Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des F in B, CH, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 27. April 1992, Zl. Ib-540-3/91, betreffend Übertretung des Luftfahrtgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft (BH) erließ gegen den Beschwerdeführer das Straferkenntnis vom 24. April 1991, dessen Spruch (Spruchteile gemäß § 44 a Z. 1 und 2 VStG) wie folgt lautete:
"Sie haben als verantwortlicher Pilot des Flugzeuges, Kennzeichen NN-NNN am 22. 4. 1990 gegen 17.30 Uhr das mit 1.000 m Höhe über dem Meeresspiegel begrenzten Flugbeschränkungsgebiet "Rheindelta" in Höchst, Höhe Haus P, aus Süden kommend durchflogen, indem Sie einen Vollkreis in Richtung Osten flogen und in weiterer Folge über dem Alten Rhein auf den Meldepunkt "Sierra 2" zuflogen, obwohl der Durchflug durch das Flugbeschränkungsgebiet Rheindelta nur zum Zwecke des Abfluges und der Landung auf dem Flugfeld Altenrhein zulässig ist, der im Flugbeschränkungsgebiet geflogene Vollkreis aber nicht Teil des festgelegten Sichtanflugverfahrens war.
Dadurch übertretene Verwaltungsvorschrift, verhängte Strafe und entstandene Verfahrenskosten:
Übertretung gemäß § 146/1 LG / Anh. F Pkt. 1/1/3 u. 2/3 sow. Pkt. 5 Abs. 1 Luftverkehrsr."
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde gemäß § 146 Abs. 1 Luftfahrtgesetz über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom 27. April 1992 wie folgt:
"Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 nur insoweit Folge gegeben, als die verhängte Strafe von S 10.000,-- auf S 8.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 10 auf 8 Tage herabgesetzt werden."
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe das Fliegen eines Vollkreises im angeführten Flugbeschränkungsgebiet unterhalb einer Höhe von 1.000 m über dem Meeresspiegel nicht bestritten, sich aber dahingehend verantwortet, daß er infolge des Landeanfluges eines zweimotorigen Flugzeuges, dem der Tower des Flugplatzes Altenrhein als Nummer 1 die Landegenehmigung erteilt habe, seinen Landeanflug zur Vermeidung einer Kollision mit der zweimotorigen Maschine durch das Einlegen eines - vom Kontrollor des angeführten Flugplatzes angeordneten - Vollkreises verzögern habe müssen. Die für die Ausführung eines Vollkreises benötigte Zeit betrage etwa zwei Minuten, was der Zeitdifferenz der tatsächlichen Landung des Beschwerdeführers gegenüber der Landung des zweimotorigen Flugzeuges entspreche. Wegen des ansonsten unvermeidlichen Zusammenstoßes mit dem anderen Flugzeug sei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, in das Flugbeschränkungsgebiet einzufliegen. Gegenüber dieser Darstellung habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß der zu dem Vorfall befragte Flugplatzleiter die Anordnung eines Sicherheitskreises zwar nicht als unmöglich, aber infolge der im Tatzeitpunkt gegebenen Situation als sehr unwahrscheinlich bezeichnet habe. Durch die sohin unnötige und in zu geringer Höhe erfolgende Flugbewegung im Flugbeschränkungsgebiet seien sowohl Interessen des Naturschutzes und des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm als auch das Interesse der Flugsicherheit verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht gemäß den angeführten Gesetzesbestimmungen bestraft zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Luftfahrtgesetz 1957 (LFG), in der Fassung BGBl. Nr. 283/75, können für allseits umgrenzte Lufträume hinsichtlich des Durchfluges von Luftfahrzeugen dauernd oder für bestimmte Zeiträume folgende Beschränkungen bekanntgegeben werden (Luftraumbeschränkungsgebiete):
........
b) die Anordnung, daß der Durchflug nur mit bestimmten
Einschränkungen zulässig ist (Flugbeschränkungsgebiete),
.........
Gemäß Anhang F Pkt. 5 Abs. 1 der Luftverkehrsregeln 1967 (LVR), in der Fassung BGBl. Nr. 78/1987, ist der Durchflug durch das Flugbeschränkungsgebiet Rheindelta nur zulässig
a)
bei Einsatzflügen (§ 145 des Luftfahrtgesetzes) oder
b)
mit österreichischen Luftfahrzeugen, die zu militärischen Zwecken eingesetzt sind, oder
c)
zum Zwecke des Abfluges und der Landung auf dem Flugfeld Altenrhein, jedoch nicht für Platzrunden zu Schulungszwecken oder
d)
mit Bewilligung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt.
