Index
L65000 Jagd Wild;Norm
ForstG 1975 §17 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in Wien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 19. September 1989, Zl. 2523/5/1989-III, betreffend die Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: F in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. September 1989 erteilte die Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan (belangte Behörde) gemäß den §§ 17, 18 und 19 des Forstgesetzes 1975 in der geltenden Fassung dem Mitbeteiligten über dessen Antrag vom 27. Juni 1989 die nachträgliche Rodungsbewilligung für eine Teilfläche von 900 m2 (dauernde Rodung von 500 m2 für die Fütterungsanlagen und 200 m2 für den Zufahrtsweg, befristete Rodung im Ausmaß von 200 m2 für Böschungen) des Waldgrundstückes nn1 KG D für die Wildfütterungsanlage."X". Für die Fütterungsanlage "Y" (im Ausmaß von 500 m2) wurde die nachträglich beantragte Rodungsbewilligung versagt.
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid nach Wiedergabe der Gutachten des forsttechnischen und des jagdlichen Sachverständigen im wesentlichen damit, daß die zur Beurteilung vorliegenden Fütterungseinrichtungen Waldboden in einem so großen Ausmaß in Anspruch nähmen, daß auch ohne Eingehen auf die Frage der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Anlagen eine Subsumierung ausschließlich unter die Zwecke der Waldkultur im Sinne des § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 nicht erfolgen könne. Es werde daher von der Behörde eine Rodungsbewilligung als notwendig erachtet, dies bewußt im Gegensatz zu sonst ortsüblichen Einrichtungen der Forst- und Jagdwirtschaft. Für beide Fütterungen könne ein überwiegendes öffentliches Interesse nicht festgestellt werden. Sowohl die Ausführungen des forstlichen als auch die des jagdlichen Sachverständigen seien ausführlich und träfen die zur Entscheidungsfindung erforderlichen fachlichen Aussagen. Das öffentliche Interesse an der Rodung und damit an der Verwirklichung des Rodungszweckes - Weiterbestehen der Fütterungsanlage "X" - überwiege jedoch aufgrund der Feststellungen des jagdlichen Sachverständigen das öffentliche Interesse an der Erhaltung der im Verhältnis zur jagdlich zu bewirtschaftenden Fläche sehr geringen Waldfläche, sodaß spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 des Forstgesetzes gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenäußerung, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird nach Wiedergabe der Begründung des Bescheides im wesentlichen ausgeführt, es sei gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle könne jedoch eine Rodungsbewilligung erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiege. Der folgende Absatz 3 enthalte eine demonstrative Aufzählung der bedeutendsten "öffentlichen Interessen", sei aber nicht erschöpfend. Das Zutreffen "sonstiger öffentlicher Interessen" - u.a. Errichtung einer Wildfütterungsanlage - sei von der jeweils fachlich zuständigen öffentlichen Stelle eingehend zu bescheinigen. Demgemäß dürfe eine Rodungsbewilligung nur dann erteilt werden, wenn ein für ein bestimmtes Rodungsvorhaben bestehendes öffentliches Interesse festgestellt werde, welches das gesetzlich festgelegte und somit dauernd bestehende öffentliche Interesse an der Erhaltung von Waldflächen übersteige. Die zur Entscheidung zuständige Behörde habe in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob öffentliche für das Rodungsvorhaben sprechende Interessen geltend gemacht würden und ob solche tatsächlich bestünden. Treffe dies zu, dann habe sie diese Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald abzuwägen und die so gewonnene Entscheidung entsprechend zu begründen. Selbst das Vorhandensein eines solchen öffentlichen Interesses, das für die Rodung spreche, sei als Voraussetzung für die Erteilung einer Rodungsbewilligung nicht ausreichend, da dieses öffentliche Interesse schwerer wiegen müsse als das öffentliche Interesse an der Walderhaltung.
Es habe die belangte Behörde zur Prüfung des öffentlichen Interesses an der Errichtung der Wildfütterungsanlagen ein Sachverständigengutachten des zuständigen Bezirksjägermeisters eingeholt, in welchem ausgeführt werde, daß die in Rede stehenden Wildfütterungsanlagen etwas überdimensional ausgefallen seien und die Errichtung von zwei zusätzlichen Fütterungen nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, jedoch bei gleichmäßiger Beschickung aller Fütterungen große Wildkonzentrationen (mit der Gefahr zusätzlicher Wildschäden) an einer Großfütterung vermieden werden könnten. Der Sachverständige befürworte zwar im allgemeinen die Fütterungsanlagen und ihre Bedeutung für die Rotwilderhaltung, lasse jedoch erkennen, daß eine unbedingte Notwendigkeit zur Errichtung dieser Großanlagen nicht bestanden habe. Eine ausreichend fachlich fundierte Darlegung, inwieweit das Projekt tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, lasse sich aus dem Gutachten nicht entnehmen.
