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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 8. Mai 1991, Zl. Ge-46.852/9-1991/Kie/Str, betreffend Übertretungen des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen (mitbeteiligte Partei: D in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Mai 1991 wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, er habe in seinem Gastbetrieb in K. Lehrlinge beschäftigt und dabei in mehreren Fällen Verwaltungsübertretungen nach "§ 11 Abs. 1 und 3, § 11 Abs. 1, § 16, § 17 Abs. 1 und Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 1 und 2" KJGB begangen. Gemäß § 30 KJGB wurden Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 1.000,--, S 1.500,- S 2.000,-- bzw. S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 1 Tag, 36 Stunden, 2 Tage bzw. 3 Tage) verhängt sowie - zu Punkt 15 - eine Ermahnung erteilt.
In der Begründung führte die belangte Behörde - soweit für die Erledigung des vorliegenden Beschwerdefalles von Belang - im wesentlichen aus, zur subjektiven Tatseite sei festzustellen, daß der Mitbeteiligte durch Inserate in den Tageszeitungen in den Monaten August und September (nachgewiesen durch Rechnungsbelege) und der Meldung beim Arbeitsamt versucht habe, zusätzliches Personal zu bekommen, um den verstärkten Geschäftsbetrieb in der Hochsaison bewältigen zu können. Da es ihm aber nicht gelungen sei, Arbeitnehmer zu bekommen, sei die Aufrechterhaltung des Gästebetriebes nur durch die Mehrarbeit des vorhandenen Personals möglich gewesen. Dem Mitbeteiligten sei dabei bewußt gewesen, daß die von den Jugendlichen geleistete Mehrarbeit Verletzungen der Bestimmungen des KJBG zur Folge gehabt habe. Dem Mitbeteiligten sei sohin vorsätzliches Handeln anzulasten. Seine Rechtfertigung, er hätte sich um zusätzliches Personal bemüht - wobei allerdings für die Monate Juni und Juli kein Nachweis über eine mittels Zeitungsinserate erfolgte Personalsuche vorliege -, vermöge sein Verschulden nicht in einem (für die Anwendung des § 21 VStG 1950 erforderlichen Maße) zu mindern, hätte er doch die Gesundheit der jugendlichen Arbeitnehmer vor seine wirtschaftlichen Interessen stellen müssen.
Das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, nämlich der Gesundheit der Jugendlichen, sei in allen Fällen beträchtlich gewesen. Ein Mangel an ausreichender Freizeit berge die Gefahr einer gravierenden gesundheitlichen Schädigung in sich. Überdies würden soziale, familiäre, kulturelle und religiöse Interessen beeinträchtigt. Auch wenn konkrete nachteilige Folgen der Taten nicht bekannt geworden seien, erscheine insbesondere angesichts des vorsätzlichen Handelns des Mitbeteiligten die Verhängung der im Spruch angeführten Geldstrafen erforderlich, um den Mitbeteiligten, aber auch andere potentielle Täter von der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten in Hinkunft abzuhalten. Milderungsgründe lägen keine vor. Der Umstand, daß der Täter nicht einschlägig vorbestraft sei, sei nicht als mildernd zu werten.
Erschwerungsgründe lägen ebenfalls keine vor.
Schließlich seien die verhängten Geldstrafen auch unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Mitbeteiligten angemessen. Er beziehe ein geschätztes monatliches Nettoeinkommen von S 25.000,--, sei Eigentümer eines Teiles des Gastbetriebsinventars, habe Schulden in der Höhe von ca. 1,2 Mio S und keine Sorgepflichten. Im Hinblick auf diese Umstände und einen Strafrahmen von S 1.000,-- bis S 15.000,-- seien die verhängten Geldstrafen, "bei denen es sich durchwegs nur um die Mindeststrafe von S 1.000,-- handle", jedenfalls als zumutbar zu erachten. Die Erhöhung der Geldstrafen hinsichtlich Punkt 8 und Punkt 9 (gegenüber dem erstinstanzlichen Straferkenntnis) sei in der Schwere der damit geahndeten Verwaltungsübertretungen begründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1974 gestützte Beschwerde; der Beschwerdeführer bekämpft damit die Strafaussprüche mit Ausnahme jenes zu Punkt 15 (in diesem Punkt sei die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis zurückgezogen worden).
Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben Gegenschriften erstattet, mit welchen sie jeweils die Abweisung der Beschwerde beantragt haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs. 2 VStG 1950 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 30 KJBG (der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Strafbestimmung) ist, wer diesem Bundesgesetz oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,--, im Wiederholungsfall von S 3.000,-- bis S 30.000,-- oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen, zu bestrafen. Beide Strafen können auch nebeneinander verhängt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst der Ansicht des Beschwerdeführers, als besonderer Erschwerungsgrund im Sinne des § 33 Z. 1 StGB wäre zu werten gewesen, daß der Mitbeteiligte im "gesamten überprüften Zeitraum" hinsichtlich mehrerer Jugendlicher kontinuierlich eine Reihe von Schutznormen übertreten habe, nicht zu teilen, weil dies im Hinblick auf das im § 22 VStG 1950 verankerte Kumulationsprinzip unzulässig gewesen wäre (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 24. Juli 1991, Zl. 91/19/0150). Auch ist nicht erkennbar, daß dem Mitbeteiligten - so der Beschwerdeführer - eine "ablehnende und gleichgültige Einstellung gegenüber den durch das KJGB geschützten Werten" im Grunde des § 32 Abs. 2 zweiter Satz StGB als negative "Charakterkomponente" (vgl. dazu Foregger-Serini, StGB und wichtige Nebengesetze, 5. Aufl., S. 119) eigen wäre.
