TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/18 91/12/0281

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Veröffentlicht am 18.11.1992
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Index

72/02 Studienrecht allgemein;
72/13 Studienförderung;

Norm

AHStG §25;
AHStG §5 Abs2 litf;
StudFG 1983 §2 Abs1 idF 1988/379;
StudFG 1983 §2 Abs3 litb idF 1988/379;
StudFG 1983 §2 Abs4 lita idF 1988/379;
StudFGNov 1988 §2 Abs4 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 16. Oktober 1991, Zl. 56.049/28-17/91, betreffend Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 9. August 1968 geborene Beschwerdeführer begann im Wintersemester 1985/86 an der Universität Wien das Studium der Studienrichtungen Deutsche Philologie - Lehramt an Höheren Schulen - und der Anglistik. Nachdem der Beschwerdeführer am 28. Juni 1990 die Studienrichtung Anglistik und Amerikanistik (Lehramt an Höheren Schulen) durch Ablegung der

2. Diplomprüfung abgeschlossen hatte, legte er am 19. Juli 1990 den ersten Teil der zweiten Diplomprüfung der Studienrichtung Deutsche Philologie (Lehramt) ab. Zuletzt bezog der Beschwerdeführer eine Studienbeihilfe im Sommersemester 1990 und Wintersemester 1990/91.

Mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde Wien vom 13. Juni 1991 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 22. April 1991 auf Gewährung einer Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz 1983, BGBl. Nr. 436/1983, in der Fassung BGBl. Nr. 471/1990 (StudFG), gemäß § 2 Abs. 3 lit. b dieses Gesetzes abgewiesen. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, nach der genannten Gesetzesstelle bestehe kein Studienbeihilfenanspruch, wenn die vorgesehene Studienzeit ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes um mehr als ein Semester überschritten worden sei. Laut Studienplan seien für den zweiten Studienabschnitt fünf Semester vorgesehen. Somit betrage die Studienbeihilfe - Anspruchsdauer für den zweiten Studienabschnitt - sechs Semester. Der Beschwerdeführer befinde sich im Sommersemester 1991 im 7. Semester des zweiten Studienabschnittes, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 14. März 1991 hatte der Beschwerdeführer an die belangte Behörde das Ansuchen um Bewilligung einer Studienbeihilfe für ein weiteres Semester gemäß § 2 Abs. 4 lit. a StudFG gerichtet. Darin führte er aus, er habe seine Diplomarbeit, welche er am 31. Oktober 1990 übernommen habe, nicht rechtzeitig abschließen können. Thema der Diplomarbeit seien Aspekte des Erwerbs der Nominalphrase im Rahmen eines Deutsch- und Integrationskurses für Asylwerber gewesen. Zur vollständigen Ablegung der Diplomprüfung fehle der zweite Teil der zweiten Diplomprüfung, den er voraussichtlich bis Juni 1991 nachholen werde; seine Diplomarbeit werde er voraussichtlich bis April 1991 abschließen.

Dieses Ansuchen wurde vom Senat der Studienbeihilfenbehörde befürwortet. Nach einer Bestätigung des Betreuers der Diplomarbeit Univ. Doz. Dr. G vom 24. April 1991 habe der Beschwerdeführer Erhebungsarbeiten für die Feldstudie zu seiner Diplomarbeit bereits im Sommersemester 1990 ausgeführt. Diese hätten sich als derart zeitaufwendig erwiesen, daß die übliche Abfassungszeit für Diplomarbeiten in diesem Fall weit überschritten werden müsse und bei guten Fortschritten mit einem Abschluß nicht vor Ende des Sommersemesters 1991 zu rechnen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers auf "Gewährung von Studienbeihilfe" für ein weiteres Semester gemäß § 2 Abs. 4 lit. a StudFG ab. Begründend wird im wesentlichen nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesstellen ausgeführt, nach der Studienordnung für die Studienrichtung Deutsche Philologie (Lehramt an Höheren Schulen) betrage die Studiendauer für den zweiten Studienabschnitt fünf Semester. Anspruch auf Studienbeihilfe bestehe daher für sechs Semester. Der Beschwerdeführer habe sich im Sommersemester 1991 im

7. Semester der Anspruchsdauer für den zweiten Studienabschnitt befunden und die Anspruchsdauer dadurch überschritten. Die Gewährung von Studienbeihilfe für ein weiteres Semester infolge einer umfangreichen zeitaufwendigen wissenschaftlichen Arbeit setze voraus, daß die Diplomarbeit so rechtzeitig begonnen worden sei, daß bei Anfertigung einer durchschnittlich aufwendigen Arbeit der Studienabschluß innerhalb der Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe möglich sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch seine Diplomarbeit erst zu einem so späten Zeitpunkt, nämlich am 31. Oktober 1990 begonnen, daß er auch eine durchschnittlich aufwendige Diplomarbeit nicht innerhalb der Anspruchsdauer hätte abschließen können. Ursache für die Überschreitung der Anspruchsdauer sei daher der verspätete Beginn an der Diplomarbeit des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des StudFG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 379/1988 lauten:

