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L46108 Tierhaltung Vorarlberg;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 25. Mai 1992, Zl. 1-064/91/E2, betreffend Bestrafung gemäß § 18 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Tierschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 11. Juni 1991 in dessen Punkt 3 (betreffend die Punkte 1 und 2 des angefochtenen Erstbescheides erfolgte eine Aufhebung) mit der Maßgabe, daß dieser Teil des Spruches wie folgt formuliert wurde:
"M hat am 27.12.1990 in der Zeit bis 10.40 Uhr dadurch, daß er quer vor der Hafenausfahrt des Hafens Bilgeribach in Bregenz ein ca. 30 m langes Bodennetz ausgelegt hielt, in welchem sich ein Haubentaucher und eine Reiherente verfangen haben und in der Folge verendet sind sowie ein sich verfangener Haubentaucher verletzt hat, diesen Tieren ungerechtfertigt Schmerzen und Leiden zugefügt und sie unnötig in schwere Angst versetzt. Er hat dadurch eine Übertretung des § 18 Abs. 1 lit. b des Tierschutzgesetzes begangen, weshalb er gemäß § 18 Abs. 1 leg. cit. mit einer Geldstrafe von S 3.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bestraft wird. Der auf ihn entfallende Verfahrenskostenbeitrag für die erste Instanz beträgt gemäß § 64 Abs. 2 VStG 10 v.H. der verhängten Strafe, das sind S 300,--."
Als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens wurde mit 20 v.H. der verhängten Geldstrafe ein Betrag von S 600,-- festgesetzt.
Die belangte Behörde traf im wesentlichen folgende Feststellungen: Der Beschwerdeführer habe mit der Auslegung des Netzes den Zweck verfolgt, die im Hafenbecken vorhandenen Köderfische vor Wasservögeln zu schützen. Der staatliche Fischereiaufseher habe am 27. Dezember 1990 anläßlich eines Uferkontrollganges um 10.40 Uhr festgestellt, daß sich in dem betreffenden Netz ein Haubentaucher und eine Reiherente verfangen hätten und verendet seien. Außerdem habe sich im Netz ein Haubentaucher verfangen, der sich - an den Füßen und Flügeln durch die dünnen, einschneidenden Nylonfäden verletzt - auf Grund seines geschwächten Zustandes vergeblich bemühte, aus dem Netz frei zu kommen. Das verletzte Tier sei vom Fischereiaufseher R gemeinsam mit einem gerade anwesenden Bootseigner befreit worden.
Rechtlich vertrat die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 18 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Tierschutzgesetzes LGBl. Nr. 31/1982 (in der Folge kurz TierschutzG) folgende Auffassung:
Dem Argument des Beschwerdeführers, es liege keine Verwaltungsübertretung vor, weil das wegen derselben Tat eingeleitete gerichtliche Strafverfahren mit Beschluß des BG Bregenz gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt worden sei, sei nicht zu folgen, weil gerade in einem solchen Fall davon auszugehen sei, daß allenfalls eine subsidäre Verwaltungsübertretung vorliege. Das Tatbild des § 222 StGB enthalte einen qualifizierteren Tatbestand als § 18 Abs. 1 lit. b TierschutzG.
Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer im Auftrag seines Sohnes gehandelt habe, ändere an seiner Strafbarkeit als unmittelbarer Täter nichts.
