TE Vwgh Beschluss 1992/11/24 92/04/0199

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs2 idF 1988/399;
MRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des N in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. Jänner 1992, Zl. 304.510/2-III/3/91, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: J-KG, B), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. Jänner 1992 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der mitbeteiligten Partei über ihr Ansuchen die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung ihrer Betriebsanlage durch Errichtung eines Schlachtraumes mit Kühlraum unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 17. Juni 1992, Zl. B 511/92-3, abgelehnte und mit Beschluß vom 8. September 1992, B 511/92-5, dem Verwaltungsgerichtshof

abgetretene Beschwerde.

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bezeichnete die Beschwerdeführerin den Beschwerdepunkt wie folgt: Verletzung im "Recht auf Nichterteilung der Gewerbeanlagengenehmigung, Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, Anwendung eines gesetzwidrigen Flächenwidmungsplanes". Die Beschwerde läßt allerdings insgesamt erkennen, daß sich die Beschwerdeführerin nur insofern in einem Recht verletzt erachte, als die Genehmigung entgegen der Bestimmung des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 erteilt wurde. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, in Vorarlberg mangle es an UNESCO-Kulturgütern, an namhaften Klöstern oder Internatsschulen, an repräsentativen Anlagen, sodaß Anlagen wie die der Beschwerdeführerin zu den seltenen Kostbarkeiten Vorarlberger Kulturguts zählten. Würde neben einem Naturschutzgebiet ein Schlachthaus errichtet, gäbe es einen Aufschrei durch das ganze Land. Offenbar sei die Kultur nicht so gut organisiert. Die Beschwerdeführerin ebenso wie auch die Neuapostolische Kirche meinten, religiöse Institutionen, wie Kirchen, hätten einen Anspruch auf Schutz ihrer Spiritualität. Die Situierung eines Schlachthauses unmittelbar anrainend an eine Kirche sei raumplanerisch unhaltbar. Die Betriebsliegenschaft sei als Baumischgebiet gewidmet. Die Flächenwidmung nehme nicht Rücksicht auf die beiden angrenzenden kirchlichen Anlagen und erweise sich daher "als nicht gesetzwidrig" (gemeint wohl: als gesetzwidrig). Richtigerweise müßte neben kirchlichen Anlagen eine andere Widmung als Baumischgebiet erfolgen (entweder Wohngebiet oder Baukerngebiet). Die Flächenwidmung als Baumischgebiet, die den Bau eines Schlachthauses offenbar zulasse, erweise sich damit als verfehlt, weshalb angeregt werde, die Flächenwidmung beim Verfassungsgerichtshof wegen Gesetztwidrigkeit anzufechten. Die Beschwerdeführerin meine allerdings, der Betrieb eines Schlachthauses im Baumischgebiet neben zwei kirchlichen Anlagen sei nach § 77 Abs. 1 GewO 1973 überhaupt verboten. Der Betrieb eines Schlachthauses neben privaten Wohnhäusern und kirchlichen Anlagen sei störend im Sinne des Immissionsschutzes, des Ortsbildes und des Schutzes geistlicher und kultureller Anlagen. Die belangte Behörde habe daher verkannt, daß die Genehmigung des Schlachthauses wegen Widerspruchs zur Flächenwidmung nach § 77 Abs. 1 GewO 1973 nicht hätte erfolgen dürfen. Der Beschwerdeführerin gehe es um den Schutz ihrer Anlage und damit um typische zivilrechtliche Ansprüche. Dessenungeachtet habe als "meritorische Letztinstanz" eine Verwaltungsbehörde entschieden, die - im Gegensatz zu einem Gericht - keine Verordnungsprüfungskompetenz besitze (und damit auch den Flächenwidmungsplan nicht habe prüfen lassen können). Der Beschwerdeführerin sei also der Weg zu einem meritorisch kompetenten unparteiischen Tribunal verwehrt. Deshalb sei sie durch den angefochtenen Bescheid auch in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dannn zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. N.F. Nr. 10.511/A).

Nach § 77 Abs. 1 GewO 1973 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die Betriebsanlage darf nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder das Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ergibt sich aus der Bestimmung des zweiten Satzes des § 77 Abs. 1 GewO 1973 über die Unzulässigkeit einer Betriebsanlagengenehmigung im Hinblick auf Verbotsnormen kein subjektives Nachbarrecht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0074 und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Beschwerdeführerin kann daher durch den angefochtenen Bescheid unter diesem Gesichtspunkt in keinem ihr zustehenden subjektiven Recht verletzt sein.

Aber auch mit dem weiteren, die Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren betreffenden Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit nicht aufzuzeigen. Denn die Verletzung von Verfahrensrechten kann nicht losgelöst von materiellen Rechten zu einer Verletzung subjektiver Rechte führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1957, Slg. N.F. Nr. 4350/A).

Besteht aber solcherart nicht einmal die Möglichkeit einer Verletzung der von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdepunktes geltend gemachten Rechte, so erweist sich die Beschwerde entsprechend der eingangs dargelegten Rechtslage als nicht zulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Verfahrensmängel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040199.X00

Im RIS seit

24.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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