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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Jänner 1992, Zl. MA 61/IV - K 544/91, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Jugoslawiens, die nach der Aktenlage seit September 1983 ununterbrochen ihren ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hat, hat am 12. Februar 1990 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und des weiteren am 2. Mai 1990 um deren Erstreckung auf ihre in der Zwischenzeit am 24. April 1990 geborene Tochter S angesucht. Mit (der Beschwerdeführerin am 11. März 1991 zugestelltem) Bescheid der Wiener Landesregierung vom 29. November 1990 wurde der Beschwerdeführerin und ihrer minderjährigen Tochter "die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung)" gemäß § 20 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), für den Fall zugesichert, daß die Beschwerdeführerin für sich und ihre Tochter binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem jugoslawischen Staatsverband erbringt.
Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Jänner 1992 wurde gemäß § 20 Abs. 2 StbG die genannte Zusicherung widerrufen (Punkt I) und gemäß § 10 StbG das Begehren der Beschwerdeführerin auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abgewiesen (Punkt II.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Den mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Widerruf der Zusicherung hat die belangte Behörde damit begründet, daß sie bei Erlassung des Zusicherungsbescheides in der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin "bereits seit 1985 bei der selben Firma als Küchengehilfin beschäftigt" gewesen sei, einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für eine vorzeitige Einbürgerung im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG gesehen habe, die Beschwerdeführerin jedoch in der Folge, d.h. nach Beendigung ihres Karenzurlaubes, keine Beschäftigung mehr angenommen habe, sondern derzeit von einer "Sozialnotstandshilfe" von täglich S 160,-- lebe. Der besonders berücksichtigungswürdige Grund für die vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft, nämlich die mehrjährige ununterbrochene Berufstätigkeit in Österreich, sei somit weggefallen. Gemäß § 20 Abs. 2 StbG sei die Zusicherung zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfülle. Da im konkreten Fall eine solche Voraussetzung weggefallen sei, die Beschwerdeführerin noch keinen zehnjährigen ununterbrochenen ordentlichen Wohnsitz in Österreich nachweisen könne und im Verfahren auch kein anderer besonders berücksichtigungswürdiger Grund für eine vorzeitige Verleihung habe gefunden werden können, sei (auch) ihr Begehren abzuweisen gewesen.
Damit hat aber die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Es kann unerörtert bleiben, ob der von der belangten Behörde bei Erlassung des Zusicherungsbescheides angenommene Grund als ein "besonders berücksichtigungswürdiger" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG anzusehen war und verneinendenfalls nicht davon gesprochen werden könnte, daß die Beschwerdeführerin diese Verleihungsvoraussetzung gemäß § 20 Abs. 2 leg. cit. "nicht mehr" erfülle. Diese (nach Ansicht der belangten Behörde vorgelegene) Verleihungsvoraussetzung erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nämlich jedenfalls - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - weiterhin gegeben. An der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin "bereits seit 1985" (der Aktenlage nach seit 10. Oktober 1985) bis zur Erlassung des Zusicherungsbescheides (am 11. März 1991) ununterbrochen (und demnach zufriedenstellend) beim selben Dienstgeber beschäftigt war, änderte sich dadurch, daß sie nach Beendigung ihres Karenzurlaubes dieses Beschäftigungsverhältnis aufgegeben hat, nachträglich nichts. Die belangte Behörde, die der Aktenlage nach davon in Kenntnis war, daß sich die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Geburt ihrer Tochter (voraussichtlich bis 23. April 1991) im Karenzurlaub befinde, konnte bei Erlassung des Zusicherungsbescheides nicht davon ausgehen, daß das Beschäftigungsverhältnis der Beschwerdeführerin in der Folge aufrecht bestehen bleibt. Eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses konnte weder von seiten des Dienstgebers nach Beendigung des Kündigungs- und Entlassungschutzes der Beschwerdeführerin nach dem Mutterschutzgesetz noch von seiten der Beschwerdeführerin ausgeschlossen werden. Die Beschwerdeführerin - der im übrigen, soweit aktenkundig, mangels einer Begründung des Zusicherungsbescheides gar nicht bekannt war, welchen "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" die belangte Behörde herangezogen hat - traf keine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses. Allerdings wäre dann, wenn dadurch der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin nicht hinreichend gesichert wäre oder sie sich ohne ihr Verschulden in einer finanziellen Notlage befände, eine andere Verleihungsvoraussetzung, und zwar die des § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG, weggefallen. Daß aber die belangte Behörde davon ausgegangen wäre, läßt sich der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnehmen, wobei in ihrer Gegenschrift sogar betont wird, daß diese Verleihungsvoraussetzung unverändert gegeben sei.
Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Ansicht vertritt, daß solche Notsituationen eines Fremden, wie sie derzeit bei der Beschwerdeführerin vorlägen, nicht auch eine vorzugsweise Einbürgerung, welche nur ausnahmsweise zum Tragen kommen solle, rechtfertigen könnten, so ist ihr entgegenzuhalten, daß auf diesen Umstand schon bei Erlassung des Zusicherungsbescheides, in welchem Zeitpunkt sie auch mit dieser möglichen, für sie bedeutsamen Änderung des Sachverhaltes hätte rechnen müssen, Bedacht zu nehmen gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin hat durch die Zusicherung einen durch ihr Ausscheiden aus dem Verband ihres bisherigen Heimatstaates innerhalb von zwei Jahren bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft erworben (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Mai 1992, Zl. 92/01/0020, und die dort angeführte Judikatur), in welchen mit dem angefochtenen Bescheid im Hinblick darauf, daß - wie gesagt - ein Widerrufsgrund nach § 20 Abs. 2 StbG nicht eingetreten ist, rechtswidrig eingegriffen wurde. Bei diesem Ergebnis braucht auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verletzung des Parteiengehörs und ihr Vorbringen hinsichtlich ihrer Bemühungen um das Ausscheiden aus dem (ehemals) jugoslawischen Staatsverband und um den Erhalt eines Kinderkrippenplatzes für ihre Tochter in W, um (wieder) einer geregelten Beschäftigung nachgehen zu können, nicht eingegangen zu werden. Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010582.X00Im RIS seit
11.07.2001