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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der S in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. September 1992, Zl. St-90/3/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. September 1992 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkischen Staatsangehörige, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes (im folgenden: FPG) ein bis zum 16. Juni 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für ganz Österreich erlassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 sowie des Abs. 3 FPG lauten:
§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3.
die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.
Zur Begründung, daß die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG verwirklicht habe, führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführerin sei vom österreichischen Generalkonsulat in Istanbul am 5. November 1991 ein bis 4. Dezember 1991 gültiger Sichtvermerk erteilt worden. Als Grund der Reise habe die Beschwerdeführerin "touristische Zwecke" angegeben. Ferner habe sie bei Beantragung des Sichtvermerkes eine Erklärung abgegeben, daß sie nur zu dem Zweck und für jene Dauer (ein Monat), die sie in ihrem Antrag angegeben habe, nach Österreich reisen würde. Die Beschwerdeführerin sei am 9. November 1991 eingereist. Sie habe das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes aber nicht verlassen, sondern habe am 9. Jänner 1992 bei der Behörde erster Instanz einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes eingebracht. Laut der aus diesem Anlaß aufgenommenen Niederschrift habe die Beschwerdeführerin angegeben, sie wolle nunmehr in Österreich bleiben und hier eine Beschäftigung aufnehmen. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde - in der Folge eine Beschäftigungsbewilligung erhalten und sei nunmehr als Raumpflegerin tätig. Aus diesem Sachverhalt zog die belangte Behörde den Schluß, daß die Beschwerdeführerin anläßlich der Stellung des Antrages auf Erteilung des Sichtvermerkes beim österreichischen Generalkonsulat in Instanbul unrichtige Angaben gemacht habe, was den Schluß zulasse, daß sie den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG verwirklicht habe.
Diese Schlußfolgerung vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. dazu das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht als rechtswidrig zu erkennen. Es widerspricht nämlich keineswegs der Lebenserfahrung, daß ein Fremder - so wie die Beschwerdeführerin -, der nach Ablauf eines ihm auf die Dauer von ca. einem Monat erteilten Sichtvermerkes nicht ausreist und kurze Zeit später die Absicht kundtut, in Österreich zur Arbeitsaufnahme zu verbleiben, diese Absicht bereits beim Antrag auf Erteilung des Sichtvermerkes gehabt hat.
Konnte aber die belangte Behörde rechtsrichtig davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG verwirklicht hat, so war auch die Annahme gerechtfertigt, der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0351).
Aber auch die von der belangten Behörde nach § 3 Abs. 3 FPG vorgenommene Interessenabwägung ist nicht rechtswidrig: Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang unter anderem zutreffend darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführerin die Ausübung ihres derzeitigen Berufes als Raumpflegerin nicht nur in Österreich möglich sei. Daß es zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Familie der Beschwerdeführerin (diese ist verwitwet und sorgepflichtig für zwei Kinder) "unbedingt" erforderlich sei, daß die Beschwerdeführerin in Österreich ihrer Arbeit nachgehe, ist nicht erkennbar. Es fällt daher nicht zu ihren Gunsten entscheidend ins Gewicht, daß sie entsprechend ihrem Vorbringen nicht in der Lage sein werde, den Lebensunterhalt ihrer Familie in der Türkei "entsprechend sicherzustellen". Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten "geregelten Arbeits- und Wohnsitzverhältnisse" haben in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben, weil es der Beschwerdeführerin verwehrt ist, solche Tatsachen für sich ins Treffen zu führen, die entgegen den den Aufenthalt im Bundesgebiet regelnden Vorschriften geschaffen wurden; auch war nur die Dauer eines rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0316). Daß sich die Beschwerdeführerin in Österreich immer "einwandfrei" verhalten und sich auch ordnungsgemäß "polizeilich" angemeldet habe, vermag nicht zu ihren Gunsten durchzuschlagen, vielmehr wäre rechtswidriges Verhalten zu ihren Ungunsten zu berücksichtigen. Damit im Zusammenhang sei erwähnt, daß das öffentliche Interesse an der Verhängung des Aufenthaltsverbotes durch den bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides immerhin zehn Monate dauernden illegalen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich - unabhängig von einem allfälligen Bemühen, eine "Verlängerung" des Sichtvermerkes zu erlangen - maßgebend verstärkt wird.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180466.X00Im RIS seit
03.12.1992