TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/18 92/12/0207

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Veröffentlicht am 18.11.1992
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Index

19/01 Staatsvertrag von Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
GehG 1956 §20b Abs1;
GehG 1956 §20b Abs6 Z2;
GehG 1956 §20b;
StV 1955 Art7 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des J in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juli 1992, Zl. 132.047/2-II/2/92, betreffend Fahrtkostenzuschuß gemäß § 20b Abs. 6 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Beschwerdevorbringens und der mit der Beschwerde vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer steht als Oberleutnant der Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion Wien in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Schreiben vom 25. März 1991 suchte der Beschwerdeführer bei seiner Dienstbehörde um die monatliche Zuweisung eines pauschalierten Fahrtkostenzuschusses für seine dem Dienstort zunächstgelegene Wohnung in X an.

Mit Bescheid vom 14. Jänner 1992 wies die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 20b Abs. 6 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 ab.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit dem angefochtenen Bescheid nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend wird nach Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung der angewendeten Bestimmungen im wesentlichen ausgeführt, Gründe die der Beamte im Sinne des § 20b Abs. 6 Z. 2 nicht selbst zu vertreten habe, lägen insbesondere dann vor, wenn ihm die Beschaffung einer Wohnung innerhalb von 20 km außerhalb seines Dienstortes aus wirtschaftlichen, sozialen, familiären oder gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden könne. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müßten diese Gründe von unabweislich zwingend notwendiger Natur sein, um die Begründung eines Wohnsitzes durch den Beamten in einem mehr als 20 km von seinem Dienstort entfernten Ort als von ihm selbst nicht zu vertreten zu qualifizieren. Für die Unanwendbarkeit des Ausschlußtatbestandes genüge es nicht, daß ein Wohnen mehr als 20 km außerhalb des Dienstortes für den Beamten oder seine Familie vorteilhaft oder zweckmäßig sei. Es müßten hiefür vielmehr unabweislich notwendige Gründe vorliegen. Ob dies zutreffe, könne die Behörde im Regelfall nur auf Grund eines entsprechend konkreten Vorbringens des Beamten beurteilen. Unbestritten sei, daß der Wohnsitz des Beschwerdeführers mehr als 20 km vom Dienstort Wien entfernt gelegen sei. Als Grund, der den Beschwerdeführer zur Beibehaltung seines Wohnsitzes bewogen habe, habe er ausgeführt, daß er seit Geburt in dieser gemischtsprachigen (Kroatisch-Deutsch) Gemeinde lebe und seinen Sohn D, geboren 1989, im kroatischen Kulturkreis erziehen möchte. Die Tatsache, daß es der Beschwerdeführer seinem Sohn ermöglichen wolle, in einer kroatischen Gemeinde zu leben und eine zweisprachig geführte Schule zu besuchen, sei zwar zu respektieren, stelle aber keinen zwingenden Grund im Sinne des § 20b Abs. 6 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 dar. Die Beibehaltung des Wohnsitzes möge für den Sohn des Beschwerdeführers zweifellos zweckmäßig und vorteilhaft sein, es gehe jedoch nicht an, den Nachteil des Beschwerdeführers, der in erhöhten Fahrtauslagen bestehe, der den seinem Sohn zugute kommenden Vorteilen gegenüberstehe, im Wege des Fahrtkostenzuschusses auf den Bund zu überwälzen. Dem Einwand des Beschwerdeführers, die von der Dienstbehörde geforderte Verlegung des Wohnsitzes würde eine Verletzung der gesetzlich zugesicherten Minderheitenrechte des Beschwerdeführers bedeuten, hält die belangte Behörde in der Bescheidbegründung entgegen, daß es dem Beschwerdeführer - abgesehen von der hier nicht zur Anwendung kommenden Vorschrift des § 55 Abs. 1 BDG 1979 - unbenommen bleibe, wo er seinen Wohnsitz gründe. Ein monatlicher Fahrtkostenzuschuß gebühre allerdings nur dann, wenn der Beschwerdeführer aus Gründen, die er nicht selbst zu vertreten habe, mehr als 20 km außerhalb seines Dienstortes wohne. Laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1992, Zl. 91/12/0196, müßten diese Gründe unabweislich notwendig, also gleichsam zwingend sein, um nicht des Anspruches auf Fahrtkostenzuschuß verlustig zu gehen. Die vom Beschwerdeführer getroffene Wohnsitzwahl stelle zwar die naheliegendste, zweckmäßigste und vorteilhafteste Lösung seines Wohnproblems dar, doch seien die Gründe, die den Beschwerdeführer zur Beibehaltung seines Wohnsitzes bewogen hätten, nicht als unabweislich zwingend notwendige, sondern als solche zu qualifizieren, die er selbst zu vertreten habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Fahrtkostenzuschuß nach § 20b des Gehaltsgesetzes 1956 sowie in Verfahrensvorschriften verletzt und beantragt Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer ausschließlich, daß die belangte Behörde keine ausdrückliche Feststellung des Sachverhaltes im Sinne seines Vorbringens getroffen habe, wonach ihm eine seiner Volksgruppenzugehörigkeit entsprechende Lebensführung nur in X (oder jedenfalls nicht näher bei Wien) möglich sei, insbesondere unter dem Aspekt einer entsprechenden Erziehung und Bildung seines Sohnes.

