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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §303;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 4. Jänner 1989, Zl. 6/1-1214/88, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb bis 1986 einen Eissalon und ermittelte den Gewinn aus seinem Gewerbebetrieb gemäß § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1972. Im Jahre 1987 fand eine abgabenbehördliche Prüfung der letzten drei vor der Betriebsveräußerung liegenden Jahre statt. Der Betriebsprüfer fand Gründe, die Verfahren hinsichtlich Einkommen- und Gewerbesteuer für 1984 bis 1986 wiederaufzunehmen. Im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens beantragte der Beschwerdeführer, die durch die steuerliche Vertretung während der Betriebsprüfung entstandenen Kosten in Form von Rückstellungen in den Abschlußbilanzen zum 31. Dezember 1984, 31. Dezember 1985 und 21. Jänner 1986 zu berücksichtigen. Er bezifferte den Aufwand (zunächst) mit S 8.000,-- und begehrte die gleichmäßige Verteilung dieses Betrages auf den Prüfungszeitraum.
Das Finanzamt entsprach diesem Antrag nicht, da die Kosten erst nach den Bilanzstichtagen entstanden wären.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, es entspräche dem Wesen einer Rückstellung, daß Aufwendungen zur Herstellung der "Periodeneinheit" bereits dem Kalenderjahr zuzurechnen seien, zu dem sie wirtschaftlich gehörten, und nicht erst dem Kalenderjahr, in dem sie getätigt würden. Zudem sei durch die Betriebsveräußerung die Gewerbesteuerpflicht weggefallen. Folgte man der Ansicht des Finanzamtes, würden betrieblich veranlaßte Kosten die Gewerbesteuerbemessungsgrundlage im Hinblick auf die Geschäftsveräußerung in keinem Jahr mindern können. Da die steuerliche Vertretungstätigkeit nicht mit der Schlußbesprechung geendet habe, seien die Beratungskosten auf S 15.000,-- gestiegen.
Der Beschwerdeführer legte eine entsprechende Honorarnote seines Steuerberaters vom 2. März 1988 vor und beantragte demgemäß, in den Jahren 1984 bis 1986 jeweils S 5.000,- einer "Rückstellung Betriebsprüfung" zuzuführen. In der mündlichen Verhandlung gab der Vertreter des Beschwerdeführers an, der mit Honorarnote vom 2. März 1988 in Rechnung gestellte Betrag von S 15.000,-- (ohne Mehrwertsteuer) sei noch nicht beglichen. Man habe vereinbart, daß die Bezahlung erst nach Abschluß des Berufungsverfahrens erfolgen solle.
Die belangte Behörde gab der Berufung in einem vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr strittigen Punkt statt und wies das Rechtsmittel in der Frage der Rückstellung für Beratungskosten ab. Es sei unzulässig, Kosten, welche mit Ereignissen zusammenhingen, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten und am Bilanzstichtag noch nicht vorhersehbar gewesen seien, bilanzmäßig zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen
Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Einziger Beschwerdepunkt ist die Frage, ob für die durch eine Betriebsprüfung verursachten Beratungskosten in den die Prüfungszeiträume betreffenden Bilanzen Rückstellungen gebildet werden dürfen.
Der Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß für ungewisse Schulden Rückstellungen zu bilden sind. Voraussetzung dafür ist, daß ein wirtschaftlich die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art ernsthaft (mit überwiegender Wahrscheinlichkeit) droht (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 1983, 14/1419 ff/79, vom 26. September 1984, 82/13/0051 ff, und vom 20. Juni 1990, 86/13/0003). Der rückzustellende Aufwand muß daher weder der Höhe noch dem Grunde nach gewiß sein. Der Beschwerdeführer beruft sich auf diese vom Gerichtshof getroffenen Aussagen zur Bildung von Rückstellungen. Dabei übersieht er aber folgendes:
Die angeführten Erkenntnisse hatten jeweils Fallkonstellationen zum Gegenstand, in denen am Bilanzstichtag bereits eine latente Schuld bestand. So bezieht sich z.B. das Erkenntnis vom 15. Juni 1983 auf die Bildung einer Rückstellung für die drohende Inanspruchnahme aus einer vor dem Bilanzstichtag gesetzten Patentverletzung. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer herangezogene Gewerbesteuer. Auch sie ist gemäß § 4 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit lit. a Z. 2 BAO als Schuld dem Grunde nach am jeweiligen Bilanzstichtag bereits entstanden.
