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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des G in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des LAA OÖ vom 19.2.1992, Zl. IVa-AlV-7022/0/B/VNR.3387 240757/Linz, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus einer vom Arbeitsamt Linz am 28. Oktober 1991 aufgenommenen Niederschrift geht hervor, daß dem (nach der Aktenlage seit längerer Zeit im Notstandshilfebezug stehenden) Beschwerdeführer vom Arbeitsamt am 22. Oktober 1991 eine Beschäftigung als Abwäscher beim "X" in Linz mit einer kollektivvertraglichen Entlohnung und einem in Aussicht genommenen Arbeitsantritt "sofort (23. Oktober 1991)" zugewiesen worden war, dieses Beschäftigungsverhältnis jedoch nicht zustande gekommen ist. Über die Gründe gab der Beschwerdeführer "keinen Kommentar ab". Aus einem Aktenvermerk des Arbeitsamtes geht hervor, daß sich der Beschwerdeführer "laut telefonischer Rücksprache X" nicht vorgestellt habe.
Das Arbeitsamt sprach mit Bescheid vom 7. November 1991 aus, daß der Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld (richtig: Notstandshilfe) gemäß § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, für den Zeitraum vom 22. Oktober 1991 bis 16. Dezember 1991 verloren habe, weil er - durch "Nichtvorstellen bei der Fa. X eine mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt" habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, daß "der im Bescheid enthaltene Vorwurf" nicht richtig sei. Vielmehr sei "richtig, daß ich krank war und mich deshalb bei keiner Firma vorstellen konnte". Mit einer weiteren Eingabe vom 20. Jänner 1992 übermittelte der Beschwerdeführer dem Arbeitsamt "Krankenkassenbescheinigungen, woraus Sie entnehmen können, daß ich vom 23.10.1991 bis 26.10.1991 und vom 28.10.1991 bis 4.11.1991 arbeitsunfähig war".
Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 19. Februar 1992 teilweise Folge und sprach aus, daß die Notstandshilfe vom 26. Oktober 1991 bis 6. November 1991 versagt werde. Nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Zitierung der von der belangten Behörde angewendeten Rechtsvorschriften wird darin begründend ausgeführt, daß der Beschwerdeführer (laut ärztlicher Bestätigung und telefonischer Anfrage bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse) vom Zeitpunkt des (in Aussicht genommenen) Arbeitsantrittes bis 25. Oktober 1991 arbeitsunfähig gewesen sei. Er hätte sich jedoch im Zeitpunkt seiner Arbeitsfähigkeit am 26. Oktober 1991 bei der vom Arbeitsamt zugewiesenen Firma, dem "X", zumindest vorstellen müssen, um die Möglichkeit einer eventuellen Arbeitsaufnahme zu wahren. Die gebotene Stelle sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht besetzt gewesen. Somit habe der Beschwerdeführer die Aufnahme einer vom Arbeitsamt zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung verweigert. Mit Rücksicht darauf, daß innerhalb der Rahmenfrist eines Jahres gemäß § 10 Abs. 1 AlVG eine Ausschlußfrist nach dieser Gesetzesstelle vorliege, sei die Notstandshilfe für sechs Wochen zu versagen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch das Arbeitsamt vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu lassen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn des Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum sechs Wochen, im Falle von zwei oder mehr Anspruchsverlusten acht Wochen.
Diese Bestimmungen (wie auch jene der §§ 9 Abs. 2 und 11 AlVG) sind Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten (vgl. das Erkenntnis vom 19. Mai 1992, Zl. 91/08/0189). Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muß sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz ARBEITSWILLIG zu sein (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 1984, Slg. Nr. 11337/A, u. a.).
Um sich in bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (vgl. zum zuletzt erwähnten Gesichtspunkt das Erkenntnis vom 12. Mai 1992, Zl. 92/08/0051, mit weiteren Hinweisen).
Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, daß der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, daß er den Erfolg seiner (nach außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.
Im Beschwerdefall wurde dem Beschwerdeführer am 22. Oktober 1991 eine Arbeitsstelle mit Arbeitsantritt 23. Oktober 1991 namhaft gemacht; der Beschwerdeführer setzte keine Handlungen zur Erlangung dieses Arbeitsplatzes, weil er (zunächst) vom 23. bis 25. Oktober 1991 erkrankt war. Bei diesem (insoweit nicht strittigen) Sachverhalt vertritt nun die belangte Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer hätte sich noch am 26. Oktober 1991 (dem ersten Tag der wiedererlangten Arbeitsfähigkeit) an den (potentiellen) Dienstgeber wenden müssen, um abzuklären, ob die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme bestehe. Da die gebotene Stelle noch frei gewesen wäre (nach der Aktenlage konnte sie erst im Jänner 1992 besetzt werden), liege eine Arbeitsvereitelung vor.
Dagegen bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vor, daß er am "Nationalfeiertag", einem Samstag, sowie dem darauffolgenden Sonntag aufgrund der mangelnden Arbeitspflicht an diesen Tagen auch nicht zu einer Vorstellung bei dem vom Arbeitsamt vorgeschlagenen Arbeitgeber verpflichtet gewesen sei.
