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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des PF in S, 2. des GF in U, Deutschland, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 26. November 1990, GZ 6/1-1182/89-07, 6/1-1164/90-07, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1985, sowie betreffend Umsatzsteuer 1984, 1985 und 1987 und Einkommensteuer 1984 bis 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Erben nach dem am 28. Februar 1987 verstorbenen Arzt Dr. Richard F. Den Beschwerdeführern wurde die Verlassenschaft nach Dr. Richard F. nach den von der Gegenschrift unwidersprochenen Beschwerdeausführungen mit Beschluß des zuständigen Verlassenschaftsgerichtes vom 12. April 1988 je zur Hälfte eingeantwortet.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt im März 1989 an die Verlassenschaft nach
Dr. Richard F. Bescheide insbesondere über Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1985 sowie über Umsatzsteuer 1984 und 1985 und Einkommensteuer 1984 bis 1986. Am 20. März 1990 ergingen an die Verlassenschaft nach Dr. Richard F. Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1987. Die genannten Bescheide wurden vom steuerlichen Vertreter des Erblassers - Hinweise auf das Bevollmächtigungsverhältnis sind den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Aktenteilen nicht zu entnehmen - mit Berufung angefochten.
Die Berufungen wurden mit dem in Beschwerde gezogenen, an die "Erben nach Dr. Richard F." gerichteten Bescheid als unbegründet abgewiesen.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, daß die "Personsumschreibung" einen notwendigen Bestandteil des Spruches eines Bescheides bildet. Eine Umdeutung eines Bescheidadressaten kommt nicht in Betracht (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. Mai 1992, 91/15/0085, und das weitere Erkenntnis vom 30. Juli 1992, 89/17/0067, 0068). Es trifft zu, daß die Identifizierung einer physischen Person in der Regel durch die Verwendung ihres Namens (Vor- und Zunamen) erfolgt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1986, 85/17/0140). In der Beschwerde wird daher zwar zutreffend darauf hingewiesen, daß die Adressierung des angefochtenen Bescheides (bloß) an die "Erben nach Dr. Richard F.", somit ohne Angaben der Namen dieser Erben, mangelhaft geblieben ist. Dennoch wurde durch diesen Mangel die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderliche hinreichende Identifizierbarkeit der Adressaten der Berufungsentscheidung nicht verhindert (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1991, 90/15/0174), sodaß die Beschwerdeführer hiedurch in ihren Rechten nicht verletzt worden sind.
Hingegen ist bezüglich der streitgegenständlichen Erledigungen der Abgabenbehörde erster Instanz davon auszugehen, daß die Verlassenschaft nach Dr. Richard F., die nach herrschender Lehre in der Zeit zwischen dem Erbfall und der Einantwortung als juristische Person anzusehen ist (vgl. z. B. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts II9, S. 390), im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Erledigungen nach der bereits erfolgten rechtskräftigen Einantwortung als Steuersubjekt nicht (mehr) existent war. Die Erledigungen des Finanzamtes gingen daher ins Leere; sie entfalteten somit keine Rechtswirkungen. Folglich richteten sich die namens der Verlassenschaft erhobenen Berufungen gegen diese Erledigungen nicht gegen Bescheide. Die belangte Behörde war daher nicht befugt, in eine meritorische Erledigung des Rechtsmittels einzutreten, sondern hätte die Berufung als unzulässig zurückweisen müssen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1989, 88/14/0183). Dadurch, daß die belangte Behörde demgegenüber mit dem angefochtenen Bescheid eine Sachentscheidung getroffen hat, hat sie die Beschwerdeführer als Erben nach Dr. F. im Ergebnis erstmals zur Steuerleistung herangezogen. Eine solche Entscheidung fällt nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde; dies belastet den Berufungsbescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1986, 84/17/0151, und vom 30. Juli 1992, 89/17/0067, 0068), welcher Aufhebungsgrund gemäß § 41 VwGG von Amts wegen wahrzunehmen ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 581, und die dort zitierte Rechtsprechung). Dabei konnte der Verwaltungsgerichtshof von der Durchführung der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG absehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle ErfordernisseRechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenInstanzenzugInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts Zivilrechtsachliche ZuständigkeitRechtsfähigkeit Parteifähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts Öffentliches RechtVerhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991130013.X00Im RIS seit
02.01.2001Zuletzt aktualisiert am
24.10.2010