TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/30 92/01/0515

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Veröffentlicht am 30.11.1992
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der I in M, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. April 1992, Zl. 4.323.836/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin reiste am 26. August 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 28. August 1991 einen Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Befragung am 6. September 1991 gab sie an, sie sei "jugoslawische Staatsbürgerin und Kroatin" und habe zuletzt in der Nähe der ungarischen Staatsgrenze gelebt. Etwa die Hälfte der Bevölkerung ihres Wohnortes seien Serben gewesen. Bei den Wahlen im Jahr 1990 habe sie in aller Öffentlichkeit für Tudjman Partei ergriffen. Sie habe kroatische Lieder gesungen und die Fahne geschwungen. Seit zwei Monaten sei sie immer wieder beschimpft worden. Anfang August (1991) seien drei Personen "über sie hergefallen"; um wen es sich gehandelt habe, könne sie nicht angeben. Mehrere Häuser, die Kroaten gehört hätten, seien mit Minen zerstört worden. Aus diesem Grund sei sie nach Österreich gekommen, um ein neues Leben zu beginnen bzw. einen Arbeitsplatz zu finden.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, in ihrer Heimat Kroatien tobe ein erbitterter Krieg. Der Ort, in dem sie gelebt habe, sei vollkommen zerstört. Alle Menschen, die sich so wie die Beschwerdeführerin für ihre Heimat eingesetzt hätten und gegen Serbien politisch aktiv gewesen seien, würden von der gegnerischen Seite verfolgt und auf grausame Weise vernichtet. Neben diesen politischen gebe es auch in starkem Maße "religiöse Unstimmigkeiten". Die Beschwerdeführerin habe sich verstecken müssen, um einer Vergeltung sowohl wegen politischer als auch religiöser "Hintergründe" zu entgehen. Eine Rückkehr in ihre Heimat würde für sie schreckliche Folgen haben. Sie wisse auch nicht, wohin sie gehen solle, da ihr Ort zerstört und ihre Wohnung ausgebrannt sei.

Mit Bescheid vom 6. April 1992 wies die belangte Behörde die Berufung ab und sprach aus, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe keine Anhaltspunkte für eine konkrete Verfolgung der Beschwerdeführerin durch die Behörden ihres Heimatstaates ergeben. Den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren sei größere Glaubwürdigkeit beizumessen als dem späteren Vorbringen. Wäre die Beschwerdeführerin tatsächlich vor ihrer Ausreise irgendeiner Verfolgung ausgesetzt gewesen, hätte sie dies bereits bei ihrer erstinstanzlichen Befragung vorgebracht. Die Tatsache, daß ein Asylwerber von den geltend gemachten bürgerkriegsähnlichen Ereignissen und Unruhen im Heimatstaat betroffen sei und ihm dadurch die Möglichkeit einer gesicherten Lebensführung fehle, stelle keinen asylrechtlich beachtlichen Nachteil im Sinne der Konvention dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei allgemein bekannt, daß in ihrer Heimat Slawonien Kriegszustand herrsche. Als Kroatin und Katholikin müsse sie auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit, wegen ihres "politischen Engagements" und aus religiösen Gründen mit konkreter Verfolgung rechnen.

Diese Darlegungen können der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil Furcht vor Verfolgung nur dann als wohlbegründet im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen werden kann, wenn die Verfolgung IM GESAMTEN STAATSGEBIET von der Staatsgewalt ausgeht oder zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1980, Slg. 10255/A, und vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0555).

Auch wenn der Beschwerdeführerin derzeit eine Rückkehr in ihre engere Heimat Slawonien nicht zugemutet werden kann (wobei es im Beschwerdefall auf sich beruhen kann, ob dies als allgemeine, nicht asylbegründende Folge von Kampfhandlungen bzw. Besetzung anzusehen ist oder auf der Gefahr individueller Verfolgung aus Konventionsgründen beruht), vermag der in der Beschwerde vorgetragene Sachverhalt somit die Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. Die Beschwerdeführerin hat nämlich im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, daß die Gefahr von Verfolgung im gesamten Staatsgebiet der Republik Kroatien (auch außerhalb der umkämpften bzw. besetzten Gebiete) bestünde; hiefür liegt auch sonst kein Anhaltspunkt vor. Die Beschwerde zeigt somit schon aus diesem Grund keine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit auf; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010515.X00

Im RIS seit

30.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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