TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/18 90/03/0241

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.11.1992
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Index

50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

KflG 1952 §4 Abs1 Z4;
KflG 1952 §4 Abs1 Z5 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Leukauf, Dr. Sauberer, Dr. Kremla und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der B-BetriebsgmbH in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 12. Juli 1990, Zl. 242.161/1-II/4/90, betreffend eine Konzessionserteilung (mitbeteiligte Partei: Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 6. März 1989 suchte die Beschwerdeführerin um die Erteilung der Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie zwischen Schnellbahnhof Floridsdorf und Bahnhof Heiligenstadt auf der Strecke Schloßhofer Straße - Am Spitz-Floridsdorfer Hauptstraße - Floridsdorfer Brücke - Friedrich

Engels-Platz - Adalbert Stifter-Straße - Lorenz Müller-Gasse - Heiligenstädter

Brücke - Gunoldstraße - Boschstraße (zurück über Mooslackengasse - Muthstraße - Gunoldstraße) ohne weitere Zwischenhaltestellen, d.h. in Form einer Schnellbuslinie, an.

Im Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz sprachen sich die R-Verkehrsbetriebs KG, der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) Gesellschaft m.b.H., die Bezirksvorstehung des 20. Bezirkes sowie die mitbeteiligte Partei gegen das Vorhaben aus, während u.a. die Bezirksvorstehungen für den 19. und 21. Bezirk, die Kammer für Arbeiter und Angestellte usw. keinen Einwand erhoben. Die mitbeteiligte Partei brachte im wesentlichen vor, die beantragte Kraftfahrlinie sei gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b des Kraftfahrliniengesetzes 1952 (KflG) geeignet, die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die mitbeteiligte Partei, in deren Verkehrsbereich die neue Linie zur Gänze liege, zu gefährden. Die Trasse der neuen Linie würde nämlich durch Verkehrsbereiche verlaufen, die durch öffentliche Verkehrsmittel, nämlich durch die drei Straßenbahnlinien über die Floridsdorfer Brücke ("31", "32" und "31/5"), die Autobuslinie in der Adalbert Stifter-Straße ("35 A") und die über die Nordbrücke führende Autobuslinie ("34 A") ausreichend versorgt seien. Die Linie würde überdies entsprechend § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. c KflG einer dem öffentlichen Bedürfnis mehr entsprechenden Ausgestaltung des Verkehrs durch die mitbeteiligte Partei vorgreifen. Die mitbeteiligte Partei habe nämlich (inzwischen) zur Verbesserung der Verkehrsbedienung am 6. April 1989 einen Antrag auf Konzessionsänderung hinsichtlich der "Autobuslinie 11 A" durch deren Verlängerung über Friedrich Engels-Platz - Forsthausgasse - Heiligenstädter Brücke zum Bahnhof Heiligenstadt beantragt. Die belangte Behörde erteilte auch mit Bescheid vom 13. November 1989 rechtskräftig der mitbeteiligten Partei diese beantragte Konzessionserweiterung durch Verlängerung der nunmehr vom Elderschplatz bis Heiligenstadt (Bahnhof) verlaufenden Linie 11 A.

