TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/1 92/11/0149

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.1992
beobachten
merken

Index

L92709 Jugendwohlfahrt Kinderheim Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
JWG Wr 1990 §15 Abs1;
JWG Wr 1990 §16 Abs2 Z2;
JWG Wr 1990 §16 Abs2 Z3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G S in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. März 1992, Zl. MA 11 - Se 6/91, (mitbeteiligte Partei: M S in W), betreffend Übernahme in fremde Pflege, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 18. Juli 1984 stellten die Mitbeteiligte (eine österreichische Staatsbürgerin) und der Beschwerdeführer (ein italienischer Staatsangehöriger) beim Magistrat der Stadt Wien, Bezirksjugendamt für den 12. Bezirk, den Antrag, ihnen die Bewilligung zur Übernahme eines am 11. Juli 1984 geborenen Mädchens in ihre Pflege zu erteilen. Die beiden Antragsteller waren damals miteinander verheiratet und hatten ihren gemeinsamen Wohnsitz in Wien.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Bezirksjugendamt für den 12. Bezirk, vom 8. August 1984 wurde dem Antrag der Mitbeteiligten gemäß § 16 des Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes 1955, LBGl. Nr. 14, Folge gegeben. Der Bescheid wurde nur an die Mitbeteiligte adressiert und nur ihr zugestellt.

Gegen den Bescheid vom 8. August 1984 erhob der Beschwerdeführer am 23. August 1991 Berufung. Er führte darin zur Rechtzeitigkeit aus, daß er erst durch Akteneinsicht vom 21. August 1991 von dem Bescheid Kenntnis erlangt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid vom 8. August 1984 in Ansehung des die Mitbeteiligte betreffenden Ausspruches gemäß § 22 des Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes 1990, LGBl. Nr. 36, bestätigt, der Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Juli 1984 hingegen abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Mitbeteiligte hat sich ohne förmliche Antragstellung geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Bescheid vom 8. August 1984 lag ein gemeinsamer Antrag der Mitbeteiligten und des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Pflegeübernahme durch beide Antragsteller in ihrer ehelichen Gemeinschaft zugrunde. Das Pflegeverhältnis hatte bereits am 16. Juli 1984 begonnen. Die Erstbehörde hat bei Erlassung des Bescheides vom 8. August 1984 erkennbar vom § 58 Abs. 2 AVG Gebrauch gemacht (die "Begründung" erschöpft sich im Satz "Die Voraussetzungen zur Übernahme eines Pflegekindes sind gegeben".). Es besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß der Antrag nicht zur Gänze positiv erledigt wurde, m.a.W. daß der Bescheid irgend einen negativen Anspruch enthielte.

Das Wr. JWG 1955 sah in § 15 Abs. 1 vor, daß die Bewilligung zur Übernahme in fremde Pflege die Person zu beantragen hat, die das Pflegekind zu übernehmen beabsichtigt. Als Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung zur Übernahme in fremde Pflege wurde im § 16 Abs. 2 Z. 2 und 3 leg. cit. normiert, daß der Bewilligungswerber und die mit ihm in Wohngemeinschaft lebenden Personen einen guten Leumund genießen, insbesondere keine Vorstrafen wegen solcher Straftaten vorliegen, die eine Gefahr für das Wohl des Minderjährigen besorgen lassen, sowie daß der Bewilligungswerber und die mit ihm in Wohngemeinschaft lebenden Personen weder an einer ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit noch an einem Gebrechen leiden, durch das das Pflegekind gefährdet werden könnte. Der Gesetzgeber ging damit offenbar davon aus, daß nur eine einzelne physische Person die in Rede stehende Bewilligung erhalten könne. Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß durch die Stattgebung des Bewilligungsantrages vom 18. Juli 1984 gegenüber der Mitbeteiligten der Antrag zur Gänze erledigt war, zumal nach den Umständen des vorliegenden Falles in der Unterfertigung des Antrages durch den Beschwerdeführer kein dem Antrag der Mitbeteiligten widerstreitendes Begehren zu erblicken ist. Ein gesonderter Abspruch in Ansehung des Beschwerdeführers war entbehrlich. Der Umstand, daß er weder im Spruch noch in der Zustellverfügung des Bescheides vom 18. August 1984 aufscheint, bedeutet vor allem nicht, daß der Antrag in Ansehung seiner Person negativ erledigt worden oder daß er insofern unerledigt geblieben wäre. Die Erstbehörde hat der Aktenlage nach geprüft, ob eine der antragstellenden Personen die Gewähr für eine sachgemäße Pflege und gute Behandlung der Minderjährigen bietet (§ 16 Abs. 2 Z. 1 Wr. JWG 1955) und ob sie eine gesunde Wohnung und ein eigenes Bett für das Pflegekind hat (§ 16 Abs. 2 Z. 4 leg. cit.). Sie hat dies hinsichtlich der Mitbeteiligten bejaht. Was den Beschwerdeführer betrifft, hat sie zumindest durch Einholung eines Gesundheitszeugnisses der Z. 3 (teilweise) Rechnung getragen.

Mit der Zustellung des Bescheides vom 8. August 1984 an die Mitbeteiligte war der Antrag vom 18. Juli 1984 positiv erledigt. Der mit dem Antrag angestrebte Zweck, die Übernahme der Minderjährigen in die Pflege der damaligen ehelichen Gemeinschaft, war erreicht (dem entsprach im übrigen, daß in der Folge der Beschwerdeführer, die Mitbeteiligte und das Pflegekind, z.T. im Inland, z.T. im Ausland, miteinander lebten und daß im Zuge dieses Miteinanderlebens der Beschwerdeführer - wie er selbst ausführt - zur Minderjährigen "ein sehr gutes und inniges Verhältnis" hergestellt habe).

Die Berufung des Beschwerdeführers wäre daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Der angefochtene Bescheid ist zwar objektiv rechtswidrig, weil über die Berufung eine Sachentscheidung getroffen worden ist. Es vermag freilich Rechte des Beschwerdeführers nicht zu verletzen, wenn die belangte Behörde statt der Zurückweisung eine Abweisung der Berufung verfügt hat.

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Rechtsverletzung sonstige Fälle Trennbarkeit gesonderter Abspruch Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992110149.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten