TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/24 92/04/0163

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §47;
AVG §63 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZPO §292 Abs1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §13 Abs3;
ZustG §16 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde 1. des J A und 2. der F-GmbH., beide in X, beide vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. Mai 1992, Zl. 04-15 Fu 1-1991/10, betreffend Zurückweisung einer Berufung (Maßnahme gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973), zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers insoweit, als die Berufung des Erstbeschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

2. Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin insoweit, als die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin als verspätet zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 13. April 1992 weist folgende Gegenstandsbezeichnung auf:

"Betr.: A J,

X 73;

Asphaltmischanlage auf Gst. Nr. 1297

KG X;

Schließung der Asphaltmischanlage gem. § 360 Abs. 2 GewO."

Der Spruch lautet wie folgt:

"Gemäß § 360 Abs. 2 GewO wird die auf Gst. Nr. 1297 KG X befindliche Asphaltmischanlage mit sofortiger Wirsamkeit geschlossen.

Gemäß § 360 Abs. 2 GewO wird ferner verfügt:

Sämtliche im Betriebsbereich lagernden Filterstäube sind

auf eine der 3 nachstehend angeführten Varianten zu deponieren

oder zu beseitigen: ..."

Am Ende des Bescheides heißt es:

"Ergeht an:

1. Herrn J A, X 73; ..."

(Die weiteren Positionen bezeichnen weder den Erstbeschwerdeführer noch die Zweitbeschwerdeführerin).

Der Rückschein mit der Adresse J A, X 73, weist den Poststempel des Postamtes Hartberg vom 14. April 1992 auf. Die mit 15. April 1992 datierte Übernahmsbestätigung wurde von A T unterschrieben, der Beurkundung durch den Zusteller ist der Poststempel des Postamtes X vom 15. April 1992 beigesetzt.

Gegen den Bescheid vom 13. April 1992 erhoben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. Mai 1992 wurden die Berufungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin als verspätet zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, laut dem im Akt erliegenden Rückschein sei der Bescheid dem Erstbeschwerdeführer, der auch gewerberechtlicher Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführerin sei, nachweislich am 15. April 1992 zugestellt worden. Der erstbehördliche Bescheid enthalte in der Rechtsmittelbelehrung die richtige Ausführung, daß die Berufungsfrist zwei Wochen betrage. Laut dem im Akt erliegenden Rückschein habe der Erstbeschwerdeführer den Bescheid am Mittwoch, dem 15. April 1992, zugestellt erhalten, das bedeute, daß eine Berufung spätestens am Mittwoch, dem 29. April 1992, zur Post gegeben hätte werden müssen. Tatsächlich sei die Aufgabe der Berufung jedoch erst um einen Tag später, nämlich am 30. April 1992, erfolgt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin erachten sich in dem Recht auf Unterbleiben des Ausspruches über die Zurückweisung der von ihnen erhobenen Berufung wegen Verspätung verletzt. Sie tragen in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, daß sich die belangte Behörde mit der Frage der Rechtzeitigkeit der erhobenen Berufung nicht in dem Maß beschäftigt bzw. auseinandergesetzt habe, zu welchem sie verpflichtet gewesen wäre. Bereits aus den Poststempeln auf dem Rückschein lasse sich ableiten, daß das Datum der Übernahmsbestätigung irrtümlich angebracht worden sei, zumal es höchst unwahrscheinlich sei, daß eine Postsendung, die im Postamt X am 15. April 1992 einlange, noch am selben Tag zugestellt werde (keine Eilsendung). Wie aus den beiliegenden eidesstattlichen Erklärungen ersichtlich, sei die Zustellung tatsächlich am 16. April 1992 erfolgt, weshalb die von den Beschwerdeführern erhobene Berufung rechtzeitig eingebracht worden sei. In diesem Zusammenhang werde auch gerügt, daß das Parteiengehör im Berufungsverfahren nicht ordnungsgemäß gewahrt worden sei. Hätte die belangte Behörde den Umstand der Zustellungen überprüft und die Beschwerdeführer zur diesbezüglichen Stellungnahme aufgefordert, hätte der oben geschilderte Sachverhalt aufgeklärt und das Verfahren fortgesetzt werden können bzw. müssen. Im in Beschwerde gezogenen Bescheid scheine als Adressat der Erstbeschwerdeführer auf. Der Erstbeschwerdeführer sei aber nicht der Betreiber der Anlage, es sei aktenkundig, daß dies die Zweitbeschwerdeführerin sei. Der Erstbeschwerdeführer könne keine Parteistellung im gegenständlichen Verfahren genießen, was sowohl der Erstbehörde, als auch der belangten Behörde allein aus dem Akteninhalt hätte bekannt gewesen sein müssen. Der angefochtene Bescheid könne daher gegen den Erstbeschwerdeführer keine Rechtswirkungen entfalten, wiewohl im Spruch auch die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin zurückgewiesen worden sei. Da im erstbehördlichen Bescheid nur der Erstbeschwerdeführer als Bescheidadressat (und auch im Spruch nur dieser) genannt sei, könne die belangte Behörde keine Rechtswirkungen erzeugende Handlung gegen die Zweitbeschwerdeführerin setzen.

