TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/3 92/18/0084

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.1992
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §20 Abs1 lita;
KJBG 1987 §11 Abs1;
KJBG 1987 §15;
KJBG 1987 §20;
VStG §22 Abs1;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des O in E, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 15. Jänner 1992, VwSen-220066/7/Kon/Rd, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des KJBG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 15. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer als "verantwortlicher Dienstgeber" schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, daß in seinem (dem Standort nach bezeichneten) Gastgewerbebetrieb 1. ein namentlich genannter Jugendlicher an zwei bestimmten Tagen jeweils von 11.00 Uhr bis 22.00 Uhr gearbeitet und damit die zulässige tägliche Arbeitszeit von acht Stunden überschritten habe; 2. bei demselben Jugendlichen in einer bestimmt bezeichneten Woche die Wochenarbeitszeit 48 Stunden betragen habe, und damit die zulässige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden überschritten worden sei;

3a. bei demselben Jugendlichen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit an einem bestimmten Tag die Ruhezeit neun Stunden betragen habe und damit nicht eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zwölf Stunden gewährt worden sei; 3b. bei einer namentlich genannten Jugendlichen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit an einem bestimmten Tag die Ruhezeit zehn Stunden betragen habe und damit nicht eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zwölf Stunden gewährt worden sei; 4a. einer anderen namentlich genannten Jugendlichen innerhalb eines näher bezeichneten Zeitraumes keine Sonntagsruhe gewährt worden und damit nicht jeder zweite Sonntag arbeitsfrei geblieben sei;

4b. einem namentlich genannten Jugendlichen innerhalb desselben Zeitraumes keine Sonntagsruhe gewährt worden und damit nicht jeder zweite Sonntag arbeitsfrei geblieben sei.

Der Beschwerdeführer habe dadurch Übertretungen nach zu

1. § 11 Abs. 1 KJBG; zu 2. § 11 Abs. 1 leg. cit.; zu 3a. § 16 leg. cit.; zu 3b. § 16 leg. cit.; zu 4a. § 18 Abs. 3 leg. cit.; zu 4b. § 18 Abs. 3 leg. cit. begangen. Es wurden deshalb über ihn jeweils Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt (§ 30 KJBG).

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde haben jeweils eine weitere Äußerung erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt zu sämtlichen ihm angelasteten Übertretungen vor, daß er im Zuge des Berufungsverfahrens durch Vorlage einer entsprechenden Urkunde (Postaufgabe 13. Jänner 1992) den Nachweis erbracht habe, daß G gemäß § 9 VStG zur verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei und sie dieser Bestellung zugestimmt habe. Dieser Zustimmungsnachweis sei zwar nach Begehung der Taten verfaßt worden, ersetzte jedoch lediglich die mündliche Übereinstimmung zwischen der Genannten und dem Beschwerdeführer, die zumindest seit 1. Jänner 1991 bestanden habe. Mit der Unterschrift der G unter diesem Zustimmungsnachweis sei deren Bestellung und Zustimmung hiezu bereits vor Begehung der Taten hinreichend dokumentiert. Dies habe die belangte Behörde verkannt. Überdies sei sie dem Beweisantrag auf zeugenschaftliche Einvernahme der Genannten zum Nachweis dafür, daß sie zur verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften, insbesondere des KJBG, bestellt worden sei, nicht nachgekommen.

1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa jüngst das Erkenntnis vom 12. November 1992, Zl. 92/18/0208, unter Hinweis auf das insoweit grundlegende Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg Nr. 12.375/A) ist, um von einem verantwortlichen Beauftragten i.S. des § 9 VStG sprechen zu können, gemäß Abs. 4 dessen nachweisliche Zustimmung zu seiner Bestellung erforderlich. Diese Bestellung wirkt erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde tritt ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen. Die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten ist daher nur dann zulässig, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt.