    "§ 2. (1) Voraussetzung für die Gewährung einer Studien-

          beihilfe ist, daß der Studierende

          ... b) einen günstigen Studienerfolg nachweist;

          (3) ein Anspruch auf Studienbeihilfe besteht nicht:

          ... b) wenn ein Studierender an einer in § 1 Abs. 1

                 lit. a und c genannten Anstalt die zur

                 Ablegung einer Diplomprüfung oder eines

                 Rigorosums vorgesehene Studienzeit ohne

                 wichtigen Grund um mehr als ein Semester

                 überschritten hat, bis zur erfolgreichen

                 Ablegung dieser Prüfung. Semester, die vor

                 Ablegung der Diplomprüfung oder des Rigorosums

                 des vorhergehenden Studienabschnittes

                 absolviert wurden und in den laufenden

                 Studienabschnitt einzurechnen sind, verkürzen

                 diese Anspruchsdauer nicht;

          ... Als wichtige Gründe im Sinne der lit. b bis d

          gelten Krankheit, die Pflege und Erziehung eines

          Kindes im ersten Lebensjahr und jedes unvorherge-

          sehene oder unabwendbare Ereignis, das der

          Studierende nicht selbst verschuldet hat, sofern

          dadurch der Studienerfolg nachweislich beein-

          trächtigt wurde, sowie Schwangerschaft, sofern

          dadurch der Besuch von Lehrveranstaltungen nicht

          möglich war.

(4) Der zuständige Bundesminister kann auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde

a)

bei Studien im Ausland, besonders umfangreichen und zeitaufwendigen Arbeiten oder ähnlichen außergewöhnlichen Studienbelastungen zu der in Abs. 3 lit. b bis d genannten Anspruchsdauer Studienbeihilfe für ein weiteres Semester bewilligen oder

b)

bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der lit. a oder des Abs. 3 letzter Satz die Überschreitung der Studienzeit im Sinne des Abs. 2 lit. a und Abs. 3 lit. g nachsehen,

wenn die Studienverzögerung überwiegend auf die genannten Gründe zurückzuführen ist."

Gegenstand der Entscheidung nach § 2 Abs. 4 lit. a StudFG ist, wie der Verwaltungsgerichtshof unter Darstellung der Entstehungsgeschichte der hier anzuwendenden Norm ausführlich in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 1991, Zl. 90/12/0253, dargelegt hat, nicht die "Gewährung" von Studienbeihilfe, sondern die "Bewilligung von Studienbeihilfe für ein weiteres Semester zu der in Abs. 3 lit. b genannten Anspruchsdauer". Sowohl aus der Verwendung des Wortes "Bewilligung" und nicht "Gewährung" als auch und vor allem aus dem Inhalt dieser Bewilligung, nämlich von Studienbeihilfe "zu der ... Anspruchsdauer" muß gefolgert werden, daß dem zuständigen Bundesminister damit nicht die Entscheidung über die "Gewährung" von Studienbeihilfe im Sinne des § 2 Abs. 1 mit der Konsequenz der Verpflichtung, im Falle einer zugunsten des Antragstellers vorgenommenen Ermessensübung nach § 2 Abs. 4 lit. a das Vorliegen der materiellen (§ 2 Abs. 1 und 2, §§ 3 bis 13) und der (schon nach dem Wortlaut nicht auf den zuständigen Bundesminister zugeschnittenen) formellen Voraussetzungen (§§ 16, 17) prüfen zu müssen, übertragen wurde, sondern nur die Entscheidung über ein Element des Anspruches auf Gewährung von Studienbeihilfe. Mit dieser Bewilligung ist somit nichts anderes gemeint, als daß der Gewährung von Studienbeihilfe die Überschreitung der Studienzeit (Anspruchsdauer) nach § 2 Abs. 3 lit. d nicht entgegensteht.

Diese Interpretation hat aber im Beschwerdefall keine für die Entscheidung wesentlichen Konsequenzen. Wenn auch im angefochtenen Bescheid ausdrücklich das Wort "Gewährung" und nicht "Bewilligung" gebraucht worden ist, so ergibt sich aus der richtigen Zitierung der angewendeten Gesetzesbestimmung im Zusammenhalt mit dem Antrag des Beschwerdeführers, der ausdrücklich auf "Bewilligung" nach der zitierten Bestimmung lautete, daß es sich nur um ein Vergreifen im Ausdruck handelt, das für die materielle Erledigung des Antrages ohne Bedeutung ist.

In der Sache selbst ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich strittig, ob die Übernahme der Diplomarbeit mit dem vom Beschwerdeführer in seinem Ansuchen selbst genannten Datum 31. Oktober 1990 für den Zeitaufwand der wissenschaftlichen Arbeiten des Beschwerdeführers, die sein Ansuchen begründeten, maßgebend ist oder nicht.

