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10 VerfassungsrechtLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung des §105a ASVG über den Hilflosenzuschuß mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Beschreitung des ordentlichen RechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Antragstellerin bezieht den Antragsausführungen zufolge seit 1. Dezember 1987 eine Berufsunfähigkeitspension gemäß §222 Abs1 Z2 litb ASVG sowie (dazu) nach §105a ASVG einen Hilfslosenzuschuß in dem in dieser Bestimmung vorgesehenen Höchstausmaß.
Die Antragstellerin begehrt - gestützt auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG -, §105a Abs2 ASVG idF der 32. ASVG-Novelle, BGBl. 704/1976, (zur Gänze, in eventu seine ersten fünf, in eventu seine ersten vier, in eventu seine ersten drei Sätze) als verfassungswidrig aufzuheben und legt ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung im einzelnen dar.
2. Die angefochtene Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
"Hilflosenzuschuß.
§105 a.
. . .
(2) Der Hilflosenzuschuß gebührt für Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung im halben Ausmaß der Pension, jedoch mindestens 1 231 S und höchstens 2 061 S; an die Stelle des Betrages von 1 231 S tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres der unter Bedachtnahme auf §108 i mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor (§108 f) vervielfachte Betrag. Der auf diese Weise für das Jahr 1978 ermittelte Betrag erhöht sich zum 1. Jänner 1978 um den Betrag von 200 S; der Vervielfachung ab 1. Jänner 1979 ist dieser erhöhte Betrag zugrundezulegen. An die Stelle des Betrages von 2 061 S tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres der unter Bedachtnahme auf §108 i mit dem um 0,5 erhöhten halben Anpassungsfaktor (§108 f) vervielfachte Betrag. Beziehern einer Vollrente aus der Unfallversicherung gebührt der Hilflosenzuschuß im Ausmaß der halben monatlichen Vollrente (§182 a), höchstens jedoch im Ausmaß des doppelten jeweiligen Höchstbetrages für den Hilflosenzuschuß zu Leistungen aus der Pensionsversicherung. Gebühren neben dem Hilflosenzuschuß aus der Unfallversicherung kein Hilflosenzuschuß aus der Pensionsversicherung und keine sonstigen Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (§292 Abs4 litd), ist der Hilflosenzuschuß mindestens im Ausmaß des jeweiligen Mindestbetrages für den Hilflosenzuschuß zu Leistungen aus der Pensionsversicherung zu gewähren. Bei Bemessung des Hilflosenzuschusses bleiben Kinderzuschüsse, der Leistungszuschlag (§284 Abs6) und die Zusatzrente für Schwerversehrte (§205 a) außer Betracht."
3. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führt die Antragstellerin aus, sie sei durch die angefochtene Bestimmung unmittelbar in ihren Rechten betroffen, da der ihr nach dieser Vorschrift gebührende Hilflosenzuschuß nur einen Bruchteil der ihr aus ihrer Hilflosigkeit erwachsenden Kosten decke.
Da sie den Hilflosenzuschuß bereits im höchstzulässigen Ausmaß beziehe, könne ihr die Stellung eines Antrages auf Gewährung eines - im Gesetz nicht vorgesehenen - höheren Betrages nicht zugemutet werden; ihr stehe daher kein zumutbarer anderer Rechtsweg zur Verfügung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985).
2. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist hier ein solcher Weg gegeben.
Gemäß §65 Abs1 Z1 iVm §67 Abs1 ASGG ist zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten (ua.) über den Umfang eines Anspruches auf Hilflosenzuschuß nach §105a ASVG (worüber zunächst gemäß §367 Abs1 letzter Satz ASVG mit Bescheid des zuständigen Sozialversicherungsträgers abzusprechen ist) das nach Maßgabe der §§3 und 7 ASGG sachlich und örtlich zuständige ordentliche Gericht berufen. Der Rechtszug gegen Entscheidungen dieses Gerichtes führt gemäß den §§44 ff. ASGG (mit den in §46 Abs1 dieses Gesetzes (idF des Gesetzes BGBl. 343/1989) festgelegten Einschränkungen) bis zum Obersten Gerichtshof.
Damit ist aber der Weg vorgezeichnet, den die Antragstellerin von Verfassungs wegen zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmung zu beschreiten hat. Es ist nämlich nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes grundsätzlich (vgl. zB VfSlg. 8979/1980, 9394/1982, 9685/1983, 9926/1984, 10445/1985, 10785/1986; VfGH 24.6.1988 G247/87) und - weil hier erkennbar mit keiner außerordentlichen Härte verbunden - auch im Fall der Antragstellerin zumutbar, in einem gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle gesetzliche Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen. Wollte man wegen des Prozeßrisikos und der damit verbundenen Kostenfolgen grundsätzlich davon ausgehen, daß die Beschreitung des Gerichtsweges unzumutbar sei, so verlöre die in Art140 Abs1 letzter Satz B-VG enthaltene Einschränkung "sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung . . . für diese Person wirksam geworden ist" ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (vgl. dazu die eben zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes; s. außerdem etwa VfGH 28.11.1988 G135/88).
Daß ein - für die Antragstellerin - positiver Ausgang des oben erwähnten Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten die Aufhebung der angefochtenen Gesetzesstelle als verfassungswidrig - und zwar im Zuge eines vom Rechtsmittelgericht beim Verfassungsgerichtshof zu initiierenden Normenkontrollverfahrens - jedenfalls zur Voraussetzung hätte, ist keine Besonderheit dieser Rechtssache, sondern die Folge der gegebenen Verfassungsrechtslage, die (Individual-)Anträge gleichsam nur als letzten Ausweg zuläßt (VfSlg. 8187/1977, 9170/1981, 9285/1981, 9394/1982, 10251/1984). Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es dabei auch nicht auf die Erfolgschancen der der Antragstellerin zu Gebote stehenden Möglichkeit der Beschreitung des Gerichtsweges, sondern bloß darauf an, daß sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10592/1985; VfGH 28.11.1988 G135/88).
3. Der Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Sozialversicherung, HilflosenzuschußEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:G104.1990Dokumentnummer
JFT_10099388_90G00104_00