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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der H in U, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Juni 1992, Zl. R/1-V-92055, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) RG und 2) EG, beide in U,
3) Marktgemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nachdem den mitbeteiligten Bauwerbern mit Bescheid des Bürgermeisters der gleichfalls mitbeteiligten Gemeinde vom 6. Juni 1991 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 208 des Grundbuches über die KG U erteilt worden und darin ein Abstand des Gebäudes von der Grenze zum Straßengrundstück im Ausmaß von 8 m vorgesehen war, ersuchten die Bauwerber mit einem am 18. September 1991 bei der Gemeinde eingelangten neuen Ansuchen um die Erteilung der Baubewilligung für ein Einfamilienhaus und eine Gartenhütte, wobei dem Einreichplan zu entnehmen ist, daß u. a. der Abstand des Hauses zur vorderen Grundstücksgrenze nunmehr 6 m betragen soll. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. September 1991 wurde die beantragte Baubewilligung für ein Einfamilienhaus mit einem Abstand von 6 m von der Straße, eine Einfriedung und eine Holzhütte erteilt. Bei der der Erlassung dieses Bescheides vorausgegangenen Bauverhandlung hat die Beschwerdeführerin eingewendet, daß ihr durch die mit dem Baubewilligungsbescheid vom 6. Juni 1991 "festgelegte bzw. konsentierte Baufluchtlinie
von 8,0 m ... ein subjektiv-öffentl. Recht erwachsen" sei, da
im Hinblick auf den nunmehrigen "Einreichplan Identität der Projekte" gegeben sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Jänner 1992 wurde der von der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 30. September 1991 eingebrachten Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und dieser Baubewilligungsbescheid vollinhaltlich bestätigt.
Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachte Vorstellung wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 10. Juni 1992 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.
Die Aufsichtsbehörde vertrat in der Begründung ihres Bescheides unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 9 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976 die Auffassung, daß den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Mindeststraßenbreite, somit auf die Einhaltung des Mindestabstandes der Straßen- und Baufluchtlinien voneinander, dann zustünde, wenn die Festlegung dieser vorderen Bauflucht- bzw. Straßenfluchtlinien ihrer Belichtung diene. Die Beschwerdeführerin sei aber nicht Eigentümerin eines gegenüberliegenden, sondern eines seitlich anrainenden Grundstückes. Die Einhaltung der vorderen Baufluchtlinie diene nur öffentlichen Interessen und nicht ihrem Interesse als seitlicher Anrainerin, da die vordere Baufluchtlinie keine Baufluchtlinie "zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung" im Sinne der zitierten gesetzlichen Bestimmung für das Grundstück der Beschwerdeführerin sei. Aus § 118 Abs. 8 und 9 leg. cit. lasse sich kein subjektiv-öffentliches Anrainerrecht darauf ableiten, daß sich durch ein Bauvorhaben die Belichtungsverhältnisse auf einem Grundstück überhaupt nicht verändern dürfen. Abgesehen davon könne dem Bescheid des Bürgermeisters vom 6. Juni 1991 bzw. der Niederschrift über die Bauverhandlung vom 5. Juni 1991 nicht entnommen werden, daß die Festlegung einer Baufluchtlinie in einem Abstand von 8 m von der Straße in Anwendung des § 120 Abs. 4 letzter Satz der NÖ Bauordnung 1976 erfolgt sei. Die in dieser Niederschrift enthaltene Formulierung, "die Baufluchtlinie des Hauses wird entgegen der Einreichung auf 8 m erhöht", deutet im Gegenteil darauf hin, daß die Bauwerber im Rahmen dieser Bauverhandlung ihr Projekt geändert haben. Auf diese durch die Bauwerber vorgenommene Änderung des Abstandes des geplanten Gebäudes zur Straße werde auch in der Niederschrift über die Bauverhandlung am 28. September 1991 hingewiesen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin könne daher nicht von einer Festlegung der Baufluchtlinie im Sinne des § 2 Z. 3 i.V.m. § 120 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 gesprochen werden, zumal die Festlegung der Baufluchtlinie in einem Abstand von 8 m zur Straße im Widerspruch zu den bestehenden Abständen der Gebäude auf den Nachbargrundstücken von 6 m zur Straße stünde und die Zurückverlegung der Baufluchtlinie hinter die durch die bestehenden Gebäude vorgegebene Baufluchtlinie auch im Sinne des § 120 Abs. 3 und 4 der NÖ Bauordnung sachlich nicht begründet wäre. Außerdem lege § 6 Abs. 8 leg. cit. fest, daß die vorderen Baufluchtlinien für Straßenseiten, an denen bereits die Mehrzahl der Bauplätze bebaut sei, jeweils entsprechend dem Abstand der Mehrzahl der bestehenden Gebäude von der Straßenfluchtlinie festzulegen seien. Diese Bestimmung sei sinngemäß auch bei der Festlegung der Baufluchtlinie gemäß § 120 Abs. 4 letzter Satz der NÖ Bauordnung 1976 anzuwenden, da die Übergangsbestimmung dazu dienen soll, in einem Bereich, in dem noch kein Bebauungsplan gelte (wie dies für die KG U zutreffe), einen einem Bebauungsplan ähnlichen Beurteilungsmaßstab zu schaffen. Es könne aber nicht ernsthaft angenommen werden, daß die Baubehörde im Rahmen der Bauverhandlung vom 5. Juni 1991 bzw. durch den Bescheid vom 6. Juni 1991 eine zu § 6 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 im Widerspruch stehende Baufluchtlinie festgelegt habe. Außerdem könne die Ansicht der Beschwerdeführerin, eine Baulichkeit dürfe nur so, wie ursprünglich bewilligt, errichtet werden, nicht zugestimmt werden, da sich eine solche Auffassung aus der maßgeblichen Rechtslage nicht begründen lasse. Vielmehr wolle die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen, das Bauvorhaben dürfe nur so ausgeführt werden, wie es seinerzeit bewilligt worden sei, anscheinend erreichen, daß die bestehenden Aussichtsverhältnisse erhalten bleiben. Ein derartiger Rechtsanspruch könne aber weder aus § 68 Abs. 1 AVG noch aus der NÖ Bauordnung 1976 abgeleitet werden. Identität der Projekte bzw. entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG liege schon wegen der geänderten Lage (Verringerung des Abstandes zur Straße von 8 m auf 6 m) nicht vor.