TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/18 92/03/0177

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Veröffentlicht am 18.11.1992
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Index

L65003 Jagd Wild Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §40 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §100 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §100 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §99 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Leukauf, Dr. Sauberer, Dr. Kremla und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der Jagdgesellschaft S, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Juni 1992, Zl. VI/4-J-258, betreffend Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Gefährdung von Wald (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft W, vertreten durch den Obmann), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die beschwerdeführende Partei als Jagdausübungsberechtigte gemäß § 99 Abs. 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500-8, (JG) zur Errichtung eines 1,5 m hohen Drahtzaunes in rehwilddichter Ausführung auf näher bezeichneten Grundstücksflächen im Gesamtausmaß von 6,75 ha verpflichtet. In der Begründung ging die belangte Behörde aufgrund eines im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens eines jagd- und forstfachlichen Amtssachverständigen davon aus, daß auf den gegenständlichen Waldflächen zufolge Wildverbisses einerseits die Gefahr bestehe, daß Blößen entstünden, und andererseits eine standortgemäße Holzartenmischung gefährdet sei. Damit liege eine Waldgefährdung im Sinne des § 100 Abs. 2 JG vor. Zu deren Abwendung seien rasch effiziente Maßnahmen zu setzen. Mit Maßnahmen gemäß § 100 Abs. 1 JG (Verminderung einer Wildart zum Schutz der durch sie geschädigten oder gefährdeten land- und forstwirtschaftlichen Kulturflächen) könne nicht das Auslangen gefunden werden, vielmehr seien mechanische Schutzmaßnahmen erforderlich. Eine standortgemäße Baumartenzusammensetzung sei nur innerhalb einer Einfriedung möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Auch die mitbeteiligte Partei legte eine Gegenschrift vor, ohne einen Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz zu stellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 1 und 2 JG lauten:

§ 99 Abs. 4:

"Liegt eine Gefährdung von Wald (§ 100 Abs.2) vor und läßt sie sich durch Verminderung einer Wildart (§ 100 Abs. 1) nicht rechtzeitig abwenden, hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Grundbesitzers, der Jagdgenossenschaft, der Bezirksbauernkammer, des Leiters des Forstaufsichtsdienstes oder von Amts wegen nach Anhörung des Bezirksjagdbeirates den Jagdausübungsberechtigten zu verhalten, die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Waldgefährdung vorzukehren."

§ 100:

"(1) Wenn sich in einem Jagdgebiet oder in mehreren aneinandergrenzenden Jagdgebieten die Verminderung einer Wildart zum Schutze der durch sie geschädigten oder gefährdeten land- und forstwirtschaftlichen Kulturen als notwendig herausstellt, hat die Bezirksverwaltungsbehörde diese Verminderung dem Jagdausübungsberechtigten aufzutragen. Der Auftrag kann von Amts wegen oder auf Antrag eines Jagdausübungsberechtigten oder eines Besitzers geschädigter oder gefährdeter Kulturen oder der Jagdgenossenschaft erfolgen. Die Verminderung ist erforderlichenfalls ziffernmäßig festzusetzen und angemessen zu befristen. Sie ist im Bedarfsfall selbst während der Schonzeit und ohne Bedachtnahme auf Altersklassen durchzuführen.

(2) Die Gefährdung von Wald ist durch Maßnahmen nach Abs. 1 oder § 99 Abs. 4 abzuwenden. Eine Gefährdung von Wald liegt vor, wenn die Einwirkungen des Wildes durch Verbiß, Verfegen oder Schälen verursachen, daß auf Waldflächen und Neubewaldungsflächen im Sinne des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 in der Fassung BGBl. Nr. 576/1987,

a)

in den Beständen Blößen entstehen oder auf größerer Fläche die gesunde Bestandsentwicklung unmöglich ist, oder

b)

die Aufforstung oder Naturverjüngung auf aufforstungsbedürftigen Flächen innerhalb der sich aus den forstrechtlichen Bestimmungen ergebenden Frist nicht gesichert ist, oder

c)

die Aufforstung bei Neubewaldungen innerhalb einer nach standortlichen Gegebenheiten angemessenen Frist nicht gesichert ist, oder

d)

Naturverjüngungen in Naturverjüngungsbeständen nicht aufkommen können, oder

e)

eine standortsmäßige Holzartenmischung gefährdet ist.

..."

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die beschwerdeführende Partei geltend, daß ihr nie der Antrag "der Gegenseite" zugestellt worden sei, "sodaß bis heute nicht bekannt ist, wer Antragsteller wirklich ist und welche Anträge im einzelnen gestellt wurden". Mit diesem Vorbringen vermag sie keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil die Vorschreibung von Schutzmaßnahmen nach § 99 Abs. 4 JG nicht bloß auf Antrag, sondern auch von Amts wegen erfolgen kann. Für die Rechtmäßigkeit eines die Vorkehrung derartiger Maßnahmen vorschreibenden Bescheides ist es daher unerheblich, ob dem Verfahren ein Antrag zugrunde liegt, wer gegebenenfalls den Antrag gestellt hat und welchen Inhalt dieser aufweist.

