TE Vfgh Beschluss 1990/6/12 B140/90

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Veröffentlicht am 12.06.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33 ZPO §146 Abs1 ZPO §148 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Frist

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Beschluß vom 27. November 1989 B1164/89 wies der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde des C P gegen die in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgten Abschiebung aus Österreich wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist zurück. Die Beschwerdefrist war am 2. Oktober 1989 abgelaufen, die Beschwerde wurde aber erst am 3. Oktober 1989 zur Post gegeben.

2. Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers beantragt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er führt dazu folgendes aus:

"In der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers ist es Usus, daß der Kalendervermerk, mit welchem der 'letzte Tag' im Kanzleikalender festgehalten wird, einen Werktag vor dem letzten Tag eingetragen wird. Handelt es sich hiebei - wie gegenständlich - um einen Montag, so wird der 'letzte Tag'-Kanzleivermerk bereits am vorliegenden Freitag gesetzt.

Der Vertreter des Beschwerdeführers bzw. sein juristischer Mitarbeiter überprüften die Eintragung des Kalendervermerkes '2.10.1989 VGH-Beschwerde', übersahen jedoch, daß der 2.10.1989 bereits jener Tag war, an welchem die Verfassungsgerichtshofbeschwerde zur Post zu geben ist.

Er ging daher - infolge des Kanzleivermerks und aufgrund des in seiner Kanzlei eingespielten Usus - davon aus, daß die sechswöchige Beschwerdefrist erst am 3.10.1989 endete.

Der Vertreter des Beschwerdeführers diktierte das Rechtsmittel daher am 3.10.1989 und brachte es zur Post.

Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig, weil der Vertreter des Beschwerdeführers erst durch den Beschluß vom 27.11.1989, zugegangen am 18.1.1990, mit welchem die Beschwerde zurückgewiesen wurde, vom Versäumen der sechwöchigen Beschwerdefrist Kenntnis erlangte.

Das oberwähnte Mißgeschick in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers stellt für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Der - den Mitarbeitern der Kanzlei des Beschwerdeführers noch nie unterlaufene - Kalendierungsfehler dieser Art darf wohl als Versehen minderen Grades beurteilt werden.

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet:

Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden.

Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach §148 Abs2 ZPO muß ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen vierzehn Tagen gestellt werden; diese - nicht verlängerbare - Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis, das die Fristversäumung verursachte, weggefallen ist.

Im konkreten Fall stand der Irrtum des Anwaltes der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde entgegen. Eine derartige Fehlleistung wurde nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wiederholt als Nachlässigkeit qualifiziert, die gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht und die damit auf einem - die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernden - minderen Grad des Versehens iS des §146 Abs1 ZPO beruht (s. zB VfGH 25.9.1987 B153/87, 27.11.1987 B1032/87, 27.2.1989 B1532/88, B54/89).

Dieses Hindernis entfiel allerdings nicht erst mit Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1989, am 18. Jänner 1990, sondern schon früher: Der Anwalt des Beschwerdeführers hatte am 3. Oktober 1989 die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof selbst bearbeitet. Dabei hätte ihm auffallen müssen, daß die Frist für die Beschwerdeerhebung nicht erst am 3. Oktober 1989, sondern schon am 2. Oktober 1989 abgelaufen ist.

Bei dieser Sachlage hätte der Wiedereinsetzungsantrag binnen vierzehn Tagen, und zwar vom 3. Oktober 1989 an gerechnet, gestellt werden müssen. Der erst am 1. Feber 1990 zur Post beförderte Antrag war daher verspätet und als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfGH 27.2.1988 B1532/88, B54/89).

4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B140.1990

Dokumentnummer

JFT_10099388_90B00140_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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