Dieser behaupteten Rechtswidrigkeit kann nur dann Bedeutung zukommen, wenn die vom Beschwerdeführer primär behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes vorläge. Dazu bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, der Standpunkt der Behörde führe zu der Konsequenz, daß dem Anliegen eines Minderheitenangehörigen, sein Kind in den entscheidenden Entwicklungsjahren als Teil der ethnischen Gemeinschaft heranwachsen zu lassen und die kulturelle Einbindung durch Kindergarten-, sowie insbesondere Volksschulbesuch mit entsprechender Ausrichtung zu gewährleisten, keine ausreichende Bedeutung beizumessen sei. Diese Betrachtungsweise sei nach Meinung des Beschwerdeführers ausgeschlossen, weil sich Österreich nicht nur deklarativ und nach außen hin (in Erfüllung staatsvertraglicher Verpflichtungen) zum Minderheitenschutz bekenne, sondern dieser und darüber hinaus die Minderheitenförderung in der österreichischen Rechtsordnung klar zum Ausdruck kommende Zielsetzungen darstellen. Es wäre eine sinnwidrige Inkonsequenz, wenn der Staat nur bereit wäre, für gemeinschaftliche Einrichtungen beträchtliche Mittel aufzuwenden, in seinem engsten Bereich - seinen eigenen Dienstnehmern gegenüber - jedoch den im Fahrtkostenzuschuß gelegenen minimalen Beitrag dafür verweigern würde, daß im Einzelfall von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden könne. Nach Art. 7 Z. 2 des Staatsvertrages von Wien habe die kroatische Minderheit im Burgenland Anspruch auf Elementarunterricht in kroatischer Sprache. Das sei keine Bevorzugung gegenüber der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung, da diese gleichfalls das Recht auf Erteilung des Elementarunterrichts an ihre Kinder in deutscher Sprache habe. Der Unterschied liege der Natur der Sache gemäß darin, daß es deutschsprachige Volksschulen über das ganze Land verteilt gäbe, während Volksschulen für die Minderheiten an wenigen Orten konzentriert sein müßten. Daraus ergebe sich ein über den speziellen Minderheitenschutz hinausgehendes gleichheitsrechtliches Argument. Wenn jedes österreichische Kind Anspruch auf adäquaten Volksschulunterricht habe, so könne das für ein kroatisches Kind nur als ein Anspruch auf den Besuch einer kroatischen Volksschule verstanden werden. Speziell für Kinder des Volksschulalters solle hiebei die volle tägliche Einbindung in die Familie gewahrt bleiben. Alle einschlägigen Gesetzesvorschriften stellten das Wohl des Kindes in den Vordergrund (§§ 137, 176 ff ABGB) und dieses sei unzweifelhaft in der vollständigen und intakten Familie am besten gesichert. Hiebei mache es keinen relevanten Unterschied, ob der Lebensgemeinschaft der Eltern rechtlich eine aufrechte Ehe zugrunde liege oder nicht. Es möge zwar eine beträchtliche Zahl von "Pendlern" geben, die ohne Minderheitenangehörige zu sein, aber unter sonst ähnlichen Bedingungen die Wohnsitznahme am Dienstort unterließen. Was den gegenständlichen Fall davon unterscheide, sei deshalb wesentlich, weil aus den vorangeführten Gründen zweifelsfrei festzustellen sei, daß sowohl die Aufrechterhaltung des Familienverbandes - wobei gerade für den Sohn die Leitfigur des Vaters von wesentlicher Bedeutung sei - wie auch der ethnospezifische Volksschulbesuch objektive, das heiße durch die Rechtsordnung geschützte Werte darstellten, deren Ursächlichkeit für eine Wohnsitznahme außerhalb des Dienstortes wegen dieses ihres Charakters nicht im Sinne des § 20b Abs. 6 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 vom Beamten zu vertreten sei.

