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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung ArbeitsmarktförderungsG §18 Abs2 litcLeitsatz
Versagung der Erteilung einer Konzession zur Ausübung entgeltlicher Musikervermittlung; Bedarfsprüfung verfassungswidrig; verfassungskonforme Auslegung des §18 Abs2 litc Arbeitsmarktförderungsgesetzes jedoch möglich; Subsidiarität der privaten entgeltlichen Arbeitsvermittlung gegenüber der staatlichen Arbeitsvermittlung und der unentgeltlichen Arbeitsvermittlung sachlich gerechtfertigt und keine übermäßige Beeinträchtigung der Erwerbsausübungsfreiheit DritterSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden des Beschwerdevertreters die mit S 15.000 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 11. April 1989 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Bewilligung zur Ausübung der entgeltlichen Musikervermittlung gemäß §18 Abs2 litc des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. 31/1969 idF der Novelle BGBl. 388/1976 (in der Folge: AMFG), abgelehnt. Der Bescheid ist insbesondere damit begründet, daß die bestehenden Musikervermittlungseinrichtungen ausreichend seien, um den derzeitigen Bedarf, der durch rückläufige Vermittlungszahlen gekennzeichnet sei, zu befriedigen.
2.a) Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Erwerbsfreiheit verletzt worden zu sein und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, begehrt. Der Beschwerdeführer erachtet die den Bescheid tragende Vorschrift des §18 Abs2 litc AMFG, derzufolge eine Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn ein Bedarf vorhanden sei, als mit Art6 StGG in Widerspruch stehend und daher für verfassungswidrig.
b) Der belangte Bundesminister hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde und des Abtretungsantrages begehrt. Zu der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit der den Bescheid tragenden Bestimmung stellte der Bundesminister fest, daß er bei Erlassung des Bescheides das gültige einfache Gesetz anzuwenden und keine Möglichkeit hatte, die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des AMFG zu beurteilen und vertritt die Ansicht, der gegenständliche Bescheid verstoße nicht gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das AMFG enthält im III. Abschnitt (§§9 - 18) Bestimmungen über die Arbeitsvermittlung. Danach gibt es drei Arten von Arbeitsvermittlung: Die Arbeitsvermittlung durch die Arbeitsämter, die Arbeitsvermittlung durch karitative Einrichtungen und Interessenvertretungen hinsichtlich ihrer Mitglieder oder durch andere Einrichtungen, denen diese Aufgabe durch Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales übertragen ist (§17 AMFG) und die entgeltliche Arbeitsvermittlung im künstlerischen Bereich (§18 AMFG) in Form der Konzertvermittlung, der Artistenvermittlung, der Bühnenvermittlung, der Filmvermittlung und der Musikervermittlung.
Die Ausübung dieser entgeltlichen und auf Gewinn gerichteten Arbeitsvermittlung bedarf einer Genehmigung, die der Bundesminister für Arbeit und Soziales nach Anhörung des Beirats für Arbeitsmarktpolitik physischen Personen ausnahmsweise für eine oder mehrere der genannten Vermittlungsarten zu erteilen hat, wenn bestimmte Voraussetzungen, die in den Abs2, 3 und 8 des §18 AMFG angeführt sind, gegeben sind. Diese Bestimmungen lauten idF der Novelle BGBl. 388/1976 (durch die §18 Abs2 neu gefaßt wurde):
"(2) Die Ausübung der entgeltlichen Arbeitsvermittlung darf nur bewilligt werden, wenn
a) der Antragsteller die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt,
b) die Gewähr gegeben erscheint, daß der Antragsteller die entgeltliche Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes durchführen wird,
c) ein Bedarf hiezu nicht nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum besteht und
d) der Antragsteller die Gewähr dafür bietet, daß er die entgeltliche Arbeitsvermittlung hauptberuflich ausüben wird.
(3) Für die Durchführung der entgeltlichen Arbeitsvermittlung müssen eigene Geschäftsräume zur Verfügung stehen. Diese Geschäftsräume dürfen nicht mit Räumen in unmittelbarer Verbindung stehen, in denen eine andere selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
...
(8) Abweichend von der Vorschrift des Abs2 lita ist Ausländern gegen Nachweisung der materiellen Gegenseitigkeit durch den Staat, dem sie angehören, die Durchführung der entgeltlichen Arbeitsvermittlung zu bewilligen."
2.a) Der angefochtene Bescheid versagt dem Beschwerdeführer die Erteilung der angestrebten Konzession zur Ausübung der entgeltlichen Musikervermittlung unter Berufung auf §18 Abs2 lit. c AMFG, weil nach Ansicht der Behörde (die sich diesbezüglich auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, insb. die Stellungnahme des ÖGB und auf die einhellige Meinung des befaßten Ausschusses des Beirats für Arbeitsmarktpolitik stützte) die bestehenden Vermittlungseinrichtungen den Bedarf nach Musikervermittlung ausreichend befriedigten.
b) Ein Bescheid, mit dem die Erteilung einer Befugnis für eine bestimmte Geschäftstätigkeit versagt wird, greift in den Schutzbereich des Grundrechts der Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 StGG) ein (vgl. etwa VfSlg. 10932/1986).
