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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 24. Oktober 1991, Zl. IVb/7022/7100B, betreffend Widerruf der Notstandshilfe und Rückforderung des unberechtigt Empfangenen gemäß §§ 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist seit längerer Zeit Bezieher von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, wobei der Leistungsbezug in unregelmäßigen Abständen des öfteren durch kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse unterbrochen wurde. Zuletzt mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste Wien vom 8. Juni 1989 wurde dem Beschwerdeführer ab 14. Mai 1989 Notstandshilfe gewährt.
Mit Bescheid dieses Arbeitsamtes vom 18. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung unberechtigt empfangener Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 6.448,-- verpflichtet, weil er die tageweise Beschäftigung vom 29. April bis 30. April, vom 5. bis 6. Mai, vom 17. bis 19. Mai, am 24. und am 29. Mai 1989 verspätet gemeldet habe.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Nach Zitierung der in Anwendung zu bringenden gesetzlichen Bestimmungen wurde begründend ausgeführt, es sei auch auf Grund der Berufungsausführungen unbestritten geblieben, daß der Beschwerdeführer an den im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides ausgewiesenen Tagen in Beschäftigung gestanden sei und daraus ein Entgelt erhalten habe, das die im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Beträge übersteige, weshalb er an diesen Tagen nicht als arbeitslos anzusehen sei. Der Widerruf sei damit gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu Recht erfolgt. Die Berufungsgründe richteten sich vielmehr ausschließlich gegen die Anerkennung der Beschäftigungstage als "vorübergehende Beschäftigung" im Sinn des § 5 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung bzw. gegen die vom Arbeitsamt unterstellte nicht rechtzeitige Meldung dieser Beschäftigung im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG. Eine vorübergehende Beschäftigung liege dann vor, wenn sie für einen kürzeren Zeitraum als für eine Wochen vereinbart wurde. Wenngleich die Beschäftigungstage im Rahmen von Dienstverhältnissen zu ein und demselben Dienstgeber "ausgeübt" worden seien, handle es sich nicht um ein durchlaufendes, teilweise unterbrochenes Dienstverhältnis, das als eine Einheit anzusehen wäre, sondern um jeweils einzelne Beschäftigungen - hier insgesamt fünf. Dies komme auch dadurch zum Ausdruck, daß der Dienstgeber selbst diese Beschäftigungstage als kein einheitliches Dienstverhältnis betrachtet habe, weil er den Beschwerdeführer nur für die Einzeltage beim zuständigen Sozialversicherungsträger zur Anmeldung gebracht habe. Auch das Entgelt sei nur für Einzeltage bezogen worden. Da diese jeweiligen Beschäftigungen nachweislich für weniger als eine Woche vereinbart worden seien, sei § 5 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung anzuwenden. Zum Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG wurde ausgeführt, eine Meldung sei dann rechtzeitig, wenn sie gemäß § 50 Abs. 1 AlVG spätestens binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses erfolge. Daraus erhelle aber, daß Meldungen über die Aufnahme eines Dienstverhältnisses frühestens zum Zeitpunkt ihres Eingehens, niemals aber im vorhinein relevant seien. Der Beschwerdeführer hätte jeweils innerhalb einer Woche ab der Aufnahme einer Beschäftigung das Arbeitsamt über Art der Beschäftigung und über die Höhe des daraus bezogenen Entgeltes informieren müssen. Dies sei auch zumutbar. Im Hinblick auf den letzten Beschäftigungstag (29. Mai 1989) sei selbst unter Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer vertretene Meinung, es läge ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vor, die am 6. Juni 1989 erfolgte Meldung jedenfalls als nicht rechtzeitig im Sinn des § 50 Abs. 1 AlVG anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen und in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch in seinen Rechten verletzt, daß sich der angefochtene Bescheid materiell-rechtlich auf § 5 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung, wonach das Einkommen eines Arbeitslosen, das er innerhalb eines Monats aus einer vorübergehenden Beschäftigung erzielt, ... zur Hälfte anzurechnen ist, stützt. Der vom Beschwerdeführer mit der Fernsehfilmproduktionsfirma Dr. H abgeschlossene Vertrag lege vielmehr die Beschäftigung des Beschwerdeführers im Rahmen einer einheitlichen Produktion als Darsteller für eine wohl als Gesamtheit zu betrachtende Rolle (hier: des "Max Fiala") fest. Die Vertragszeit sei der Branche entsprechend mit "Drehtage laut Drehplan", sohin variabel, festgelegt worden, da Verzögerungen und Eventualitäten einer Filmproduktion berücksichtigt werden müßten und eine vorherige genaue terminliche Festlegung unmöglich sei. Die Filmrolle sei dem Beschwerdeführer auch mit einem Pauschalbetrag von S 80.000,-- honoriert worden, wobei die Tätigkeit für maximal zehn Drehtage abgegolten sein sollte. Aus all dem erhelle, daß ein einheitliches Dienstverhältnis im Ausmaß von weit über einer Woche vorgelegen habe, sodaß § 5 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung nicht anwendbar sei. Zur Rechtzeitigkeit der Meldung seines Beschäftigungsverhältnisses verwies der Beschwerdeführer - wie auch schon in der Berufung - auf seine am 20. März, 18. April, 9. Mai und 6. Juni erfolgten Meldungen.
