TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/24 92/08/0174

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §14 Abs1;
AlVG 1977 §14 Abs4 litd;
AlVG 1977 §14 Abs6;
AlVG 1977 §17 Abs2;
ASVG §11 Abs1;
ASVG §11 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
B-VG Art131;
B-VG Art132;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 21. Juni 1992, Zl. IVb/7022/7100 B, VSNr. 920/1662 110633, betreffend Gewährung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers als Arbeiter (entsprechend einer kollektivvertraglichen Regelung, die eine Lösung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitern nur zum Monatsletzten vorsieht) mit 31. Jänner 1992, einem Freitag, beendet wurde. Am darauffolgenden Montag, dem 3. Februar 1992, beantragte der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 8. April 1992 sprach das Arbeitsamt aus, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 4 lit. d und § 17 Abs. 1 und 2 AlVG ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erst ab dem 3. Februar 1992 (dem Tag der Geltendmachung) zustehe. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Darin wird - wie schon im Verwaltungsverfahren - geltend gemacht, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 2 AlVG das Arbeitslosengeld bereits ab (Samstag) dem 1. Februar 1992 zustehe.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 AlVG gebührt der Anspruch auf Arbeitslosengeld (sofern sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind) ab dem Tag der Geltendmachung.

§ 17 Abs. 2 AlVG bestimmt:

"Waren jedoch die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag erfüllt und hat der Anspruch während dieses Samstages, Sonntages oder gesetzlichen Feiertages gemäß § 16 nicht geruht, so gebührt das Arbeitslosengeld rückwirkend ab dem betreffenden Samstag, Sonntag bzw. gesetzlichen Feiertag, sofern der Arbeitslose seinen Anspruch am darauffolgenden Werktag geltend gemacht hat."

Dem auf diese Bestimmung gestützten Begehren des Beschwerdeführers hält die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid und in der vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Gegenschrift entgegen, daß gemäß § 14 Abs. 4 lit. d AlVG auf die Anwartschaft (also auf jenes Ausmaß von arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten, welches bei der Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes gemäß § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG erfüllt sein muß) bei Dienstverhältnissen von Arbeitern, die mindestens eine volle Woche gedauert haben und an einem Freitag oder Samstag enden, der darauffolgende Samstag und Sonntag oder darauffolgende Sonntag anzurechnen sei.

Mit Erlaß des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 2. August 1991, Zl. 37.003/49-36/91, sei festgelegt worden, daß - ausgehend vom Grundsatz, wonach Zeiten, die auf die Anwartschaft anzurechnen seien, nicht gleichzeitig Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld sein können - für Tage, die gemäß § 14 Abs. 4 lit. d AlVG auf die Anwartschaft angerechnet würden, die Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 17 Abs. 2 AlVG nicht möglich sei.

Es wird von keiner Seite in Zweifel gezogen, daß der Beschwerdeführer am 1. Februar 1992 alle Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld (insbesondere Arbeitslosigkeit und eine ausreichende Anwartschaft) erfüllt hat. Ruhensgründe im Sinne des § 16 AlVG sind ebenfalls weder behauptet worden noch erkennbar.

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. 11600/A, ausgesprochen hat, tritt Arbeitslosigkeit mit Beendigung des (als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierenden) Arbeitsverhältnisses, an das die Arbeitslosenversicherung anknüpfte, ein, und zwar ungeachtet einer allfälligen Fortdauer der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung gemäß § 11 Abs. 1 oder 2 ASVG (vgl. auch das Erkenntnis vom 24. Jänner 1985, Zl. 83/08/0033). Der Beschwerdeführer wurde daher arbeitslos mit Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne, das heißt mit Ablauf des 31. Jänner 1992.

Damit stand dem Beschwerdeführer aber gemäß § 17 Abs. 2 AlVG das Arbeitslosengeld (im Hinblick auf dessen Geltendmachung am darauffolgenden Werktag) rückwirkend ab Samstag, dem 1. Februar 1992, zu.

Einen Rechtssatz des Inhaltes, daß Zeiten, die auf die Anwartschaft für das Arbeitslosengeld im Sinne des § 14 Abs. 4 lit. d AlVG anzurechnen sind, einem für diese Zeiten bestehenden Leistungsanspruch im Sinne des § 17 Abs. 2 AlVG entgegenstünden, vermag der Verwaltungsgerichtshof hingegen dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht zu entnehmen. Aus dem Zusammenhalt der Vorschriften des § 14 Abs. 1 und 6 AlVG (wonach Anwartschaftszeiten bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal berücksichtigt werden dürfen) sowie § 17 Abs. 2 AlVG läßt sich zwanglos folgern, daß in den Fällen des § 17 Abs. 2 AlVG nicht nur der Leistungsbeginn vorverlegt wird, sondern der betreffende Samstag und Sonntag (bzw. gesetzliche Feiertag), soweit er gemäß § 14 Abs. 4 lit. d AlVG auch auf die Anwartschaft anzurechnen ist, nicht für DIESE Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes heranzuziehen sind, sondern erst für die nächste Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes, mit anderen Worten, daß nur jene Anwartschaften bei einem rückwirkenden Leistungsbeginn gemäß § 17 Abs. 2 AlVG im Sinne des § 14 Abs. 6 AlVG "verbraucht" werden, die vor dem Tag des Leistungsbeginnes liegen. Es kann somit auch nicht der Fall eintreten, daß die Anwartschaft auf das Arbeitslosengeld während der ersten beiden (oder der ersten drei) Tage des Leistungsbezuges erst erfüllt wird. Nur ein solcher Wertungswiderspruch des Ergebnisses könnte aber allenfalls an dem aus dem klaren Wortlaut des § 17 Abs. 2 AlVG gewonnenen Interpretationsergebnis etwas ändern.

Soweit sich die belangte Behörde auf einen Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 2. August 1991, Zl. 37.003/49-3b/91, beruft, von dem sie in ihrer Gegenschrift selbst einräumt, daß er nicht allgemein kundgemacht wurde, kann offenbleiben, ob das von der belangten Behörde aus diesem Erlaß abgeleitete Auslegungsergebnis tatsächlich zwingend ist oder ob dieser Erlaß (GESETZESKONFORM ausgelegt) nicht (ohnehin) so zu verstehen ist, daß damit - im Sinne des zuletzt Gesagten - nur die Erfüllung der Anwartschaft während des Leistungsbezuges verhindert werden soll: dieser Erlaß ist als Verwaltungsverordnung nämlich keine für den Verwaltungsgerichtshof verbindliche Rechtsquelle (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 1977, Slg. Nr. 9283/A, uva.).

Aus den erwähnten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992080174.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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