Ein solcher Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, wenn er auf einer der Erwerbsfreiheit widersprechenden Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall liegt vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begeht, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist oder wenn sie einem Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt, der, hätte in das Gesetz, dieses als die Erwerbsausübungsfreiheit verletzend verfassungswidrig machen würde (VfGH vom 22.6.1989, B688/88 mwH).
c) Die belangte Behörde ist bei der Erlassung des angefochtenen Bescheids von der Ansicht ausgegangen, sie habe vor Erteilung einer Bewilligung zur entgeltlichen Musikervermittlung zu prüfen, ob ein Bedarf nach einer zusätzlichen Vermittlungseinrichtung bestehe; ihrer Ansicht nach ist ein solcher (zusätzlicher) Bedarf nicht gegeben (und daher ein Bewilligungsansuchen abzuweisen), wenn bereits die bestehenden konzessionierten Vermittlungsunternehmungen den vorhandenen Bedarf zu decken vermögen.
Hätte §18 Abs2 litc AMFG tatsächlich den Inhalt, die Erteilung einer Bewilligung auszuschließen, wenn der Bedarf nach der angestrebten Tätigkeit durch andere Unternehmungen, die bereits über eine Bewilligung verfügen, gedeckt ist, so wäre sie jedoch wie die Beschwerde richtig sieht - verfassungswidrig:
Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit sind nämlich nur zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (VfSlg. 10179/1984, 10932/1986, 11276/1987 uva). Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Antritt eines Gewerbes, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke wie sie etwa eine Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen (VfSlg. 11483/1987; VfGH vom 216.1988, G288/87).
Solche besonders wichtigen öffentlichen Interessen liegen aber hier nicht vor. Insbesondere besteht in diesem Bereich auch kein besonderes öffentliches Interesse an einem Schutz der bestehenden Unternehmungen vor Konkurrenz (wie dies der Verfassungsgerichtshof etwa im Interesse des Schutzes von Einlegern und sonstigen Gläubigern bei Kreditunternehmungen angenommen hat (vgl. VfGH vom 22.6.1989, B688/88)); andererseits wäre eine Bedarfsprüfung im angenommenen Sinn wohl gar nicht tauglich, jedenfalls aber unangemessen, um ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Arbeitsvermittlung (an der in diesem sensiblen Bereich zum Schutz der Arbeitssuchenden zweifellos ein besonderes Interesse besteht) sicherzustellen.
d) Die Bestimmung des §18 Abs2 litc AMFG läßt sich freilich auch so deuten, daß sie eine derartige verfassungswidrige - Bedarfsprüfung gar nicht vorschreibt: Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs bringt die in Rede stehende Bestimmung nämlich nur die Subsidiarität der privaten entgeltlichen Arbeitsvermittlung gegenüber der staatlichen Arbeitsvermittlung und der unentgeltlichen Arbeitsvermittlung durch karitative Organisationen, Interessenvertretungen und sonstigen Einrichtungen, denen diese Aufgabe gem. §17 AMFG übertragen wurde, zum Ausdruck. Ihr normativer Gehalt ist es, die Erteilung einer Bewilligung zur entgeltlichen und auf Gewinn gerichteten Arbeitsvermittlung davon abhängig zu machen, daß eine unentgeltliche Arbeitsvermittlung durch Arbeitsämter und Einrichtungen gem. §17 AMFG den Bedarf nach Arbeitsvermittlung nicht vollständig oder nicht ausreichend deckt eine Voraussetzung, die im Bereich der Musikervermittlung unbestrittenerweise gegeben ist.
Die damit zum Ausdruck kommende Subsidiarität der auf Gewinn gerichteten Arbeitsvermittlung gegenüber der Arbeitsvermittlung durch Arbeitsämter oder der unentgeltlichen Arbeitsvermittlung nach §17 AMFG ist zwar von Verfassungs wegen weder geboten noch vorgezeichnet, doch hegt der Verfassungsgerichtshof andererseits weder unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsausübungsfreiheit noch unter dem des Gleichheitsgrundsatzes gegen ein solches System Bedenken. Vielmehr ist der Gerichtshof der Auffassung, daß sich der Vorrang der staatlichen Arbeitsvermittlung und der unentgeltlichen Arbeitsvermittlung durch karitative Organisationen, Interessenvertretungen und sonstigen Einrichtungen, denen diese Aufgaben durch Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales übertragen sind, gegenüber einer auf Gewinn gerichteten Arbeitsvermittlung im Hinblick auf die Besonderheit des Gegenstands der Tätigkeit sachlich rechtfertigen läßt und daß darin keine übermäßige Beeinträchtigung der Erwerbsausübungsfreiheit Dritter zu erblicken ist, sofern die Einrichtungen der unentgeltlichen Arbeitsvermittlung der Bedarf vollständig und ausreichend zu decken vermögen. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf sein Erkenntnis VfSlg. 11494/1987, in dem er den Postvorbehalt nur insofern als gerechtfertigt qualifiziert hat, als eine Beförderungspflicht besteht und Beförderungsleistungen ordnungsgemäß erbracht werden.
e) Die in Rede stehende Bestimmung ist somit einer verfassungskonformen Deutung zugänglich. Indem der Bundesminister für Arbeit und Soziales bei Erlassung des angefochtenen Bescheides der Norm aber nicht diesen verfassungsrechtlich unbedenklichen, sondern fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen hat, hat er den angefochtenen Bescheid mit Verfassungswidrigkeit belastet.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen S 2.500 auf die Umsatzsteuer.
Schlagworte
Erwerbsausübungsfreiheit, Arbeitsvermittlung, Auslegung verfassungskonforme, öffentliches InteresseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B610.1989Dokumentnummer
JFT_10099384_89B00610_00