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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §129 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der X Versicherung AG in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 2. Juni 1992, Zl. MD-VfR-B III-15/92, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde
für Wien vom 2. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführerin als
Eigentümerin des Hauses und der Liegenschaft EZ 2509 des
Grundbuches über die Katastralgemeinde X, u.a. unter Berufung
auf § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien der Auftrag
erteilt, "in den im Tiefparterre befindlichen Wohnungen die in
der Begründung angeführten Mauerteile an den Mittelmauern,
Außenmauern, Feuermauer sowie an den Scheidemauern, im linken
straßenseitigen Zimmer der Wohnung Tür Nr. 1 und in den beiden
straßenseitigen Zimmern und im Wohnungsgang der Wohnung Tür
Nr. 2 in wirksamer Weise trocken legen zu lassen ... Die
Maßnahmen ... sind binnen 6 Monaten nach Rechtskraft dieses
Bescheides in Angriff zu nehmen und sodann ohne unnötige Unterbrechung zu beenden."
Die Berufungsbehörde wies in der Begründung ihres Bescheides darauf hin, daß die Feststellungen hinsichtlich der bestehenden Durchfeuchtungen in den genannten Wohnungen und die daraus folgende Gesundheitsschädlichkeit nicht bestritten worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß als Baugebrechen, dessen Beseitigung dem Hauseigentümer aufgetragen werden könne, auch eine gesundheitsschädliche Wanddurchfeuchtung anzusehen sei. Die technische Unmöglichkeit einer Trockenlegung sei nicht behauptet, sondern lediglich darauf hingewiesen worden, daß ein offensichtlich großer technischer Aufwand, verbunden mit einem hohen Kostenaufwand, notwendig sei, der von vornherein die wirtschaftliche Zumutbarkeit ausschließen würde. Die Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit habe aber entfallen können, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur in Schutzzonen ein Rechtsanspruch auf die Erlassung eines Abtragungsauftrages bestehe, wenn ein Instandsetzungsauftrag wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Bei nicht in Schutzzonen gelegenen Gebäuden sei eine wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht zu prüfen. Über eine allfällige Umwidmung der in Rede stehenden Räumlichkeiten habe die Baubehörde erster Instanz zu entscheiden.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen und dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüber hinaus die Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten.
Zufolge Abs. 4 dieser Gesetzesstelle hat die Behörde nötigenfalls den Eigentümer (Miteigentümer) zur Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist zu verhalten; sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen und ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an. Die Räumung oder der Abbruch von Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen ist anzuordnen, wenn die Instandsetzung der Baulichkeit einer Substanzveränderung mindestens der Hälfte der vorhandenen Bausubstanz der Baulichkeit gleichkäme; eine solche Substanzveränderung ist jedenfalls dann gegeben, wenn mindestens die Hälfte der wesentlichen raumbildenden Elemente durch neue Bauteile ersetzt werden müßte. Die Räumung oder der Abbruch von Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen ist weiters auch dann anzuordnen, wenn durch die Art, die Vielfalt und das Ausmaß der bestehenden Baugebrechen sich das Gebäude, die Gebäudeteile oder die baulichen Anlagen in einem solchen gefährlichen Bauzustand befinden, daß die Sicherheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes bedroht ist und auch durch einfache Sicherungsmaßnahmen auf längere Zeit nicht hergestellt und gewährleistet werden kann.
Die Beschwerdeführerin bekämpft den ihr erteilten baupolizeilichen Instandsetzungsauftrag mit dem Argument, eine verfassungskonforme Interpretation des § 129 der Bauordnung für Wien gebiete auch bei nicht in einer Schutzzone gelegenen Gebäuden, die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Instandsetzungsaufträgen zu prüfen, weshalb die belangte Behörde auf diese Frage einzugehen gehabt hätte.
In Erwiderung auf dieses Vorbringen genügt gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ein Hinweis auf die Entscheidungsgründe des auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides zitierten hg. Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1970, Slg. N.F. Nr. 7789/A, in welchem sich der Gerichtshof mit der Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Behebung von Baugebrechen auseinandergesetzt und die Auffassung vertreten hat, daß es von der technischen Möglichkeit der Instandsetzung abhängt, ob zur Behebung eines Baugebrechens ein Instandsetzungsauftrag oder ein Abtragungsauftrag zu erlassen ist, und daß es keine Richtlinie für die Auswahl der aufzutragenden Maßnahme bilde und daher nicht zu prüfen sei, ob die Instandsetzung dem Hauseigentümer wirtschaftlich zugemutet werden könne oder nicht. Der Gerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzugehen, zumal die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Ungleichbehandlung gegenüber Eigentümern von in einer Schutzzone gelegenen Gebäuden, bei welchen nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 24. Mai 1976, Slg. N.F. Nr. 9063/A) die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Instandsetzungsarbeiten grundsätzlich zu prüfen ist, schon deshalb nicht angenommen werden kann, weil es einerseits dem Eigentümer eines nicht in der Schutzzone gelegenen Hauses freisteht, der Verpflichtung zur Instandhaltung des Gebäudes, wenn ihm dies wirtschaftlich unzumutbar erscheint, dadurch zu umgehen, daß er eine Abtragungsbewilligung erwirkt, auf deren Erteilung ihm ein Rechtsanspruch zusteht (vgl. auch dazu das erwähnte hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1970), während für die Bewilligung des Abbruches von Gebäuden in Schutzzonen die im § 60 Abs. 1 lit. d der Bauordnung für Wien genannten - erheblichen - Beschränkungen gelten. Andererseits besteht entsprechend dem eben erwähnten hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1976 in Schutzzonen ein Rechtsanspruch auf die Erlassung eines Abtragungsauftrages, wenn ein Instandsetzungsauftrag dem Hauseigentümer wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann, wogegen bei außerhalb von Schutzzonen gelegenen Häusern ein derartiger Rechtsanspruch nicht besteht.