Der Amtssachverständige für Forsttechnik habe in seinem Gutachten angegeben, daß die X-Fütterung bereits im Sommer 1988 auf dem Grundstück Nr. 4268/1 errichtet worden sei, welches in den Jahren 1976 bis 1980 im Zuge des Schutzwaldförderungsprojektes Z einer Sanierung zugeführt worden und somit Schutzwald gemäß § 21 Abs. 2 lit. f Forstgesetz sei. Die in diesem Bereich versetzten Pflanzen wiesen ein gutes Wachstum auf; der Mitbeteiligte habe für Schutzwaldsanierungsmaßnahmen in seinem gesamten Besitz einen Bundeszuschuß von 1,4 Millionen und einen Landeszuschuß von 717.700,-- Schilling erhalten. Die in diesem zu schützenden Waldgebiet errichtete Fütterungsanlage liege im Bereich der G-Schiabfahrt und des Wanderweges X-H, und es sei daher die nötige Ruhe für die Fütterung nicht mehr gegeben. Auch sei es durch die überdimensionale Anlage innerhalb eines relativ kleinflächigen Gebietes zu einer Anhäufung von Fütterungen gekommen, weshalb diese Maßnahme mangels Notwendigkeit im Widerspruch zum Interesse der Walderhaltung, im besonderen der Schutzwalderhaltung liege.
In der Beschwerde wird zusammenfassend dargetan, daß der in der Begründung des angefochtenen Bescheides vorgenommenen rechtlichen Beurteilung neben einer unter Vorbehalten argumentierenden positiven Stellungnahme des jagdlichen Sachverständigen ein ausführliches negatives forsttechnisches Gutachten zur Frage eines öffentlichen Interesses im Sinne des Rodungszweckes zugrundeliege. Aus der Begründung des jagdlichen Sachverständigen, insbesondere daß die Errichtung der Fütterung X zwar im allgemeinen öffentlichen Interesse der Rotwilderhaltung liege, doch aufgrund der unmittelbaren Nähe der Liftabfahrt zusätzlichen Streß für das Wild bringe und eine Anlage in dieser überdurchschnittlichen Größenordnung nicht von unbedingter Notwendigkeit sei, ergäbe sich nicht eindeutig positiv ein öffentliches Interesse an der Wildfütterungsanlage. Es habe sich vor allem der Amtssachverständige für Forsttechnik in diesem Sinne gegen die Annahme des öffentlichen Interesses an der verfahrensgegenständlichen Fütterungsanlage ausgesprochen und darauf hingewiesen, daß durch die nicht vermeidbare Wildkonzentration noch mit weiteren Schäden durch Fegen und Schlagen an Lärchen und Zirben zu rechnen sein werde und der maschinelle Eingriff in das Gelände, infolge der großzügig vorhandenen Anlagenteile, mit dem Schutzwaldförderungsprojekt "Z" nicht vereinbar sei. Es ergebe sich sohin, daß nach der Begründung des angefochtenen Bescheides keine ausreichende Interessensabwägung erfolgt sei.
Die Beschwerde erweist sich als berechtigt.
Gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann jedoch eine Rodungsbewilligung erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt.
Es darf daher eine Rodungsbewilligung dann erteilt werden, wenn ein für ein bestimmtes Rodungsvorhaben bestehendes öffentliches Interesse festgestellt worden ist, welches das gesetzlich festgelegte und somit dauernd bestehende öffentliche Interesse an der Erhaltung von Waldflächen übersteigt.
Der folgende Absatz 3 enthält eine demonstrative Aufzählung "öffentlicher Interessen", sie ist aber nicht erschöpfend. Daß solche unter anderem auch jagdliche Interessen sein können, ist richtig.
Es hat die zur Entscheidung zuständige Behörde in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob öffentliche für das Rodungsvorhaben sprechende Interessen geltend gemacht wurden und ob solche tatsächlich bestehen. Trifft dies zu, dann hat sie diese Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald abzuwägen und die so gewonnene Entscheidung entsprechend zu begründen. Das öffentliche Interesse an der Rodung muß schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Walderhaltung.
