TE Vwgh Beschluss 1992/11/25 92/13/0258

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Veröffentlicht am 25.11.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 impl;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge des Dr. A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, 1) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld, Berufungssenat I, vom 26.6.1992, Zl. 6/1 - 1252/91-01, betreffend Einkommensteuer 1989, und 2) auf Wiederaufnahme des mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 4.9.1992, 92/13/0190, abgeschlossenen Verfahrens über diese Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Beiden Anträgen wird nicht stattgegeben.

Begründung

Die am 13. August 1992 zur Post gegebene Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 26. Juni 1992, Zl. 6/1 - 1252/91-01, betreffend Einkommensteuer 1989, enthielt die Angabe, daß der angefochtene Bescheid dem Antragsteller am 29. Juni 1992 zugestellt worden sei. Mit Beschluß vom 4. September 1992, 92/13/0190, wies der Verwaltungsgerichtshof, ausgehend vom behaupteten Zustelldatum, die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurück.

Mit seinem, innerhalb der Fristen der §§ 46 Abs. 3 und 45 Abs. 2 VwGG zur Post gegebenen Schriftsatz macht der Antragsteller folgenden Sachverhalt geltend:

Der Antragsteller habe, als er seinen Rechtsvertreter aufgesucht und mit der Verfassung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beauftragt hatte, das Zustelldatum des angefochtenen Bescheides nicht mehr in Erinnerung gehabt und angekündigt, daß er nachsehen werde, ob er den Briefumschlag noch auffinden könne. Es habe daraufhin der Vertreter des Antragstellers, ausgehend vom Bescheiddatum 26. Juni 1992, den frühestmöglichen Zustelltermin mit dem 29. Juni 1992, einem Montag, errechnet. Dementsprechend sei im Kanzleikalender des Rechtsvertreters als letzter Tag für die Beschwerdeeinbringung der 10. August 1992 vorgemerkt worden. Als an diesem Tag die Beschwerde bereits unterfertigt und kuvertiert zur Übergabe an die Post bereit gelegen sei, habe der Antragsteller in der Kanzlei seines Rechtsvertreters angerufen und die Kanzleileiterin ersucht, die Beschwerde noch nicht abzufertigen, da er sie zuerst mit einem ihm bekannten Finanzbeamten durchbesprechen wolle. Dem Hinweis auf die zwingende Erforderlichkeit der Abfertigung der Beschwerde wegen des letzten Tages der Beschwerdefrist sei der Antragsteller mit der Information begegnet, daß er den Briefumschlag nunmehr gefunden habe, aus welchem hervorgehe, daß die Beschwerde am 6. Juli 1992 zugestellt worden sei. Nach einer telefonisch eingeholten Bestätigung der Richtigkeit dieses vom Antragsteller genannten Zustelldatums bei der belangten Behörde habe die Kanzleileiterin den letzten Tag für die Beschwerdeeinbringung mit dem 17. August 1992 errechnet und dem Antragsteller mitgeteilt, daß seinem Wunsch entsprochen und mit der Abfertigung der Beschwerde zugewartet werde. Als der Antragsteller am 12. August 1992 bekanntgegeben habe, daß die Beschwerde in der vorliegenden Form abgefertigt werden könne, habe die Kanzleileiterin die Beschwerde am 13. August 1992 zur Post gebracht. Der - zum Zeitpunkt des Anrufs des Antragstellers am 10. August 1992 nicht anwesend gewesene - Rechtsvertreter des Antragstellers habe von all dem nichts erfahren. Seine Kanzleileiterin sei seit zehn Jahren bei ihm beschäftigt und führe unter seiner nachprüfenden Kontrolle sämtliche Fristvormerke durch. Eigenständige Änderungen von Fristen seien noch nie vorgekommen. Da sich die Kanzleileiterin subjektiv eines Fehlers gar nicht bewußt gewesen sei, habe sie letztendlich die Beschwerde auch abgefertigt, ohne den Rechtsvertreter des Antragstellers von der Fristverschiebung zu informieren.

Gestützt auf dieses Vorbringen begehrt der Antragsteller zum einen die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist mit der Begründung, daß das Unterlassen des Ausbesserns des in der Beschwerde angegebenen Zustelldatums durch die erfahrene Kanzleibedienstete als unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis angesehen werden müsse, durch welches die vom unrichtig angegebenen Zustelldatum ausgehend berechnete Beschwerdefrist versäumt worden sei. Zum anderen begehrt der Antragsteller die Wiederaufnahme des mit dem die Beschwerde zurückweisenden Beschluß abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und begründet dieses Begehren damit, daß der verwaltungsgerichtliche Beschluß auf einer nicht von ihm oder seinem Vertreter verursachten irrigen Annahme der Versäumung der Beschwerdefrist beruhe.

Beide Anträge müssen erfolglos bleiben.

Voraussetzung jeder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 46 Abs. 1 VwGG die Versäumung einer Frist, und zwar nicht eine fiktive, sondern eine tatsächliche Fristversäumung (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 25. März 1992, 91/13/0051, 0052, mit weiteren Nachweisen). Das Antragsvorbringen über die tatsächliche Zustellung des angefochtenen Bescheides am 6. Juli 1992 entzieht dem Wiedereinsetzungsantrag damit die Erfolgsaussicht, was auch aus dem Argument des Antragstellers zur Begründung der begehrten Wiederaufnahme des Verfahrens deutlich wird, wonach die Annahme des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Versäumung der Beschwerdefrist irrig sei.

Für die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens ist in der vom Antragsteller herangezogenen Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG nun zwar nicht, wie er formuliert, gefordert, daß die irrige Annahme der Fristversäumung von der Partei nicht verursacht, sondern daß sie von ihr nicht verschuldet wurde. Auch davon kann aber bei Beurteilung des Antragsvorbringens nicht die Rede sein. Der geringe Grad des der Kanzleileiterin anzulastenden Verschuldens hilft dem Beschwerdeführer deswegen nichts, weil ein Wiederaufnahmebegehren nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG nicht wie § 46 Abs. 1 leg. cit. einen minderen Grad des Versehens, sondern Verschuldensfreiheit voraussetzt (vgl. den bereits zitierten hg. Beschluß vom 25. März 1992, 91/13/0051, 0052). Diese wurde aber ausgeschlossen schon durch die vom Antragsteller und seinem Vertreter eingehaltene Vorgangsweise, anstelle rechtzeitiger Nachforschungen über das tatsächliche Zustelldatum ein fiktives Zustelldatum zu ermitteln und zur Grundlage der Beschwerdebehauptungen und der darauf aufbauenden ursprünglichen Fristvormerkung zu machen.

Es war dem Wiedereinsetzungsantrag daher gemäß § 46 VwGG und dem Wiederaufnahmeantrag gemäß § 45 VwGG nicht stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992130258.X00

Im RIS seit

25.11.1992

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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