Die belangte Behörde hatte daher nicht zu prüfen, ob die aufgetragene Mauertrockenlegung für die Beschwerdeführerin wirtschaftlich zumutbar ist oder nicht.
Der Behauptung der Beschwerdeführerin, die Behebung eines Baugebrechens sei auch "durch Räumung der entsprechenden Gebäudeteile möglich", ist zu erwidern, daß durch die Räumung der vom vorliegenden Instandsetzungsauftrag betroffenen Wohnungen nicht das Baugebrechen selbst beseitigt wird. Im übrigen handelt es sich bei der unter Berufung auf die im § 129 Abs. 4 der Bauordnung für Wien erwähnte Möglichkeit eines Auftrages zur Räumung von Gebäudeteilen in der Beschwerde vorgebrachten Behauptung, die Hälfte der vorhandenen Bausubstanz der Baulichkeit müßte verändert werden, um das Baugebrechen zu beseitigen, um ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Grund des aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitenden Neuerungsverbotes unbeachtliches Vorbringen, auf das der Gerichtshof nicht einzugehen hat. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde nicht einen Instandsetzungsauftrag zu erteilen, sondern die Räumung der Wohnungen aufzutragen gehabt hätte, zumal die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung nach einem Hinweis auf die in Aussicht genommene Umwidmung der Räume lediglich den Antrag gestellt hatte, den erstinstanzlichen Auftrag dahingehend zu ändern, "daß die aufgetragenen Arbeiten nicht durchzuführen sind, in diesem Zusammenhang gegebenenfalls für die gegenständlichen Wohnungen den Benützungskonsens zu entziehen". Auch dem von der Beschwerdeführerin während des Berufungsverfahrens vorgelegten Sachverständigengutachten ist nicht zu entnehmen, daß die Voraussetzungen des § 129 Abs. 4 Sätze 2 und 3 leg. cit. im Beschwerdefall gegeben wären, weshalb auch die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin nicht begründet ist. Es ist allerdings im Sinne diesbezüglicher Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin die Möglichkeit besitzt, die baubehördliche Bewilligung für eine Umwidmung der betreffenden Räumlichkeiten zu beantragen, weil die Vollstreckung des erteilten baubehördlichen Auftrages während der Anhängigkeit des Bewilligungsverfahrens im Hinblick darauf unzulässig wäre, daß im Falle einer Bewilligung der ohnedies in Aussicht genommenen Verwendung der Räume für Lagerzwecke der für die Erlassung des Auftrages zur Trockenlegung maßgebliche Grund, nämlich die Gesundheitsschädlichkeit der Wohnungen für deren Bewohner, wegfiele.
Dem bereits erwähnten, in der Berufung gestellten Antrag der Beschwerdeführerin, für die in Rede stehenden Wohnungen den Benützungskonsens zu entziehen, hätte die belangte Behörde im übrigen schon im Hinblick darauf nicht entsprechen können, daß ihr als Berufungsinstanz die Befugnis im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nur bezüglich der "Sache" des Berufungsverfahrens zugestanden ist, also in bezug auf jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides gebildet hat (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, auf den Seiten 541ff wiedergegebene Judikatur). Gegenstand des Bescheides der Baubehörde erster Instanz war aber der auf § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien gestützte Auftrag zur Mauertrockenlegung.
Zur Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin ist zu bemerken, daß in dem schon erwähnten Gutachten nicht von der technischen Unmöglichkeit der Trockenlegung die Rede ist, zumal der Sachverständige ausdrücklich erwähnt hat, daß als Voraussetzung dafür, die aufgetragenen Arbeiten "auf Dauer wirksam durchführen zu können", gilt, daß das betreffende Mauerwerk von der nachdrängenden Feuchtigkeit sowohl von unten als auch von der Seite zur Gänze abgesperrt wird, weshalb die belangte Behörde auch nicht von der grundsätzlichen Unmöglichkeit der Behebbarkeit der Mauerfeuchtigkeit auszugehen hatte und keine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes gegeben war. Die im Zuge der Erfüllung des erteilten baubehördlichen Auftrages allenfalls notwendige Inanspruchnahme der Nachbarliegenschaft steht der Verwirklichung desselben nicht entgegen, weil im § 126 Abs. 1 der Bauordnung für Wien bestimmt ist, daß die Eigentümer der Nachbarliegenschaften verpflichtet sind, dem Bauwerber die anläßlich einer Instandsetzung notwendigen, ohne Benützung des Nachbargrundes oder des darüber befindlichen Luftraumes nicht möglichen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglichen Arbeiten einschließlich der nötigen Sicherungsmaßnahmen, wie etwa Pölzungen und Unterfangungen, gegen Ersatz des erlittenen Schadens auf ihrer Liegenschaft zu gestatten. Daß "auch das Mauerwerk des Nachbarhauses angegriffen werden" muß, ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen. Schließlich ist noch festzuhalten, daß es sich bei der in der Beschwerde zuletzt aufgeworfenen Frage, inwieweit die Mauerfeuchtigkeit der in Rede stehenden Wohnungen "auch auf Durchfeuchtung der Wände der Nachbarliegenschaft zurückzuführen ist", ebenfalls um eine unzulässige Neuerung handelt, auf die der Gerichtshof nicht einzugehen hat.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992050168.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
01.10.2010