Im vorliegenden Fall holte die belangte Behörde zur Beurteilung des behaupteten öffentlichen Interesses an der beantragten Rodung sowohl ein Gutachten eines jagdlichen Amtssachverständigen als auch ein Gutachten eines forsttechnischen Amtssachverständigen ein. Diese Gutachten sind jeweils schlüssig, kommen jedoch zu verschiedenen Ergebnissen.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vorgenommene rechtliche Beurteilung im Hinblick auf die vom Forstgesetz vorgeschriebene Interessenabwägung auf Grund der vorliegenden Gutachten insoweit nicht nachvollziehbar, als selbst im jagdlichen Gutachten Bedenken (Streßgefahr für das Wild infolge Dimensionierung der Anlage und Nähe einer Liftanlage) gegen die bestehende Wildfütterungsanlage, für deren Errichtung um die nachträgliche Rodungsbewilligung angesucht wurde, enthalten sind und erkennbar zum Ausdruck kommt, daß für die jagdliche Befürwortung insbesondere auch die einer Wildkonzentration bei bloß einer derartigen Großanlage entgegenwirkende Verteilung des Wildes auf beide beantragten Fütterungsanlagen von Bedeutung war. In dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Gutachten des jagdlichen Sachverständigen heißt es nämlich zu dieser Frage, die Errichtung von zwei zusätzlichen Fütterungen wäre sicherlich nicht unbedingt notwendig gewesen, es werde jedoch darauf verwiesen, daß durch die Anlage mehrerer Fütterungen bei gleichmäßiger Beschickung aller Fütterungen große Wildkonzentrationen an einer Großfütterung vermieden werden und damit durch Streßsituationen hervorgerufene zusätzliche Wildschäden verhindert werden könnten. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nun aber die Bewilligung der Fütterungslanlage "Y" versagt und nur jene für die Großfütterungsanlage "X" erteilt, welch letztere Gegenstand der vorliegenden Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof ist. Damit scheint ein nicht unwesentlicher Aspekt der letztlich positiven jagdsachverständigen Begutachtung des Vorhabens weggefallen zu sein. Das forsttechnische Gutachten hingegen hat sich ganz eindeutig gegen das beantragte Projekt ausgesprochen. Daraus folgt aber auch, daß das behauptete öffentliche Interesse an der Rodung das gegebene Interesse an der Walderhaltung keineswegs überwiegt. Wenn der Mitbeteiligte in seiner Gegenäußerung zur Beschwerde weitwendig ausführt, daß die beantragte Rodungsfläche im Gesamtverhältnis zu seinem Waldbesitz ("Promille") als äußerst gering anzusehen sei und es auch im allgemeinen öffentlichen Interesse liege, das Hochwild zu erhalten, ist dem entgegenzuhalten, daß er in dieser Gegenäußerung selbst vorgebracht hat, daß die in Rede stehende Fütterungsanlage dem im gesamten Kessel vorhandenen Hochwild diene; daraus folgt aber auch, daß es - wie vom forsttechnischen Sachverständigen dargelegt - durch die damit verbundene Wildkonzentration zu weiteren Waldschäden kommen könnte. Soweit in der Gegenäußerung des Mitbeteiligten der Standpunkt vertreten wird, daß er als Grundeigentümer und Jagdausübungsberechtigter für die Errichtung einer Fütterungsanlage weder nach den Bestimmungen des Forstgesetzes noch nach denen des Kärntner Jagdgesetzes zuerst eine Rodungsbewilligung einzuholen habe, weil diese Gesetze derartiges nicht vorsähen, ist darauf zu erwidern, daß durch das beantragte Vorhaben Waldboden eindeutig der Waldkultur im Sinne des § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes entzogen und zu anderen Zwecken verwendet wird.
Die belangte Behörde hätte daher bei richtiger Abwägung der öffentlichen Interessen im gegenständlichen Rodungsverfahren der gefahrlosen Erhaltung der betroffenen Schutzwaldflächen - um solche handelt es sich unbestrittenermaßen - gegenüber den jagdlichen Interessen des Mitbeteiligten den Vorrang einräumen müssen. Dadurch, daß sie jedoch trotz des gegebenen Sachverhaltes die beantragte (nachträgliche) Rodungsbewilligung mit dem angefochtenen Bescheid erteilt hat, hat sie diesen mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Schlagworte
Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Verhältnis zu anderen Normen Materien ForstrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989100237.X00Im RIS seit
03.05.2001