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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AZG §11 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Juni 1992, Zl. MA 63 - R 47/91/Str, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: R in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk) vom 6. Juni 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als verantwortlicher Beauftragter der X AG zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit dem Sitz in Wien in einer näher bezeichneten Filiale neun namentlich angeführte Arbeitnehmer anläßlich einer Inventur am 2. Mai 1990 zu bestimmten Zeiten länger als "maximal" zehn Stunden beschäftigt habe. Er habe dadurch § 7 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 9 und 28 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen verhängt).
Dieses Straferkenntnis wurde aufgrund der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt. Nach der Begründung sei aufgrund der unbenklichen Zeugenaussagen der Arbeitnehmer als erwiesen anzunehmen, daß die Arbeitnehmer am 2. Mai 1990 die Arbeitszeit nicht nur durch die aus den Arbeitszeitaufzeichnungen ersichtliche Mittagspause, sondern auch durch Kaffeepausen in der Dauer von rund einer Stunde unterbrochen hätten. Von der aus den Arbeitszeitaufzeichnungen ersichtlichen Arbeitszeit von 11 Stunden bzw. 10 Stunden 30 Minuten je Arbeitnehmer sei daher jeweils eine Stunde abzuziehen. Demnach habe die Arbeitzeit das höchstzulässige Ausmaß von zehn Stunden nicht überschritten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 gestützte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz Arbeitszeitgesetz darf, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, die Arbeitszeit zehn Stunden täglich nicht überschreiten, ebenso auch gemäß § 7 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ist Arbeitszeit im Sinne dieses Bundesgesetzes die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.
Beträgt die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden, so ist die Arbeitszeit gemäß § 11 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen. Wenn es im Interesse der Arbeitnehmer des Betriebes gelegen oder aus betrieblichen Gründen notwendig ist, können anstelle einer halbstündigen Ruhepause zwei Ruhepausen von je einer Viertelstunde oder drei Ruhepausen von je zehn Minuten gewährt werden. Eine Pausenregelung gemäß Abs. 1 zweiter Satz kann, sofern eine gesetzliche Betriebsvertretung besteht, gemäß § 11 Abs. 2 nur mit deren Zustimmung getroffen werden.
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 29. Juni 1992, Zl. 92/18/0169, und die dort angeführte Vorjudikatur) kommt die Einordnung einer Arbeitsunterbrechung unter den Begriff der "Ruhepause" im Sinne des § 11 Abs. 1 und damit auch im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 Arbeitszeitgesetz dann nicht in Betracht, wenn diese Zeit nicht von vornherein festgelegt ist.
Ob diese Voraussetzung im Beschwerdefall hinsichtlich der "Kaffeepausen" erfüllt war oder nicht, hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht festgestellt. Damit belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren sei bemerkt, daß der Mitbeteiligte über das Ausmaß und die zeitliche Lagerung der behaupteten, zusätzlich zur Mittagspause zu gewährenden Ruhepausen im Verwaltungsstrafverfahren verschiedene Versionen vorgebracht hat: Heißt es in der Rechtfertigung vom 24. September 1990 dazu: "In der Filiale hat jeder Mitarbeiter Mittags und Nachmittags je Anspruch auf eine Kaffeepause von 20 min, und bei vorauszusehender Arbeitszeit von mehr als 5 Stunden - 30 min", so wird in der Stellungnahme vom 18. Februar 1991 ausgeführt, daß "die Arbeitspausen (Kaffeepausen) von zweimal 20 Minuten täglich, und zwar je eine vormittags und nachmittags, ... eine eindeutige Fixierung in Anzahl und Dauer" sei, während in der Berufung davon die Rede ist, daß den Mitarbeitern jeden Vor- und Nachmittag eine zwanzigminütige Ruhepause und nach fünf Stunden Arbeitszeit eine dreißigminütige Pause eingeräumt werde. Im Rahmen der im oben aufgezeigten Sinne erforderlichen Ergänzung der Feststellungen wird sich die belangte Behörde auch damit auseinanderzusetzen haben, daß nach den von ihr als unbedenklich angesehenen Zeugenaussagen unterschiedlich lange "Kaffeepausen" eingehalten wurden, deren Dauer zum Teil nicht dem sich aus dem Vorbringen des Mitbeteiligten ergebenden Ausmaß entspricht.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180369.X00Im RIS seit
11.07.2001