Dieses Vorbringen kann der Beschwerde, insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nicht zum Erfolg verhelfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung den unbestimmten Gesetzesbegriff "aus Gründen, die er (der Beamte) nicht selbst zu vertreten hat" nur dann als erfüllt gesehen, wenn für das Wohnen in einer 20 km vom Dienstort übersteigenden Entfernung unabweislich notwendige Gründe vorliegen, wie die belangte Behörde zutreffend unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1992, Zl. 91/12/0196, ausgesprochen hat. In diesem Verfahren ist ausschließlich zu klären, ob der Beamte "aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, mehr als 20 km außerhalb seines Dienstortes wohnt" mit der in diesem Fall allein relevanten Konsequenz, daß er bei Bejahung dieser Frage die ihm aus einem solchen Wohnen erwachsenden Fahrtkosten zur Gänze selbst ohne Anspruch auf einen Fahrtkostenzuschuß nach den Bestimmungen des § 20b des Gehaltsgesetzes 1956 zu tragen hat und er sie auch nicht teilweise im Wege des Fahrtkostenzuschusses auf seinen Dienstgeber überwälzen kann. Nicht selbst zu vertreten hat der Beamte ein solches Wohnen aber nur dann, wenn - unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles - hiefür unabweislich notwendige Gründe vorliegen (vgl. auch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1992, Zl. 90/12/0260, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Solche Gründe hat die belangte Behörde aber mit Recht nicht angenommen. Keinesfalls kann nämlich die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Sorgepflicht für sein Kind die unabweisliche Notwendigkeit der Wohnsitznahme begründen. Dies schon deshalb, weil nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers sich das Kind in Pflege und Erziehung der Mutter befindet. Auch wenn der mit der Mutter seines Kindes nicht verheiratete Vater mit dieser eine Lebensgemeinschaft begründet hat, kann dies keine Pflicht des Vaters zur Wohnsitznahme im Sinne des Gesetzes begründen.

Daran vermag auch die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur kroatischen Volksgruppe nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer beruft sich dazu auf die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Z. 2 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. Nr. 152/1955. Danach haben österreichische Staatsangehörige unter anderen der kroatischen Minderheit im Burgenland Anspruch auf Elementarunterricht in kroatischer Sprache.

Dieses Recht ist dem Sohn des Beschwerdeführers gewahrt. Weder der Sohn des Beschwerdeführers noch dieser selbst werden durch die Entscheidung über den Fahrtkostenzuschuß in ihren aus der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe erfließenden Rechten verletzt. Eine Minderheitenförderung durch Gewährung von Fahrtkostenzuschuß, wie sie der Beschwerdeführer anstrebt, ist weder dem Wortlaut noch dem Sinn der anzuwendenden Bestimmung nach geboten.

Da die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit daher nicht erkannt werden konnte, mußte die Beschwerde ohne weiters Verfahren gemäß § 35 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitBeweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992120207.X00

Im RIS seit

16.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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