Zur Frage der Rechtmäßigkeit des erfolgten Widerrufes ist zunächst folgendes zu beachten:
Gemäß § 7 AlVG ist eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (gemäß §§ 33 Abs. 1, 38 AlVG auch für die Notstandshilfe) das Vorliegen von Arbeitslosigkeit.
Gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis steht.
Gemäß § 5 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973 in der Fassung der Verordnung vom 23. Juni 1988, BGBl. Nr. 319, ist das Einkommen des Arbeitslosen, das er innerhalb eines Monats erzielt, nach Abzug der Steuern und sozialen Abgaben sowie des zur Erwerbung dieser Einkommen notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe, die im Folgemonat gebührt, unter Bedachtnahme auf die folgenden Bestimmungen anzurechnen. Eine Anrechnung von Einkommen aus einer Beschäftigung, ausgenommen nach Abs. 2, sowie von Einkommen gemäß § 6 Abs. 6 findet nicht statt. Nach § 5 Abs. 2 leg. cit. ist das Einkommen des Arbeitslosen, das er innerhalb eines Monats aus einer vorübergehenden Beschäftigung erzielt, soweit es den im § 5 Abs. 2 lit. c des ASVG angeführten Betrag übersteigt, zur Hälfte anzurechnen. § 12 Abs. 3 lit. a AlVG 1977 bleibt dadurch unberührt. Als vorübergehende Beschäftigung gilt eine Arbeit, die für einen kürzeren Zeitraum als für eine Woche vereinbart wurde.
Entscheidendes Kriterium dafür, ob eine Anrechnung von Einkommen aus einer Beschäftigung (im Sinne des § 5 Abs. 1 NHV) nicht stattfindet oder (im Sinne des Abs. 2 leg. cit.) zur Hälfte erfolgt, ist daher die Frage, ob es sich bei dieser Beschäftigung um eine "vorübergehende" handelt, und zwar unbeschadet der sich aus § 12 Abs. 3 lit. a iVm § 12 Abs. 6 lit. a AlVG ergebenden Konsequenzen (Wegfall der Arbeitslosigkeit für einzelne Tage bzw. einen zusammenhängenden Zeitraum und damit verbundener allfälliger Leistungsentfall). Die Verweisung des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG auf § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG zeigt aber, daß eine Beschäftigung dann, wenn sie für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart wurde, für die übrige im Kalendermonat liegende Zeit der Beschäftigungslosigkeit auch dann unschädlich ist, wenn das auf einen Arbeitstag entfallende Durchschnittsentgelt die tägliche Geringfügigkeitsgrenze im Beschäftigungszeitraum überschreitet. Für die Dauer der Beschäftigung ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) davon abhängig, ob die jeweils anzuwendenden Geringfügigkeitsgrenzen überschritten werden oder nicht.
Ob bei Beschäftigungen, die an einzelnen Tagen ausgeübt werden, ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis oder mehrere, unter Umständen auf den einzelnen Tag beschränkte, Beschäftigungsverhältnisse anzunehmen sind, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach jenen Kriterien zu beurteilen, die auch bei der Abgrenzung von Vollversicherungs- und Teilversicherungspflichten im Zusammenhang mit der Anwendung der Grenzbeträge des § 5 Abs. 2 ASVG entwickelt wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinen Erkenntnissen vom 16. Jänner 1990, Zl. 88/08/0260, und vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0204, ausgesprochen, daß bei Beschäftigungsverhältnissen, die nur an einzelnen Tagen zur Verrichtung von Arbeitsleistungen führen, zu prüfen ist, ob die Arbeitsleistung im Sinn einer periodisch wiederkehrenden Leistungspflicht auf Grund einer ausdrücklichen oder doch schlüssigen Vereinbarung im voraus bestimmt ist. Diesfalls ist ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis anzunehmen und das erzielte Entgelt der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. b zweiter Fall ASVG gegenüberzustellen. Liegt eine derartige Vereinbarung nicht vor, so sind nur die reinen Beschäftigungszeiten als Beschäftigungsverhältnisse anzusehen und die Frage der Geringfügigkeit des Entgeltes ist nach § 5 Abs. 2 lit. a oder b erster Fall ASVG (bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 471b ASVG hingegen nach § 471c ASVG) zu beurteilen. Eine nachträglich feststellbare, tatsächlich periodisch wiederkehrende Leistung ist allerdings ein Indiz für eine im vorhinein zumindest schlüssig getroffene Vereinbarung eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses (vgl. auch hg. Erkenntnisse vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0142).
Im vorliegenden Fall ist von der belangten Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer nur an einzelnen Beschäftigungstagen tätig geworden ist, der Schluß gezogen worden, daß es sich dabei auch um einzelne Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des § 5 Abs. 2 NHV gehandelt habe. Diese Annahme ist jedoch ohne nähere Prüfung der bereits oben aufgezeigten Kriterien (vgl. hiezu insbesondere die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1990, Zl. 88/08/0199, und vom 17. Dezember 1991, Zl. 90/08/0205) unzutreffend.
Wegen dieses Rechtsirrtums der belangten Behörde ist der angefochtene Bescheid mit einer primären Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Sollte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren erneut zum Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf gewährter Notstandshilfe gelangen, wird sie im Sinn des § 39 Abs. 2 AVG auf die vom Beschwerdeführer schon in seiner Berufung erhobenen Einwände, seine Meldung sei rechtzeitig erfolgt, einzugehen haben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991080165.X00Im RIS seit
18.10.2001