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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33 ZPO §146 Abs1Leitsatz
Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrages; Wertung der irrtümlichen Adressierung eines Kuverts als leichte FahrlässigkeitSpruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird stattgegeben.
Begründung
Begründung:
1. Mit Beschluß vom 13. März 1990, B1523/89-3, wies der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Oktober 1989, Z MA 70-8/575/88, gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG 1953 zurück. Der Beschwerdeführer hatte seine Beschwerde zwar innerhalb der Beschwerdefrist zur Post gegeben, jedoch an den Verwaltungsgerichtshof adressiert, der erst nach Fristablauf die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof weitergeleitet hatte, weshalb sie als verspätet eingebracht anzusehen war.
2. Mit Schriftsatz vom 30. April 1990 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Der Antrag wird damit begründet, daß sich die an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde in einem an den Verwaltungsgerichtshof adressierten Kuvert befunden habe. Die irrtümliche Adressierung sei offensichtlich auf ein Versehen der Sekretärin des Beschwerdevertreters zurückzuführen, da sowohl der Kopf der Beschwerde selbst als auch der Aufgabeschein den Verfassungsgerichtshof als Adressaten nennen würden. Die Sekretärin des Beschwerdevertreters sei bereits seit mehreren Jahren bei Rechtsanwälten tätig, ohne daß ihr bisher ein derartiges Versehen unterlaufen wäre.
3. Das VerfGG 1953 regelt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst; demnach sind nach §35 leg.cit. die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden.
Gemäß §148 Abs2 ZPO muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses, welches die Versäumung verursachte, gestellt werden.
Die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde wurde durch die irrtümliche Adressierung des Kuverts an den Verwaltungsgerichtshof verhindert. Dieses Hindernis gelangte erst anläßlich der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses vom 13. März 1990 dem Antragsteller bzw. seinem Rechtsvertreter zur Kenntnis und fiel damit zu diesem Zeitpunkt weg. Der genannte Beschluß wurde dem Beschwerdevertreter am 25. April 1990 zugestellt. Die Frist des §148 Abs2 ZPO hat daher mit diesem Tag zu laufen begonnen.
Da der Antrag am 30. April 1990 zur Post gegeben wurde, ist er rechtzeitig.
4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch begründet.
Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983).
Nach dem vom Verfassungsgerichtshof als glaubhaft angenommenem Vorbringen des Beschwerdevertreters kann das Verschulden der Kanzleikraft, für die die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO; vgl. VfSlg. 10345/1985), nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden. Der Verfassungsgerichtshof sieht im vorliegenden Fall keinen Grund, das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß die Versäumung der Beschwerdefrist auf eine irrtümliche Adressierung des Kuverts zurückzuführen ist, zumal die vom Verwaltungsgerichtshof weitergeleitete Beschwerde auf der ersten Seite den Verfassungsgerichtshof als Adressaten bezeichnet. Unter den vorliegenden Umständen kann nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältig arbeitenden Menschen eine derartige Fehlleistung gelegentlich unterlaufen kann (vgl. zB VfSlg. 10771/1986).
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß §33 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung zu bewilligen.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B567.1990Dokumentnummer
JFT_10099388_90B00567_00