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführerin ist zwar insofern recht zu geben, als der Nachbar ein Recht auf die Beachtung der entschiedenen Sache hat, sie übersieht aber, daß das neue Bauansuchen der mitbeteiligten Bauwerber nur dann wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen wäre, wenn damit die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt worden wäre. Von der Identität einer Sache kann allerdings nur dann gesprochen werden, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteienbegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. dazu die Ausführungen bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, Prugg-Verlag Eisenstadt, 2. Auflage, S. 203 ff., und die darin zitierte hg. Judikatur). Von einer derartigen Annahme hatten aber weder die Baubehörden noch die Aufsichtsbehörde auszugehen, weil sich das ursprünglich bewilligte Bauvorhaben von dem den angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden jedenfalls dadurch unterscheidet, daß das Gebäude lediglich 6 m (statt 8 m) hinter der Straßenfluchtlinie errichtet werden soll. Eine derartige Projektsänderung ist aber als so wesentlich anzusehen, daß nicht mehr von einer Identität der Sache die Rede sein kann, weil jede Baubewilligung für ein durch seine Lage bestimmtes Vorhaben erteilt wird, sodaß für jedes Verrücken des Bauvorhabens eine neuerliche Baubewilligung erwirkt werden muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1979, Zl. 1365/79). Ungeachtet der Übereinstimmung, welche zwischen den mitbeteiligten Bauwerbern und der Beschwerdeführerin hinsichtlich des in Rede stehenden Abstandes von der Straßenfluchtlinie anläßlich jener Bauverhandlung erzielt worden ist, welche dem erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 6. Juni 1991 vorausgegangen ist, wurden durch die Bewilligung eines davon abweichenden Abstandes einerseits keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Beschwerdeführerin verletzt, weil diesem Übereinkommen für das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Baubewilligungsverfahren nicht etwa in dem Sinne eine bindende Wirkung zukommt, daß die Baubehörde nicht berechtigt gewesen wäre, unter Bedachtnahme auf die geltende Rechtslage ein von dieser Parteienvereinbarung abweichendes Projekt zu bewilligen. Andererseits steht es einem Bauwerber mangels einer gesetzlichen Beschränkung frei, für ein Grundstück mehrere Baubewilligungen zu erwirken und nach seinem Belieben eine dieser Bewilligungen zu konsumieren (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 8. November 1983, Zl. 81/05/0146, BauSlg. Nr. 137).
Auf die Kritik der Beschwerdeführerin an den Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich der Anwendung des § 120 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 braucht im gegebenen Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, weil die Einhaltung der vorderen Baufluchtlinie nur im Interesse des Eigentümers gegenüberliegender Grundflächen liegen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zl. 87/05/0097). Die Beschwerdeführerin als seitlicher Anrainer kann sich daher nicht auf das aus § 118 Abs. 9 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976 ableitbare subjektiv-öffentliche Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung berufen, weil die vordere Straßenfluchtlinie aus der Sicht des seitlichen Anrainers nicht zu diesen Fluchtlinien gehört. Der Anrainer hat aber kein darüber hinausgehendes Recht, daß durch die Errichtung eines Neubaues die früheren Belichtungsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1963, Slg. N.F. Nr. 6032/A), wobei nicht unerwähnt bleiben soll, daß auf Grund der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Baubewilligung vom 30. September 1991 die Breite des Abstandes des Gebäudes der mitbeteiligten Bauwerber von der vorderen Baufluchtlinie nach dem mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Lageplan mit jener des Gebäudes der Beschwerdeführerin identisch ist.
Angesichts der geschilderten Rechtslage ist auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht einzugehen, weil die Nachbarn allfällige Verfahrensmängel nur insoweit geltend machen können, als sie dadurch in der Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte beeinträchtigt werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. April 1984, Zl. 83/05/0220, BauSlg. Nr. 240).
Die Beschwerdeführerin ist daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist und daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete BaurechtBewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Baubewilligung BauRallg6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992050201.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010