Die Behörde erster Instanz wies mit Bescheid vom 7. Dezember 1989 das Ansuchen der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. c KflG ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Juli 1990 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 und 5 lit. b KflG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz vom 7. Dezember 1989 dahin abgeändert, daß es anstatt "§ 4 Abs. 1 Z. 5 lit. c" nunmehr "§ 4 Abs. 1 Z. 4 und 5 lit. b" KflG zu heißen hat. In der Begründung führte die Behörde im wesentlichen aus, es könne der Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. c KflG nicht angezogen werden, und zwar deshalb, weil unter der "notwendigen Verbesserung der Verkehrsbedienung" im Sinne der Bestimmung nur die Bedienung einer bereits konzessionierten Linie nicht aber die Erteilung einer neuen Konzession verstanden werden könne ("VwSlg. 5376/A und VwErk vom 11. Jänner 1962, Zl. 164/61"). Die mitbeteiligte Partei habe aber, um mit der Haltestelle Bahnhof Heiligenstadt die gleiche Endhaltestelle wie die von der Beschwerdeführerin vorgesehene Linie zu haben, erst ihre Konzession der Linie 11 A um ein ganzes Teilstück erweitern müssen. Es treffe auch zu, daß die Linie 11 A nur die Relation Bahnhof Heiligenstadt bis Friedrich Engels-Platz der von der Beschwerdeführerin angestrebten Linie abdecke und Fahrgäste, um die Schnellbahnstation Floridsdorf erreichen zu können, am Friedrich Engels-Platz in eine der Straßenbahnlinien 31, 31/5 oder 32 der mitbeteiligten Partei umsteigen müßten. Es könne aber Fahrgästen zugemutet werden, ihr Reiseziel auch durch Umsteigen zu erreichen, wenn keine besonderen Umstände vorlägen, die die Bewohner bestimmter Gebiete zu erhöhter Reisetätigkeit veranlassen. Auch sei in Anbetracht des Wiener Verkehrsnetzes und der dichten Intervalle in Wien ein Umsteigen zumutbar und oft geradezu unvermeidbar. Da weiters im Falle der Konzessionserteilung alle von der Beschwerdeführerin direkt zwischen der Schnellbahnstation Floridsdorf und dem Bahnhof Heiligenstadt beförderten Personen zu Lasten des Beförderungssubstrates der mitbeteiligten Partei gingen, sei die von der Beschwerdeführerin beantragte Kraftfahrlinie geeignet, die Erfüllung der Verkehrsaufgaben der mitbeteiligten Partei zu gefährden (§ 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG). Jedenfalls aber würde der Nachfragerückgang der Fahrgäste zu einem verdünnten Angebot der mitbeteiligten Partei führen. Die daraus resultierenden Kursverdünnungen würden zu Lasten aller Fahrgäste gehen, daher auch jener, die nicht nur von Endhaltestelle zu Endhaltestelle befördert werden möchten. Auch der Hinweis der kürzeren Fahrzeit der Beförderung durch die geplante Schnellbuslinie treffe nicht unbedingt zu, da der derzeit durch das Umsteigen verursachte Zeitverlust durch die besonders rasche Beförderung der Fahrgäste durch die Straßenbahn auf deren eigenen Bahnkörper durchaus egalisiert werde. Völlig verfehlt sei die Argumentation der Beschwerdeführerin bezüglich der Fahrtkosten: Eine Tarifgemeinschaft mit der mitbeteiligten Partei möge zwar von ihr angestrebt worden sein, doch sei eine solche seit der Einbeziehung der Kraftfahrlinien in die Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) Gesellschaft m.b.H. nicht mehr realisierbar, sondern höchstens die Anmietung der Beschwerdeführerin durch die Verkehrsverbund Ost-Region Gesellschaft m.b.H. Letztere hätte dann sowohl für die Kosten der bisherigen Verbindungen als auch für die Kosten der Schnellbusverbindung aus öffentlichen Mitteln aufzukommen. Aus deren Stellungnahmen im Ermittlungsverfahren ginge jedoch hervor, daß sie dies nicht zu tun beabsichtige. Ohne eine solche Anmietung durch die VOR aber hätte der Fahrgast allein bei Benützung der Schnellbuslinie (Fahrstreckenlänge von 5 km) einen einfachen Fahrpreis von S 16,-- zu bezahlen, wobei ihn der Fahrausweis nicht zum Umsteigen in die innerstädtischen Verkehrsmittel berechtige. Der Fahrgast wäre daher gezwungen, bei Benützung auch anderer innerstädtischer Verkehrsmittel neuerlich einen Fahrschein zum Preise von S 20,-- für eine einfache Fahrt in der VOR Zone 100 (= Wien) zu lösen. Es müsse bezweifelt werden, daß dieses derart teure Verkehrsangebot in einem Ausmaß von der Bevölkerung angenommen werde, daß es im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 4 KflG zu einer wirtschaftlichen Befriedigung des allenfalls vorhandenen Verkehrsbedürfnisses führe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte ihre Behandlung mit Beschluß vom 24. September 1990, B 1061/90-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Ein gleichlautender Antrag wurde von der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen des Kraftfahrliniengesetzes 1952, BGBl. Nr. 84 (KflG), von Bedeutung:

"§4

(1) Die Konzession kann erteilt werden, wenn:

...

4. die Art der Linienführung eine zweckmäßige und wirtschaftliche Befriedigung des in Betracht kommenden Verkehrsbedürfnisses gewährleistet und

5. das Unternehmen auch sonst öffentlichen Interessen nicht zuwiderläuft. Dieser Ausschließungsgrund liegt insbesondere dann vor, wenn

...

b) der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmer, in deren Verkehrsbereich die neue Linie ganz oder teilweise fällt, zu gefährden geeignet ist, oder

..."

