TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/24 92/05/0155

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO NÖ 1976 §21 Abs4;
BauO NÖ 1976 §98 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art139 Abs1;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z3;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des W in B, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde B wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Erledigung eines Devolutionsantrages in einem Baubewilligungsverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

In Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG und § 73 AVG wird gemäß § 98 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 der Antrag des Beschwerdeführers vom 24. April 1989 um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Betriebsanlagenerweiterung um einen Silo, ein Flugdach, eine Garage und ein Bürogebäude auf dem Grundstück Nr. 758, KG B, abgewiesen.

Die Marktgemeinde B hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 6.972,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Den dem Verwaltungsgerichtshof nur unvollständig vorgelegten Verwaltungsakten sowie den Ausführungen in der Beschwerde kann entnommen werden, daß der Bürgermeister der Marktgemeinde B zunächst mit einem Bescheid vom 16. Mai 1989 dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Silos, einer offenen Halle, einer Garage und eines Bürogebäudes auf dem Grundstück 758, KG B, erteilte. Dies offensichtlich deshalb, weil bei einer Bauverhandlung am 11. Mai 1989 festgestellt worden war, daß die im Bebauungsplan vorgesehene offene Bauweise in den hier in Betracht kommenden Straßen durch die bestehende Altverbauung nicht gegeben sei, und im gesamten Ortsbereich eine "geschlossene straßenseitige Bebauung" vorliege, "wobei die anschließenden Nebengebäude jeweils an den Grundgrenzen zu den Anrainern errichtet wurden". Auf Grund der Berufung einer Nachbarin behob der Gemeinderat der Marktgemeinde B mit Bescheid vom 8. Juni 1989 diese Baubewilligung gemäß § 66 Abs. 4 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß gemäß § 98 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) und dem für die Gemeinde gültigen Bebauungsplan vom 23. Dezember 1983 es nicht möglich sei, die projektierten Baulichkeiten auf Grund der vorliegenden Lagepläne direkt an der Grundgrenze zum Anrainer zu errichten, da in diesem Gebiet die offene Bauweise vorgesehen sei. Gemäß § 98 Abs. 1 (gemeint offensichtlich § 98 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976) sei der Bescheid aufzuheben, wenn sich aus dem Ansuchen und den angeschlossenen Unterlagen ergebe, daß das Vorhaben dem Bebauungsplan widerspreche.

Die vorgelegten Verwaltungsakten zeigen, daß in der Folge eine Änderung des Bebauungsplanes erfolgen sollte, doch lehnte der Gemeinderat eine solche Änderung ab. Da das Baubewilligungsverfahren vor der Baubehörde erster Instanz nicht fortgesetzt wurde, beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. August 1990 den Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeinderat gemäß § 73 AVG. Inhaltlich wurde in diesem Devolutionsantrag ausgeführt, daß der Bebauungsplan nicht gehörig kundgemacht worden sei, sodaß er auf den vorliegenden Rechtsfall nicht angewendet werden könne. Auch materiell-rechtlich verstoße der Bebauungsplan gegen die bestehende "Verbauungsweise", weil das verfahrensgegenständliche Grundstück nur eine geschlossene Verbauung aufweise und daher die offene Bauweise dem bestehenden Ortsbild widerspreche.

Mit einem Schreiben vom 13. März 1991 teilte der Bürgermeister dem Beschwerdeführer mit, daß auf Grund des Beschlusses des Gemeinderates vom 14. Februar 1991 - Ablehnung der beabsichtigten Änderung des Bebauungsplanes - die Baubehörde erster Instanz derzeit nicht berechtigt sei, das Bauansuchen wegen Widerspruchs zum Bebauungsplan weiter zu verfolgen.

Da der Gemeinderat den Devolutionsantrag nicht erledigte, erhob der Beschwerdeführer schließlich Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof, welche zur Zl. 91/05/0078 protokolliert wurde. Mit Verfügung vom 22. April 1991 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein und stellte die Beschwerde der belangten Behörde mit dem Auftrag zu, gemäß § 36 Abs. 2 VwGG innerhalb der Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Daraufhin teilte der Bürgermeister mit Schreiben vom 20. Juni 1991 namens des Gemeinderates mit, daß die Änderung des Bebauungsplanes in der Gemeinderatssitzung vom 14. Februar 1991 abgelehnt worden sei. Im Hinblick auf diese Ablehnung habe der Bürgermeister dem Beschwerdeführer am 13. März 1991 schriftlich mitgeteilt, daß das Bauansuchen wegen Widerspruchs zum Bebauungsplan nicht weiter verfolgt werden könne. Abschließend verwies der Bürgermeister darauf, daß bei der seinerzeitigen Beschlußfassung über den Bebauungsplan der Beschwerdeführer selbst anwesend gewesen sei. Mit Bescheid vom 2. Juli 1991 wurde der Devolutionsantrag abgelehnt. Daraufhin stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 24. September 1991 das Verfahren über die Säumnisbeschwerde ein.