Der Beschwerdeführer hält der Argumentation der belangten Behörde, die Studienverzögerung sei nicht überwiegend auf die besonders umfangreiche und zeitaufwendige Diplomarbeit, sondern auf den verspäteten Beginn zurückzuführen, folgendes entgegen:

Eine germanistische Diplomarbeit könne offiziell erst dann begonnen werden, wenn das letzte Seminarzeugnis vorliege, welches im Beschwerdefall mit 19. Juli 1990 datiert sei, obwohl die Seminararbeit schon wesentlich früher abgegeben worden sei. Der Beschwerdeführer habe seit etwa Anfang Mai 1990 Zeit gehabt, intensiv an der Diplomarbeit zu arbeiten. Tatsächlich habe er schon während eines Großteils des zweiten Studienabschnitts im Themenkomplex seiner Abschlußarbeit studiert und recherchiert. Nach dem Besuch eines einschlägigen Seminars beim Betreuer der Diplomarbeit im Wintersemester 1987/88 sei klar gewesen, daß seine Abschlußarbeit eine Fortsetzung und Vertiefung dieses Seminars darstellen würde. Schon jenes Seminar, das als Feldstudie angelegt worden sei, müsse als zeitaufwendiger eingestuft werden als vergleichbare Lehrveranstaltungen. Der Beschwerdeführer habe schon im Sommersemester 1988 begonnen, sich in die umfangreiche Forschungsliteratur zum Thema der Diplomarbeit einzulesen. Bei der offiziellen Themenübernahme müsse das Thema der Diplomarbeit bereits feststehen. Da es sich bei der Abschlußarbeit des Beschwerdeführers um eine Feldstudie handle, wobei das endgültige Thema erst nach einer ersten Untersuchung des erhobenen Datenmaterials habe festgesetzt werden können, sei zum Zeitpunkt des offiziellen Beginns (31. Oktober 1990) bereits ein wesentlicher und arbeitsintensiver Teil der Diplomarbeit abgeschlossen gewesen. Der Beschwerdeführer habe daher seine Diplomarbeit schon wesentlich früher als zum genannten Datum begonnen.

Diesem Vorbringen hält die belangte Behörde entgegen, § 2 Abs. 4 lit. a StudFG sei dahin zu verstehen, daß Maßstab für eine besonders umfangreiche und zeitaufwendige wissenschaftliche Arbeit die durchschnittliche Arbeitsdauer für eine entsprechende wissenschaftliche Arbeit sei. Als durchschnittliche Arbeitsdauer für eine geisteswissenschaftliche Diplomarbeit werde der Zeitraum eines Studiensemesters angenommen, was unter Berücksichtigung der realen Gegebenheiten eine im Sinne des Studierenden günstige Auslegung dieser Bestimmung darstelle. Als Zeitpunkt für den Beginn einer solchen Arbeit könne aus rechtlichen Erwägungen der Überprüfbarkeit grundsätzlich nur der Zeitpunkt der Übernahme der Diplomarbeit gewählt werden. Darunter sei nach den Studienvorschriften (§ 5 Abs. 2 lit. f und § 25 AHStG) die Übernahme der Betreuung der Diplomarbeit nach Einigung über das Thema der Arbeit, für das dem Studierenden ein Vorschlagsrecht zustehe, zu verstehen. Vorarbeiten für die Diplomarbeit im Rahmen anderer Lehrveranstaltungen zählten nicht zur Diplomarbeit. Überdies habe der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Übernahme der Diplomarbeit seinem eigenen Vorbringen nach am 19. Juli 1990 erbracht, sodaß die Übernahme der Diplomarbeit nach den formalen Erfordernissen schon wesentlich früher möglich gewesen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Interpretation der belangten Behörde, wonach für die Beurteilung des Zeitaufwandes von wissenschaftlichen Arbeiten im Sinne des § 2 Abs. 4 lit. a StudFG als Beginn die formelle Übernahme der Diplomarbeit im Sinne der genannten Bestimmungen des AHStG maßgebend ist, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Insbesondere sind Arbeiten im Rahmen eines Seminars und die literarische Vorbereitung auf ein bestimmtes Thema Studien, die wohl regelmäßig zur Wahl des Themas der Diplomarbeit erforderlich sind. Diese Vorarbeiten können aber für die Frage des Zeitaufwandes und des Umfanges der wissenschaftlichen Arbeiten zur Erlangung des Diplomes schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil erst durch die Übernahme der Diplomarbeit deren Umfang und Thema bestimmt werden.

Auf Grund dieser Rechtslage stellt die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Parteiengehörs keinen relevanten Verfahrensmangel dar, zumal das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu einem anderen Bescheid hätte führen können.

Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991120281.X00

Im RIS seit

26.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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