Im Beschwerdefall ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten klargestellt, daß der Beschwerdeführer unmittelbar nach Ausführung des Vollkreises im angeführten Flugbeschränkungsgebiet tatsächlich auf dem auf Schweizer Hoheitsgebiet situierten Flugplatz Altenrhein gelandet ist. Weiters kann den Akten entnommen werden, daß unmittelbar vor der um 15.30 Uhr erfolgten Landung des Beschwerdeführers zwei andere Flugzeuge um 15.27 Uhr und um 15.28 Uhr auf diesem Flugplatz gelandet sind. Bei dieser Sachlage kann aber die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe sich, um eine Kollision mit dem in der Folge um 15.28 Uhr gelandeten zweimotorigen Flugzeug zu vermeiden, veranlaßt gesehen, vor der Landung noch einen Vollkreis zu fliegen, dessen Dauer nach seinen, von der belangten Behörde nicht widerlegten Angaben zwei Minuten betragen habe, nicht von vornherein als unschlüssig bzw. als bloße Schutzbehauptung gewertet werden. Vielmehr geht aus den Angaben des im Rechtshilfeweg schriftlich einvernommenen, am 22. April 1990 als verantwortlicher Verkehrsleiter des Flugplatzes Altenrhein fungierenden P. T. hervor, daß er es nicht als ausgeschlossen, allerdings als sehr unwahrscheinlich bezeichnet hat, dem Beschwerdeführer die Anweisung zur Ausführung eines Vollkreises gegeben zu haben. Des weiteren hat es dieser Zeuge dahingestellt sein lassen, ob sich der Beschwerdeführer auf Grund der anzunehmenden Mitverfolgung des Funkverkehrs zwischen dem zweimotorigen Flugzeug und dem Flugplatz in eigener Kompetenz für das Fliegen eines Sicherheitskreises entschieden hat, wozu er, wären ihm die Staffelungskriterien des Verkehrsleiters als "zu eng" erschienen, nach Ansicht des Zeugen berechtigt gewesen wäre.
Die belangte Behörde hat sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen auf die Aussagen des Verkehrsleiters gestützt, in denen dieser die tatsächliche Landezeit des Beschwerdeführers mit denen der unmittelbar vorher gelandeten Flugzeuge verglichen hat. Im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer unmittelbar vor der Landung ausgeführten Vollkreis hätte die belangte Behörde bei Prüfung der Frage, ob die Durchführung dieses Manövers zur Vermeidung einer Kollision mit dem vorrangig im Landeanflug befindlichen zweimotorigen Flugzeug erforderlich war, nicht allein von den Landezeiten ausgehen dürfen. Vielmehr wäre die belangte Behörde mit Rücksicht darauf, daß der zeitliche Zwischenraum zwischen der Landung des zweimotorigen Flugzeuges und dem des Beschwerdeführers zumindest zum Teil auf den vom Beschwerdeführer ausgeführten Vollkreis zurückzuführen ist, gehalten gewesen - allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen für luftfahrttechnische Belange - zu prüfen, ob und inwieweit ohne Ausführung des Vollkreises auf Grund der dann anzunehmenden wesentlich kleineren Zeitdifferenz zwischen den Landungszeiten der beiden Flugzeuge aus der Sicht des Beschwerdeführers die Gefahr einer Kollision mit dem vor ihm landeberechtigten Flugzeug bestanden hätte. Eine solche zu vermeiden wäre der Beschwerdeführer als verantwortlicher Pilot gemäß den §§ 11 bis 16 LVR jedenfalls verpflichtet gewesen, sodaß diesfalls - unabhängig von der Frage, ob der Beschwerdeführer vom Flugverkehrsleiter des Flugplatzes Altenrhein zur Ausführung des Vollkreises angewiesen worden ist - das Vorliegen eines strafbefreienden Notstandes im Sinne des § 6 VStG in Betracht käme.
Im übrigen ist, soweit dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde, der von ihm im angeführten Flugbeschränkungsgebiet geflogene Vollkreis sei "nicht Teil des festgelegten Sichtanflugverfahrens" gewesen, festzuhalten, daß weder dem angefochtenen Bescheid noch den ihm zugrundegelegten Gesetzesbestimmungen zu entnehmen ist, ob und bejahendenfalls welches Anflugverfahren für den Anflug auf den Flugplatz Altenrhein festgelegt ist.
Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil einerseits ein Ersatz von Stempelgebühren für Beilagen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich sind, nicht gewährt werden kann und andererseits das Mehrbegehren offensichtlich zum Teil auf einem Rechenfehler beruht.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992030142.X00Im RIS seit
23.11.2001Zuletzt aktualisiert am
23.10.2015