Gegenständlich kann aber keine Rede davon sein, daß an den jeweiligen Bilanzstichtagen eine (ungewisse) Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten (Steuerberater) vorgelegen ist. Die Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung konnten naturgemäß erst nach der Anmeldung des Prüfers in Auftrag gegeben und erbracht werden. Ähnliches trifft zwar auch auf die Kosten der Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater zu, deren Rückstellungsfähigkeit der Gerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1961, 2321/60, bejaht hat. Für die Beschwerde ist daraus aus folgenden Gründen jedoch nichts zu gewinnen:
Buchführende Abgabepflichtige trifft die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, regelmäßig Abschlüsse zu machen. Es handelt sich dabei um eine selbständig bewertbare Last, die mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr zwangsläufig verbunden und daher dessen Erfolg zuzurechnen ist. In jenen Fällen, in denen gewöhnlich ein Wirtschaftstreuhänder mit den notwendigen Abschlußarbeiten betraut wird, steht dieser Aufwand dem Grunde nach am Bilanzstichtag bereits fest und ist in der Regel auch der Höhe nach aufgrund der bisherigen Erfahrungen einigermaßen abschätzbar. Der Aufwand ist kausal unmittelbar auf jene Abschlußarbeiten zurückzuführen, zu deren Durchführung am Bilanzstichtag eine Verpflichtung besteht.
Anders verhält es sich mit den Kosten einer künftigen Betriebsprüfung. Gemäß § 147 BAO kann die Abgabenbehörde jederzeit eine Buch- und Betriebsprüfung durchführen. Eine Verpflichtung der Behörde, eine Prüfung in gewissen zeitlichen Abständen oder aus bestimmten Anlässen - etwa infolge einer Betriebseinstellung - tatsächlich vorzunehmen, besteht hingegen nicht. Eine korrespondierende Mitwirkungsverpflichtung des Beschwerdeführers liegt daher ebensowenig vor. Bei dieser Rechtslage kann es nicht darauf ankommen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer abgabenbehördlichen Prüfung, z.B. im Hinblick auf die personelle Besetzung des zuständigen Finanzamtes, im Einzelfall ist. An den jeweiligen Bilanzstichtagen bestand jedenfalls keine konkrete öffentlich-rechtliche (Mitwirkungs-) Verpflichtung, welche die Einnahmen der Streitjahre mit künftigen Vertretungskosten belasten konnte.
Die strittigen Steuerberatungskosten sind daher, anders als die regelmäßig anfallenden Abschlußkosten, nicht unmittelbar auf Verpflichtungen zurückzuführen, die in der jeweils abgelaufenen Periode wurzeln; veranlaßt werden solche Aufwendungen vielmehr erst durch die behördliche Entscheidung, bestimmte Jahre einer abgabenbehördlichen Prüfung zu unterziehen. Im Beschwerdefall wurde der Prüfungsauftrag am 9. September 1987, somit lange nach den Bilanzstichtagen der Jahre 1984 bis 1986, ausgestellt.
Die Ansicht des Beschwerdeführers, im wiederaufgenommenen Verfahren dürfe alles vorgebracht werden, was zu einer Herabsetzung der Steuer führen könne, läßt außer Acht, daß für die Bildung und die Höhe von Rückstellungen stets die VERHÄLTNISSE am BILANZSTICHTAG maßgeblich sind. Auch im wiederaufgenommenen Verfahren können somit nur solche Umstände Berücksichtigung finden, welche bereits am Bilanzstichtag vorgelegen sind, bisher aber noch nicht berücksichtigt wurden.
Das vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren herangezogene Argument, infolge der Betriebseinstellung blieben die strittigen Beratungskosten bei Bemessung der Gewerbesteuer endgültig unberücksichtigt, wurde vor dem Gerichtshof nicht mehr aufrechterhalten, sodaß darauf nicht näher einzugehen war. Bemerkt sei lediglich, daß dieses Argument gleichermaßen auf alle nach Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit eintretenden Betriebsvorfälle zutrifft, z.B. auf unvorhergesehene Gewährleistungsansprüche oder auf das Uneinbringlichwerden von Forderungen. Grund dafür ist, daß gewerbesteuerpflichtige Einkünfte das Bestehen eines Gewerbebetriebes voraussetzen. Auf das Fehlen dieser Voraussetzung ist es auch zurückzuführen, daß Gewinne, die im Zuge einer Betriebsbeendigung entstehen, zwar der Einkommensteuer (§ 24 EStG 1972), nicht aber der Gewerbesteuer unterliegen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989130048.X00Im RIS seit
09.12.1992Zuletzt aktualisiert am
15.07.2015