Im übrigen pflichtet der Verwaltungsgerichtshof allerdings dem Beschwerdeführer bei, daß der angefochtene Bescheid im in Beschwerde gezogenen Umfang mit Rechtswidrigkeit belastet ist:
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
4. Auflage, zu § 19 VStG 1950 unter Punkt 8, zitierte Judikatur) genügt die Behörde ihrer Begründungspflicht nicht schon dadurch, daß sie die im konkreten Fall rechtserheblichen Strafzumessungskriterien in ihre Erwägungen formal einbezieht; sie muß darüber hinaus darlegen, aus welchen Erwägungen sie unter Zugrundelegung dieser Strafzumessungskriterien die konkrete Tat innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens hinsichtlich Straftat und Strafausmaß gerade so wertet, wie dies im Spruch zum Ausdruck kommt; nur so kann der Verwaltungsgerichtshof überprüfen, ob die Strafbemessung noch innerhalb des der Behörde zustehenden Ermessensspielraumes liegt. Dieser Begründungspflicht ist die belangte Behörde im Beschwerdefall nur unzureichend nachgekommen. Dem Gerichtshof ist nämlich nicht erkennbar, weshalb die belangte Behörde trotz der von ihr - zu Recht - angenommenen Schuldform des Vorsatzes (der im Hinblick darauf, daß für die Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen Fahrlässigkeit ausreicht, einen Erschwerungsgrund darstellt - vgl. Hauer-Leukauf, a.a.O.,
S. 794) und des von ihr als "beträchtlich" angesehenen Unrechtsgehaltes der Taten sowie der spezial- und generalpräventiven Überlegungen unter Bedachtnahme auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Mitbeteiligten hinsichtlich sämtlicher Verwaltungsübertretungen eine im unteren Bereich der Strafdrohung angesetzte Strafe (teilweise sogar die gesetzliche Mindeststrafe) verhängt hat. In diesem Zusammenhang sei allerdings vermerkt, daß es zwar richtig ist, daß nur die "absolute" Unbescholtenheit einen Milderungsgrund darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1992, Zl. 90/19/0513); die aus der Begründung des angefochtenen Bescheides implizit hervorgehende Feststellung, daß der Mitbeteiligte zwar keine einschlägige Vorstrafe aufweise, jedoch nicht mehr unbescholten sei, wurde jedoch nicht aktenkundig gemacht. Dieser wesentliche Milderungsgrund der Unbescholtenheit - auf den auch vom Mitbeteiligten in seiner Gegenschrift verwiesen wird - wäre von der belangten Behörde, so er dem Mitbeteiligten tatsächlich zugutekommen sollte, zu beachten gewesen. Diese Unbescholtenheit wäre dann zu verneinen, wenn eine (rechtskräftige) Verurteilung wegen einer Verwaltungsübertretung zum Zeitpunkt der Begehung der (jeweiligen) Übertretung des KJGB vorlag (vgl. die
hg. Erkenntnisse vom 14. September 1984, Slg. Nr. 11.516/A, und vom 16. September 1987, Zl. 87/03/0067), deren Tilgung gemäß § 55 Abs. 1 VStG 1950 zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides noch nicht eingetreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 1991, Zl. 90/19/0586), was auch im fortgesetzten Verfahren zu beachten sein wird.
Hingegen vermag der Verwaltungsgerichtshof dem Mitbeteiligten nicht beizupflichten, es wäre sein Geständnis und der Umstand als mildernd zu berücksichtigen gewesen, daß er aufgrund des "enormen Arbeitskräftemangels im Bereich der Gastronomie" in der Hauptsaisonzeit zur Aufrechterhaltung des Betriebes "gezwungen" gewesen sei, die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen zu begehen. Dies deshalb, weil nach der Aktenlage von einem Geständnis des Mitbeteiligten im wesentlichen keine Rede sein kann und es seine Sache gewesen wäre, entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen, um die höhere Gästefrequenz auch ohne die gesetzwidrige Beschäftigung der Jugendlichen zu bewältigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1987, Zl. 87/08/0251). Es geht nicht an, das durch das KJGB geschützte Rechtsgut der Gesundheit der Jugendlichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, Zl. 90/19/0039) den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers hintanzustellen. Daß "konkrete" nachteilige Folgen der Taten nicht bekanntgeworden seien, hat die belangte Behörde ohnedies dargelegt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände AllgemeinErschwerende und mildernde Umstände SchuldformErschwerende und mildernde Umstände VorstrafenErschwerende und mildernde Umstände DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991190169.X00Im RIS seit
27.11.2000Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009