Dieser Argumentation ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer - ungeachtet der Frage, ob an den genannten Tagen im mehrfach genannten Gastgewerbebetrieb Arbeitspflicht bestand - aufgrund der Bekanntgabe einer freien Arbeitsstelle durch das Arbeitsamt zunächst nur die Verpflichtung hatte, zielgerichtete Handlungen zur Erlangung dieses Arbeitsplatzes zu unternehmen, worunter nach den konkret vorliegenden Umständen eine (zumindest telefonische) Kontaktaufnahme mit dem potentiellen Dienstgeber zu verstehen ist, um festzustellen, ob der Arbeitsplatz noch unbesetzt ist und um sich
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bejahendenfalls - dem Dienstgeber als vom Arbeitsamt vermittelter Arbeitssuchender (zu dem Zweck der Vereinbarung eines Vorstellungsgespräches oder des Zeitpunktes des Arbeitsantrittes) bekanntzumachen. Diese Verpflichtung des Arbeitslosen zu aktivem Handeln zwecks Erlangung des vermittelten Arbeitsplatzes besteht jedenfalls solange, als ihm nicht vom potentiellen Dienstgeber eine abschlägige Antwort erteilt oder vom Arbeitsamt eine andere Beschäftigung zugewiesen worden ist. Sie wird insbesondere auch nicht dadurch zeitlich begrenzt, daß das Arbeitsamt dem Arbeitslosen einen bestimmten Tag für den in Aussicht genommenen Arbeitsbeginn (hier: 23. Oktober 1991) genannt hat: Dies zeigt dem Arbeitslosen zwar unter Umständen eine besondere Dringlichkeit der Besetzung des Arbeitsplatzes von seiten des anbietenden Arbeitgebers an, kann aber nicht so verstanden werden, daß NACH diesem Termin eine Kontaktaufnahme überhaupt nicht mehr geboten oder zielführend wäre. Es kann daher auf sich beruhen, ob die Krankheit des Beschwerdeführers vom 23. Oktober bis 25. Oktober 1991 diesen daran gehindert hat, mit dem potentiellen Arbeitgeber zumindest telefonisch Kontakt im aufgezeigten Sinne aufzunehmen (bejahendenfalls wäre die zeitliche Verzögerung der vom Beschwerdeführer zu fordernden Bemühungen insoweit entschuldigt), da der Beschwerdeführer
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ungeachtet der Fortdauer seiner diesbezüglichen Verpflichtung - auch nach Beendigung des Krankenstandes keine auf die Erlangung des (immer noch freien) Arbeitsplatzes gerichteten Handlungen unternommen hat, obwohl ihm die Dringlichkeit der Suche des potentiellen Arbeitgebers durch den Hinweis auf die bereits für 23. Oktober gewünschte Arbeitsaufnahme bekannt war und der Anruf in einem Gastgewerbebetrieb auch an einem Feiertag nicht von vornherein aussichtslos ist (wie vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten wird). Der Beschwerdeführer hat daher dadurch, daß er JEDE (ihm zumutbare) Kontaktaufnahme mit dem bekanntgegebenen Arbeitgeber am 26. Oktober und am 27. Oktober 1991 unterlassen hat, diesen gar nicht in die Lage versetzt, eine Entscheidung über die Einstellung des Beschwerdeführers zu treffen. Da Hindernisse, die gegen die Möglichkeit einer Einstellung des Beschwerdeführers am 26. oder 27. Oktober 1991 sprechen würden, nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht erkennbar sind (und vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet werden), ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer die (mögliche) Annahme einer Beschäftigung durch Untätigkeit vereitelt hat.
Soweit der Beschwerdeführer erstmals in seiner Beschwerde vorbringt, daß ihm die bekanntgegebene Arbeitsmöglichkeit gesundheitlich nicht zumutbar gewesen sei, ist darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer trotz der vom Arbeitsamt anläßlich der Niederschrift vom 28. Oktober 1991 gebotenen Gelegenheit, aber auch in seiner Berufung in dieser Richtung ein Vorbringen nicht erstattet hat. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen verstößt daher gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG für das verwaltungsgerichtliche Verfahren abzuleitende Neuerungsverbot, weshalb dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt ist, darauf einzugehen.
Es trifft auch nicht zu - wie der Beschwerdeführer meint - daß ein Ausschluß vom Notstandshilfebezug keinesfalls vor Beendigung des zweiten Krankenstandes (also mit 5. November 1991) zu laufen beginnen konnte: Da eine (vorübergehende) Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit dem Beschwerdeführer weder die Arbeitsfähigkeit im Sinne des § 8 AlVG noch die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG zu nehmen geeignet war, bestand auch während des Krankenstandes (im Prinzip) Anspruch auf Notstandshilfe, der allerdings für den Fall des Bezuges von Krankengeld gemäß § 16 Abs. 1 lit. a AlVG ruht. Da der Anspruchsverlust im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG weiter reicht als das (bloße) Ruhen des Anspruches, steht auch die (für den Fall des Bestehens eines Anspruches auf Krankengeld mögliche) Anwendung des § 16 AlVG der Feststellung des Anspruchsverlustes gemäß § 10 Abs. 1 AlVG nicht entgegen.
Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem von ihm geltend gemachten Recht somit nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992080132.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
30.09.2010