Zu Unrecht wird in der Beschwerde gerügt, daß im Verfahren "keine Verhandlung anberaumt und dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit gegeben (wurde), an den Schadensfeststellungen teilzunehmen oder an der Befundaufnahme, sodaß gar nicht sicher ist, ob überhaupt der Sachverständige II.Instanz an den richtigen Flächen war und es ergaben sich keine Möglichkeiten den Gutachtern Fragen zu stellen, Berechnungen oder Aufklärungen zu verlangen". Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist weder im AVG zwingend vorgeschrieben noch sieht das JG für den Fall der Vorschreibung von Schutzmaßnahmen zur Vermeidung einer Waldgefährdung eine mündliche Verhandlung vor. Es besteht auch keine gesetzliche Verpflichtung, zum Augenschein eines Amtssachverständigen die Parteien beizuziehen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 379, zitierte Judikatur). Auch ein Fragerecht der Parteien an den Sachverständigen ist im AVG nicht vorgesehen. Zur Annahme, daß der dem Berufungsverfahren beigezogene Amtssachverständige nicht "an den richtigen Flächen" gewesen sein könnte, besteht nach der Aktenlage nicht der geringste Anhaltspunkt.

Die das Vorliegen einer Befangenheit des in erster Instanz beigezogenen Amtssachverständigen betreffenden Beschwerdeausführungen gehen ins Leere, weil den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nicht das Gutachten dieses Sachverständigen zugrunde liegt.

Auch das weitere Vorbringen, wonach die beschwerdeführende Partei im Jahr 1988 mit der mitbeteiligten Partei "einen Vergleich schloß, nach welchem diese verschiedene hohe Beträge für Wildschäden und für Maßnahmen zur Hintanhaltung zukünftiger Wildschäden am 15.9.1989 bezahlte und diese Beträge selbstverständlich im gegenständlichen Verfahren hätten einbezogen werden müssen", ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, fehlt doch jede Rechtsgrundlage, um die von der beschwerdeführenden Partei behaupteten Zahlungen bei der Vorschreibung notwendiger Schutzmaßnahmen zur Vermeidung einer Waldgefährdung nach § 99 Abs. 4 JG berücksichtigen zu können.

Ob die beschwerdeführende Partei, wie sie weiter vorbringt, von der Behörde bei der Wildreduktion "behindert" werde, weil über ihre Anträge auf erhöhten Wildabschuß noch nicht entschieden worden sei, ist gleichfalls unerheblich, weil die vorliegende Gefährdung von Wald nach dem schlüssigen Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen nicht durch eine Reduzierung des Wildstandes, sondern nur durch die vorgeschriebene Einzäunung abgewendet werden kann. Dies ist der beschwerdeführenden Partei auch entgegenzuhalten, wenn sie bemängelt, daß nicht auch andere Jagdgesellschaften im Sinne des § 100 Abs. 1 JG in das Verfahren einbezogen worden seien.

Inwieweit das dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Amtssachverständigengutachten "unüberprüfbar" sein soll, führt die beschwerdeführende Partei nicht weiter aus und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar. Nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei liege es auf der Hand, "daß zumindest bei den Schlagflächen des Winters 1991 nicht in der Zeit vom Antrieb der abgesägten Maißholzbestände, also vom April oder Mai bis zur Antragstellung Anfang bzw. Mitte Juli desselben Jahres, also in einer Zeitspanne von zirka zwei bis drei Monaten eine durch Wildverbiß entstandene Gefährdung des Waldes entstehen kann". Mit diesen Ausführungen kann die Annahme einer Gefährdung des Waldes schon deshalb nicht entkräftet werden, weil dabei übersehen wird, daß die für die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid maßgebende Befundaufnahme des Amtssachverständigen am 15. April 1992 erfolgt ist.

Wenn die beschwerdeführende Partei schließlich ins Treffen führt, daß sie den Auftrag zur Einzäunung "weder durch Abschuß noch durch andere Maßnahmen verhindern kann" und einen Aufwand für den "Umstand" zu tätigen habe, "der praktisch außerhalb ihres Einflußbereiches liegt und welche Aufträge sie durch keine Handlungen abwenden kann", so vermag sie der Beschwerde gleichfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen, setzt doch die Vorschreibung der notwendigen Schutzmaßnahmen nach § 99 Abs. 4 JG voraus, daß sich die Gefährdung von Wald durch Verminderung einer Wildart (§ 100 Abs. 1) nicht rechtzeitig abwenden läßt.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992030177.X00

Im RIS seit

18.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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