Die Versagung nach § 4 Abs. 1 Z. 4 KflG stützte die belangte Behörde auf den für die beantragte Linie zu erwartenden Fahrpreis von S 16,-- nach dem Kraftfahrlinien-Regeltarif, wobei dieser nicht zum Umsteigen in die innerstädtischen Verkehrsmittel berechtigen werde, sodaß Zweifel an der Annahme der Linie durch die Bevölkerung bestehe. Damit verkennt sie die Rechtslage. Nach dieser Regelung hat sich die Prüfung der Frage der Gewährleistung der möglichst zweckmäßigen und wirtschaftlichen Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses an der Art der Linienführung zu orientieren und nicht an der Preisgestaltung. Letzterer käme nur insoweit Bedeutung zu, als sie durch die Art der Linienführung bedingt wäre, also z.B. durch zu große Umwege. Dies trifft aber vorliegend nicht zu (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1989, G 229/89 u.a., aus welchem entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen ist). Auch bietet das Gesetz keine Handhabe, das Vorliegen des Versagungsgrundes des § 4 Abs. 1 Z. 4 KflG darauf zu stützen, daß der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) Gesellschaft m.b.H. offensichtlich nicht bereit ist, die Anmietung der von der Beschwerdeführerin geplanten Linie vorzunehmen und damit für die Kosten der Schnellbusverbindung aus öffentlichen Mitteln aufzukommen.

Verfehlt erweist sich allerdings die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, daß der Ausschließungsgrund des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG nur dann vorliege, wenn mehrere Verkehrsunternehmer, mindestens aber zwei, in der Erfüllung der Verkehrsaufgaben gefährdet wären, was aber hier schon deshalb nicht zutreffe, weil nur ein Verkehrsunternehmer, nämlich die mitbeteiligte Partei, in Frage komme. Aus dem Gesetzeszusammenhang und dem Sinn und Zweck dieser Regelung ergibt sich klar, daß ungeachtet der Verwendung der Mehrzahl in Z. 5 lit. b KflG die Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben eines einzelnen Verkehrsunternehmens ausreicht. Der Verwaltungsgerichtshof ist auch in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1987, Zlen. 86/03/0150, 0151, 0152).

Hingegen kommt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach der Ausschließungsgrund des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG gegeben sei, unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Berechtigung zu.

Eine Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben liegt dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmer in der Führung seiner Linien einschneidend beeinträchtigt wird, im allgemeinen also dann, wenn er einen eine wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleidet. Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Ausschließungsgrundes nach § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG ergeben sich aus Ermittlungen und Feststellungen über den Fahrgastausfall, der im Bereich einer konzessionierten Linie durch die Erteilung einer neuen Kraftfahrlinienkonzession zu erwarten ist (vgl. z.B. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 11. März 1987, Zlen. 86/03/0150, u. a.). An einem solchen erforderlichen Ermittlungsverfahren und den daraus zu treffenden Feststellungen fehlt es. Die Begründung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich auf bloß allgemein gehaltene Darlegungen, denen die entsprechende objektive Grundlage fehlt. Schließlich wäre auch zu klären, ob nicht durch die beabsichtigte Schnellverbindung (ohne Umsteigen) zusätzliche Fahrgäste gewonnen werden können. Es bestehen auch insoweit Widersprüche zu den Ausführungen der belangten Behörde zu § 4 Abs. 1 Z. 4 KflG, als danach die Verkehrsteilnehmer ohnehin gezwungen wären, im Falle des Umsteigens zusätzliche Fahrkarten zu erwerben. Den im übrigen erst in der Gegenschrift enthaltenen Darlegungen der belangten Behörde über die gesamtwirtschaftliche Lage der städtischen Verkehrsbetriebe (Abgänge in den Jahren 1990 und 1991 von 3,9 bzw. 4,2 Milliarden Schilling) ist entgegenzuhalten, daß daraus kein Monopol der mitbeteiligten Partei in der Richtung abgeleitet werden kann, daß jede zusätzliche Linienführung eines anderen Verkehrsunternehmers, die zu irgendwelchen Einnahmenausfällen führt, bereits die Erfüllung der Verkehrsaufgaben der mitbeteiligten Partei im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG zu gefährden geeignet ist. Diese Ausführungen zeigen, daß insoweit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf.

Der angefochtene Bescheid war aber schon wegen der oben angeführten, in Ansehung des Ausschließungsgrundes nach § 4 Abs. 1 Z. 4 KflG unterlaufenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990030241.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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