Nach § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen ... einzubringen, ... Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündigung mit dieser.

Im Grunde des § 47 AVG ist die Beweiskraft von öffentlichen und Privaturkunden von der Behörde nach den Vorschriften der §§ 292 bis 294, 296, 310 und 311 ZPO zu beurteilen.

Zufolge § 292 Abs. 1 ZPO begründen öffentliche Urkunden - dem § 22 des Zustellgesetzes entsprechende Zustellnachweise stellen öffentliche Urkunden im Sinne des § 292 Abs. 1 ZPO dar - vollen Beweis dessen, was darin u.a. von der Urkundsperson bezeugt wird. Im Grunde des § 292 Abs. 2 ZPO ist der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig.

Soll ein Schriftstück durch Organe der Post zugestellt werden, so ist es gemäß § 5 Abs. 1 des Zustellgesetzes der Post als Sendung mit abtrennbarem Rückschein zu übergeben. Auf der Sendung ist u.a. der Empfänger anzugeben.

Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist die Sendung zufolge § 13 Abs. 3 des Zustellgesetzes einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

Im Grunde des § 47 AVG in Verbindung mit § 292 Abs. 1 ZPO durfte die belangte Behörde zunächst davon ausgehen, daß die sich auf den erstbehördlichen Bescheid beziehende Ersatzzustellung am 15. April 1992 vorgenommen worden sei. Andererseits enthält die mit 30. April 1992 datierte und erst an diesem Tag zur Post gegebene Berufung allerdings die Erklärung, sie werde "innerhalb offener Frist" erhoben. Die belangte Behörde hätte daher in Ansehung der den Lauf der Berufungsfrist betreffenden Tatsachen dem Erstbeschwerdeführer durch Einräumung des Parteiengehörs Gelegenheit zur Erbringung eines allfälligen Gegenbeweises im Sinne des § 47 AVG in Verbindung mit § 292 Abs. 1 ZPO geben müssen. Es kann nach dem - auf die Durchführung von Personalbeweisen im Sinne der beigebrachten eidesstattlichen Erklärungen abgestellten - Beschwerdevorbringen nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der Verwaltungsvorschrift des § 37 AVG über den Zweck des Ermittlungsverfahrens, nämlich u.a. den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Es verdient im gegebenen Zusammenhang festgehalten zu werden, daß es dem Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Verfahren nämlich einem Bescheidprüfungsverfahren, verwehrt ist, auf die nachträglich erzielten Ergebnisse des über den Wiedereinsetzungsantrag durchgeführten Ermittlungsverfahrens Bedacht zu nehmen.

Auf Grund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war der angefochtene Bescheid daher insoweit, als die Berufung des Erstbeschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der erstbehördliche Bescheid war, wie sich sowohl aus der Gegenstandsbezeichnung als auch aus dem Verteiler ergibt, für den Erstbeschwerdeführer als natürliche Person bestimmt. Die laut Rückschein beurkundete Ersatzzustellung erfolgte nur mit Wirkung für den Erstbeschwerdeführer. Die Zweitbeschwerdeführerin war von dieser Ersatzzustellung nicht betroffen. Mit dieser Ersatzzustellung begann für die Zweitbeschwerdeführerin daher auch nicht die Berufungsfrist im Sinne des § 63 Abs. 5 AVG zu laufen. Gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin durfte somit auch nicht die Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung ausgesprochen werden. Auf Grund der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war der angefochtene Bescheid daher insoweit, als die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin als verspätet zurückgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nichterforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Rechtsmittelverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040163.X00

Im RIS seit

24.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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