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt habe der für Veterinärangelegenheiten zuständige Amtssachverständige dargetan, daß das Ertrinken oder Ersticken (Fixieren unter Wasser) auch von Wasservögeln als absolut lebensfeindlich und instinktwidrig empfunden werde. Neben den physischen Schmerzen durch die Befreiungsversuche und das einschneidende dünne Netz trete vor allem eine länger dauernde psychische Streßsituation in Form von Todesangst auf. Die Schmerzen seien durch Unlustgefühle begründet worden, die den Tieren durch die Fixierung mit dem Netz und die daraufhin im Rahmen der Befreiungsversuche entstandenen Verletzungen entstanden seien. Die erlittenen Zustände seien auch als Leiden zu klassifizieren, da das Ertrinken bzw. Fixieren unter Wasser der Wesensart eines Tieres zuwiderlaufe und instinktwidrig vom Tier gegenüber seinem Selbst- und Arterhaltungstrieb als lebensfeindlich empfundene Einwirkung und Beschränkung seines Wohlbefindens erlebt werde. Als Schäden seien diese Zustände deshalb zu beurteilen, da sie infolge von Schmerzen und Leiden eine bleibende Beeinträchtigung der Unversehrtheit des Tieres hervorgerufen hätten. Es sei unbestritten, daß Säugetiere und Vögel schmerz- und leidensfähig seien.
Dies wertete die belangte Behörde als Erfüllung des Tatbestandes der oben zitierten Bestimmung des Tierschutzgesetzes. Dem Argument des Beschwerdeführers, die Netzabsperrung sei eine berechtigte Maßnahme des Eigentümers gewesen und im Hinblick auf § 2 Abs. 1 TierschutzG stelle auch das gelegentliche "Verhaddern" keine Übertretung des TierschutzG dar, hielt die belangte Behörde entgegen, daß die zitierte Ausnahmebestimmung nur für jene Handlungen gelte, die in waidgerechter Ausübung der Jagd oder der Fischerei vorgenommen würden oder die zur Vertilgung schädlicher Tiere notwendig seien. Diese Voraussetzungen lägen jedoch beim Beschwerdeführer nicht vor. Die Regeln der Waidgerechtigkeit seien nämlich von einer besonderen Achtung vor dem Tier getragen und verpflichteten den Fischer zu einem besonders tierschützerischen Verhalten. Die Verantwortung des Beschuldigten habe keinen Hinweis dafür erbracht, daß er etwa durch vermehrte Kontrollen oder durch andere geeignete Verhaltensweisen (etwa Scheuchanlagen) die hier eingetretenen (und bei zwei Tieren bis zum Verenden führenden) Verletzungen von Tieren abzuwenden versucht hätte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht nach § 18 Abs. 1 lit. b TierschutzG bestraft zu werden, verletzt. Die Strafhöhe wird vom Beschwerdeführer nicht bekämpft.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 18 Abs. 1 lit. b TierschutzG begeht eine Übertretung und ist, wenn keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen, wer einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt oder es unnötig in schwere Angst versetzt.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 leg. cit. gilt das TierschutzG nicht für Handlungen, die in waidgerechter Ausübung der Jagd oder der Fischerei vorgenommen werden oder zur Vertilgung schädlicher Tiere notwendig sind.
Nach § 3 Abs. 2 Bodenseefischereigesetz, LGBl. 34/1976, ist die Fischerei so auszuüben, daß das Leben und die Gesundheit von Menschen nicht gefährdet, ein wertvoller und artenreicher Bestand an Fischen einschließlich ihrer Lebensgrundlagen erhalten und die sonst im und am Bodensee lebende Tierwelt nicht mehr als notwendig beeinträchtigt wird.
Gemäß § 27 Abs. 1 lit. d des Vorarlberger Jagdgesetzes, LGBl. 32/1988, muß so gejagd werden, daß das öffentliche Interesse am Schutz der Tiere vor Quälerei nicht verletzt und die Jagdausübung in benachbarten Jagdgebieten nicht unnötig gestört wird (Grundsätze der Waidgerechtigkeit).
Die Beschwerde wendet sich inhaltlich im Rahmen der Darstellung beider Beschwerdegründe allein gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht waidgerecht gehandelt und vermißt insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens und Feststellungen zur Frage, wie im gegenständlichen Fall Köderfische waidgerecht vor Vögeln und anderen Tieren geschützt werden können.