Auf Grund einer Vorstellung des Beschwerdeführers behob die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 7. Mai 1992 die genannte Erledigung des Gemeinderates. Die Gemeindeaufsichtsbehörde vertrat die Ansicht, daß die vom Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 22. April 1991 eingeräumte Frist von drei Monaten am 3. August 1991 geendet habe, der Bescheid des Gemeinderates aber rechtswirksam erst am 20. August 1991 zugestellt worden sei, sodaß zu diesem Zeitpunkt eine Zuständigkeit des Gemeinderates gar nicht mehr vorgelegen sei. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Nach Zustellung dieses Bescheides beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof die Wiederaufnahme des mit Einstellung abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Diesem Antrag gab der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 30. Juni 1992 statt.

Über die sohin zulässige Säumnisbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach dem hier maßgeblichen Bebauungsplan der Gemeinde B, beruhend auf einem Beschluß des Gemeinderates vom 7. Dezember 1978, liegt das Grundstück des Beschwerdeführers in einem als Betriebsgebiet gewidmeten Bereich, für welchen eine 70 %ige Verbauung, die Bauklasse II, III und die offene Bebauungsweise festgesetzt worden ist. Nach § 21 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) beträgt der Bauwich, wenn im Bebauungsplan nicht durch eine Baufluchtlinie ein größerer seitlicher oder hinterer Bauwich festgelegt ist, was hier nicht der Fall ist, jeweils die Hälfte der Gebäudehöhe, mindestens aber 3 m. Ab der Bauklasse III und einer Gebäudelänge von 15 m beträgt der Bauwich die volle Gebäudehöhe. Sind zwei Bauklassen wahlweise festgelegt, dann gilt ab der Bauklasse III der seitliche und der hintere Bauwich entsprechend der höheren Bauklasse.

Entsprechend dieser Rechtslage hat der Gemeinderat in seinem Bescheid vom 8. Juni 1989 zutreffend festgestellt, daß das Bauvorhaben des Beschwerdeführers, weil es eine Bebauung direkt an der Grundgrenze zum Anrainer vorsieht, nicht zulässig ist. Der Gemeinderat hat in diesem Zusammenhang freilich zu Unrecht auf § 98 Abs. 1 BO verwiesen, weil diese Gesetzesstelle die Baubehörde nur u.a. zu der Prüfung verpflichtet, ob dem Vorhaben des Bauwerbers u.a. der Bebauungsplan entgegensteht. Nach § 98 Abs. 2 Satz 1 BO ist ein Antrag ohne Bauverhandlung abzuweisen, wenn er dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht. Da dies im Beschwerdefall zutrifft, hatte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 98 Abs. 2 BO ohne Durchführung weiterer Verfahrensschritte das Bauansuchen des Beschwerdeführers abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat allerdings in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes geltend gemacht. Angesichts dieser Bedenken hat der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 1. Oktober 1992 die Gemeinde aufgefordert, Unterlagen über die Erlassung des Bebauungsplanes vorzulegen und bekanntzugeben, ob und aus welchem Grund die Grundstücksbezeichnungen im Bebauungsplan mit jenen im Bauplan des Beschwerdeführers nicht übereinstimmen.

Aus den von der Gemeinde vorgelegten Unterlagen ergibt sich zunächst, daß auf Grund eines Beschlusses des Bezirksgerichtes Wolkersdorf vom 15. März 1984 eine Umnumerierung der Grundstücke erfolgt ist. Der Bebauungsplan selbst ist als Entwurf durch acht Wochen im Gemeindeamt aufgelegen und auch nach seiner Beschlußfassung durch den Gemeinderat ordnungsgemäß kundgemacht worden. Den Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach die offene Bebauungsweise gewissermaßen versehentlich festgelegt worden sei, kommt nach den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen keine Berechtigung zu. Gerade im Hinblick auf die unmittelbar angrenzende Widmung Bauland-Agrargebiet hat der Verwaltungsgerichtshof auch keine Bedenken inhaltlicher Natur gegen die Festlegung der offenen Bebauungsweise in diesem Bereich. Der Verwaltungsgerichtshof sah sich daher zu einer Antragstellung nach Art. 139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof wegen Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplanes nicht veranlaßt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 im Rahmen des gestellten Antrages. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderliche Stempelgebühren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050155.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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