafür wurde im wesentlichen die Auffassung vertreten, daß innerbetriebliche Ursachen nicht als Entschuldigungsgrund für die verspätete Abgabe von für die Belange der Sozialversicherung bedeutsamen Meldungen und Unterlagen gewertet werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 22. März 1990 dem Beschwerdeführer am 26. März 1990 zugestellt worden. Die Frist zur Erhebung eines Einspruches lief daher bis 26. April 1990. Innerhalb dieser Frist richtete der Beschwerdeführer lediglich mit Schreiben vom 6. April 1990 ein Nachsichtsansuchen an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, wobei er im wesentlichen die verspätete Abgabe des Beitragsgrundlagennachweises für 1989 eingestand. Mit einem als Information zu wertenden Schreiben vom 19. April 1990 (vgl. zum Bescheidcharakter behördlicher Erledigungen die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, wiedergegebene Rechtsprechung zu § 56 AVG) teilte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer mit, daß keine rechtliche Grundlage für eine Aufhebung oder Abänderung ihres Bescheides im Nachsichtswege bestünde, der Beschwerdeführer jedoch im Sinne der erteilen Rechtsmittelbelehrung den Bescheid vom 22. März 1990 mit Einspruch anfechten könne. Der daraufhin vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. Mai 1990 erhobene Einspruch richtet sich ausdrücklich "gegen den Bescheid vom 19. 04. 1990".
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nunmehr ein - gar nicht erhobener - Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 22. März 1990 abgewiesen. Die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes ohne Vorliegen eines Antrages belastet einen Bescheid jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. März 1980, VwSlg. 10.074/A). Dadurch verletzte die belangte Behörde den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Entscheidung über den von ihm erhobenen Einspruch gegen den "Bescheid" vom 19. April 1990, die allerdings nur in einer Zurückweisung des Einspruches bestehen könnte. Eine Erledigung dieses Einspruches erfolgte nach Lage der Verwaltungsakten bisher noch nicht.
Aufgrund dieser Erwägungen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) konnte ein Ersatz von Stempelgebühren nicht zuerkannt werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990080160.X00Im RIS seit
17.11.1992