Die vom Beschwerdeführer der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 10. Jänner 1992 vorgelegte Urkunde ("Zustimmungsnachweis") entspricht zwar inhaltlich den Anforderungen, die an die Bestellung einer Person zum verantwortlichen Beauftragten für einen bestimmten sachlich abgegrenzten Bereich (hier: für die Einhaltung der Vorschriften des KJBG) und deren Zustimmung hiezu zu stellen sind, und enthält auch die Unterschrift der zustimmenden Person, trägt allerdings das Datum "9.1.1992". Damit aber ist von der Errichtung dieser Urkunde NACH der Zeit der Begehung der dem Beschwerdeführer mit dem bekämpften Bescheid angelasteten Taten (im April, Mai und Juni 1991) auszugehen. Die beantragte Einvernahme der G als Zeugin zum Nachweis ihrer Zustimmung zur Bestellung als verantwortliche Beauftragte konnte somit nicht der Verdeutlichung eines vor der Tatbegehung vorhandenen Beweisergebnisses dienen und hätte bloß als ein - nach der dargestellten hg. Judikatur unbeachtliches - erst nach Begehung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten zustandegekommenes Beweisergebnis gewertet werden können. Nichts anderes gilt für den Fall, daß die Genannte zum Nachweis dafür hätte einvernommen werden sollen, daß "zumindest seit 1. Jänner 1991" ihre mündliche Zustimmung zur Bestellung als verantwortliche Beauftragte vorgelegen sei. Denn diese angebliche mündliche Zustimmung stellt nicht mehr als eine Behauptung dar, keinesfalls jedoch ein die Zustimmung zur Bestellung betreffendes Beweisergebnis. Ein solches könnte erst in einer entsprechenden Zeugenaussage der G erblickt werden, die, da erst im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens abgelegt, nicht zugunsten des Beschwerdeführers hätte verwertet werden dürfen. Die oben (II.1.1.) behauptete Rechtswidrigkeit liegt demnach weder in inhaltlicher noch in verfahrensmäßiger Hinsicht vor.

2.1. Zu den dem Beschwerdeführer spruchmäßig unter den Punkten 1. und 2. angelasteten Übertretungen (vgl. oben I.1.) bringt die Beschwerde vor, daß die Überschreitung der zulässigen täglichen Arbeitszeit wie auch der zulässigen Wochenarbeitszeit zur Durchführung von Vor- und Abschlußarbeiten erforderlich gewesen sei, da der betroffene Lehrling an den zwei Tagen um 19.00 Uhr angesagte Gästegruppen zu bedienen gehabt habe, und zwei andere Mitarbeiter nicht verfügbar gewesen seien. Dieses im Hinblick auf § 11 Abs. 2 bzw. § 12 Abs. 3 KJBG relevante Vorbringen sei von der Behörde mit dem Hinweis darauf negiert worden, daß der objektive Tatbestand aufgrund der Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates und der Rechtfertigung des Beschwerdeführers erwiesen sei. Darüber hinaus wäre zu beachten gewesen, daß der betroffene Lehrling an beiden Tagen jeweils eine Ruhepause von 14.00 bis 15.00 Uhr sowie in der Zeit von 11.00 bis 14.00 Uhr und von 15.00 bis 22.00 Uhr jeweils eine Ruhepause von einer halben Stunde konsumiert habe. Diese Beschwerdeeinwände sind nicht zielführend.

2.2. Was die angeblich konsumierten Ruhepausen anlangt, so übersieht der Beschwerdeführer, daß auch unter Zugrundelegung seiner diesbezüglichen Behauptung diese Pausen an jedem der beiden Tage zwei Stunden, also die tägliche Arbeitszeit jeweils neun Stunden betragen hätte, somit die zulässige tägliche Arbeitszeit von acht Stunden (§ 11 Abs. 1 KJBG) jedenfalls überschritten worden wäre. Abgesehen davon hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt - darauf hingewiesen, daß nach den vorgelegten Dienstplänen die besagten Ruhepausen nicht von vornherein festgelegt gewesen seien. Davon ausgehend hat die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das auch für den Bereich des KJBG zum Tragen kommenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0245, die zutreffende Ansicht vertreten, daß derartige Pausen nicht als Ruhepausen i.S. des Gesetzes (vgl. § 15 KJBG) gewertet werden könnten.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Relevanz seines Vorbringens in Ansehung der §§ 11 Abs. 2, § 12 Abs. 3 KJBG ist nicht gegeben: Zum einen handelt § 11 Abs. 2 leg. cit. jeweils von der Möglichkeit, die "zulässige Wochenarbeitszeit" in einer näher umschriebenen Weise zu verteilen, dies mit der Folge, daß diese Bestimmung bei - wie im Beschwerdefall - Vorliegen einer Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (§ 11 Abs. 1 leg. cit.) von vornherein keinen Anwendungsbereich hat. Zum anderen erlaubt § 12 Abs. 2 KJBG zur Durchführung von Vor- und Abschlußarbeiten, näherhin bei Arbeiten zur abschließenden Kundenbedienung (Z. 3), eine Ausdehnung der nach § 11 zulässigen Dauer der Arbeitszeit für Jugendliche über 16 Jahre (lediglich) um eine halbe Stunde täglich, wobei zufolge § 12 Abs. 3 leg. cit. die Dauer der Mehrarbeitsleistungen nach Abs. 2 insgesamt drei Stunden in der Woche nicht überschreiten darf. Keine dieser beiden zeitlichen Grenzen einer zulässigen Ausdehnung der Arbeitszeit wurde im Beschwerdefall eingehalten.