Dazu ist folgendes zu sagen: Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 TierschutzG kann dem Beschwerdeführer nur zugute kommen, wenn die von ihm gesetzten Maßnahmen als im Rahmen der waidgerechten Ausübung der Fischerei gelegen anzusehen wären. Beim Begriff der Waidgerechtigkeit handelt es sich zunächst um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der als Sammelbegriff alle ungeschriebenen und geschriebenen Regeln für das einwandfreie Beherrschen des Jagdhandwerkes und die ethische Einstellung des Jägers zum Mitmenschen und zum Tier betreffen (vgl. Berrens u. a. Jagdlexikon 629). Da das TierschutzG diesen Begriff auch in bezug auf die Ausübung der Fischerei verwendet, hat das gerade für die Jagd Gesagte entsprechend für die Fischerei zu gelten. In der hg. Judikatur wurde ausgesprochen, daß die Jagd dann waidgerecht ausgeübt wird, wenn sie in einer Weise ausgeführt wird, die dem herkömmlichen Jagdgebrauch entspricht (vgl. das zum Tiroler Jagdgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 6. November 1958, Zl. 1951/58 Slg. N.F. Nr. 4801/A sowie das zum Kärntner Jagdgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 5. April 1974, Zl. 2015/73). In diesem Sinn ist die Frage waidgerechten Verhaltens von einer Tatfrage abhängig, nämlich der des herrschenden Jagdgebrauches, zu deren Klärung die Einholung eines einschlägigen Sachverständigengutachtens und das Treffen entsprechender Tatsachenfeststellungen erforderlich gewesen wären. Es haftet dem angefochtenen Bescheid aber dessenungeachtet keine Rechtswidrigkeit an, weil der Begriff der Waidgerechtigkeit des § 2 Abs. 1 TierschutzG gerade im Bundesland Vorarlberg durch § 27 Abs. 1 lit. d des Jagdgesetzes, LGBl. 32/1988, eine normative Prägung dahin erfahren hat, daß das öffentliche Interesse am Schutz der Tiere vor Quälerei ausdrücklich zum Inhalt der Grundsätze der Waidgerechtigkeit gemacht wurde. Dazu kommt, daß für den hier gegenständlichen Bereich der Fischerei § 3 Abs. 2 des Bodenseefischereigesetzes normiert, daß die Fischerei so auszuüben ist, daß unter anderem die sonst im und am Bodensee lebende Tierwelt nicht mehr als notwendig beeinträchtigt wird. Auch die letztgenannte Bestimmung erfüllt sohin den Begriff der Waidgerechtigkeit des § 2 Abs. 1 TierschutzG mit normativem Inhalt. Aus der kombinierten Anwendung des § 27 Abs. 1 lit. d Jagdgesetz und des § 3 Abs. 2 Bodenseefischereigesetz ergibt sich daher schon auf rechtlicher Ebene, daß im vorliegenden Fall das Verhalten des Beschwerdeführers nicht als waidgerechte Ausübung der Fischerei i.S. des § 2 Abs.1 TierschutzG angesehen werden kann, wurden doch den im Netz "verhadderten" Vögeln physische Schmerzen und darüber hinaus psychischer Streß in Form von Todesangst zugefügt. Die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, der Beschwerdeführer wäre bei waidgerechtem Verhalten zur besonderen Achtung vor dem Tier sowie zu vermehrten Kontrollen und anderen Schutzmaßnahmen zugunsten seiner Köderfische verpflichtet gewesen, erweist sich daher als frei von der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit. Aus diesem Grund war auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des waidgerechten Verhaltens entbehrlich, weil (wie oben dargelegt) bereits auf rechtlicher Ebene zu erkennen ist, daß die vom Beschwerdeführer gesetzte Tat nicht unter die Ausnahmenorm des § 2 Abs. 1 TierschutzG fällt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher insgesamt als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Parteiengehör Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010594.X00Im RIS seit
07.03.2002