3.1. Hinsichtlich derselben beiden Übertretungen (oben 2.1.) behauptet die Beschwerde, hätte nur eine einzige Strafe verhängt werden dürfen, weil es sich insoweit um ein fortgesetzes Delikt handle.

3.2. Dieser Einwand ist schon deshalb verfehlt, weil bei Verletzung verschiedener Verwaltungsvorschriften (hier: § 11 Abs. 1 erster Fall KJBG einerseits, § 11 Abs. 1 zweiter Fall leg. cit. anderseits) nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein fortgesetztes Delikt vorliegt (vgl. etwa die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 830 unter 57. bis 59. angeführten Entscheidungen). Vielmehr handelt es sich bei der Überschreitung der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der zulässigen Wochenarbeitszeit um zwei verschiedene Delikte, die auch gesondert zu bestrafen sind.

4.1. In Ansehung der ihm spruchmäßig angelasteten Übertretungen des § 16 KJBG macht der Beschwerdeführer das Vorliegen von Notstand (§ 20 leg. cit.) geltend, der darin zu erblicken sei, daß aufgrund unvorangemeldeter Reisegruppen, die zu bewirten gewesen seien, die Einteilung der beiden betroffenen Jugendlichen zur Arbeitsleistung an den laut Diensteinteilung als arbeitsfrei vorgesehen gewesenen Sonntagen 19. Mai und 2. Juni 1991 zur "Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes" notwendig gewesen sei. Die belangte Behörde habe unzutreffenderweise eine Notstandsituation verneint.

4.2. Dieses Vorbringen geht schon vom ins Treffen geführten Sachverhalt her ins Leere. Der Beschwerdeführer wurde im hiemit bekämpften Umfang des Schuldspruches wegen zweier Verstöße gegen das Gebot der Gewährung einer ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens zwölf Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit am 30. Mai 1991, 22.00 Uhr bzw. am 17. Mai 1991, 22.00 Uhr zur Verantwortung gezogen. In welchem Zusammenhang damit der Hinweis auf die angebliche Notwendigkeit der Arbeitsleistung am 19. Mai und 2. Juni 1991 stehen soll, ist für den Gerichtshof nicht erkennbar.

Unbeschadet dessen ist festzuhalten, daß unter dem im § 20 KJBG in Bezug genommenen "Notstand" - ebenso wie nach § 20 Abs. 1 lit. a des Arbeitszeitgesetzes - ein solcher i.S. des § 6 VStG zu verstehen ist (vgl. das zur zitierten Bestimmung des Arbeitszeitgesetzes ergangene hg. Erkenntnis vom 9. März 1992, Zl. 91/19/0361). Von daher gesehen wäre im Beschwerdefall Notstand im Grunde des § 20 KJBG jedenfalls zu verneinen gewesen, da - die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend den Eintritt eines unvorhergesehenen Ereignisses zugrunde gelegt (vgl. oben 4.1.) - die Unterschreitung der ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens zwölf Stunden lediglich dazu gedient hätte, die Gefahr einer wirtschaftlichen Schädigung abzuwenden, darin aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Notstand i.S. des § 6 VStG nicht erblickt werden kann (vgl. die bei HAUER-LEUKAUF, a.a.O., S. 736 angeführten Entscheidungen).

5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180084.X00

Im RIS seit

03.12.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten