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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Stmk 1968 §26;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der XY-GmbH in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 29. November 1990, A 8-K-181/1990-2, betreffend Kanalisationsbeitrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin für ihre Liegenschaft in Graz, H-Gasse, gemäß den §§ 2 und 4 Stmk. Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. Nr. 71, idF LGBl. Nr. 80/1988 (in der Folge kurz: KanalAbgG), ein Kanalisationsbeitrag einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von S 326.279,80 (Bemessungsgrundlagen: verbaute Grundfläche mal Anzahl der Geschosse, wobei das Dachgeschoß ZUR GÄNZE, das Kellergeschoß zur Hälfte eingerechnet wurde, mal Einheitssatz von S 284,85) zur Zahlung vorgeschrieben. Dies hinsichtlich der im Beschwerdefall allein strittigen vollen Einbeziehung des Dachgeschosses in die Bemessungsgrundlage der Abgabe im wesentlichen mit der Begründung, daß die im § 4 Abs. 1 KanalAbgG vorgesehene Hälfteeinrechnung für Dachgeschosse nur für nicht zu Wohnzwecken ausgenützte Dachböden gelte. Dies ergebe sich zum einen daraus, daß für die Errichtung von Aufenthaltsräumen im Dachraum baurechtliche Besonderheiten gälten, zum anderen aus der für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, da die Nutzung ausgebauter Dachräume der Nutzung anderer Geschosse (ausgenommen Kellergeschosse) wirtschaftlich gleichartig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Berücksichtigung der Abgabenbegünstigung nach § 4 Abs. 1 KanalAbgG für Dachgeschosse, die bei der Berechnung des Kanalisationsbeitrages nur zur Hälfte einzubeziehen seien, in ihren Rechten verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebende Bestimmung des § 4
KanalAbgG hat folgenden Wortlaut:
"Ausmaß
§ 4.
(1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs. 2), wobei Dachgeschosse und Kellergeschosse je zur Hälfte eingerechnet werden; Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der verbauten Fläche ohne Rücksicht auf die Geschoßzahl, Hofflächen, das sind ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen, deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, nach dem Flächenausmaß eingerechnet."
Gemäß § 3 Abs. 1 der Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz vom 13. Mai 1971, A 8-400/29-1971, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Graz Nr. 11/1971, in der Fassung des (im Hinblick auf die erstmalige Benützung der Baulichkeit am 1. September 1989 heranzuziehenden) Gemeinderatsbeschlusses vom 17. November 1988,
A 8-K 540/1984-14, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Graz Nr. 16/1988, wird das Ausmaß des Kanalisationsbeitrages nach den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 KanalAbgG ermittelt.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht lediglich in Streit, ob der in § 4 Abs. 1 KanalAbgG vorgesehene Hälftesatz auch für die von der Beschwerdeführerin dem Dachgeschoß zugerechneten, unbestrittenermaßen bewohnten Räumlichkeiten unter dem Dach des Gebäudes gebührt oder nicht. Die belangte Behörde hält den Hälftesatz deswegen für nicht anwendbar, weil er "nicht zu Wohnzwecken ausgenützten Dachböden" (in der Folge kurz: Dachböden) vorbehalten sei, nicht aber für bewohnte bzw. bewohnbare Aufenthaltsräume im Dachraum gelte; sie stützt sich hiebei wie erwähnt auf die im Abgabenrecht (bei nicht rechtlicher Anknüpfung) geltende wirtschaftliche Betrachtungsweie sowie auf baurechtliche Besonderheiten für die Errichtung von Aufenthaltsräumen. Die Beschwerdeführerin hält diese Auslegung für rechtswidrig, weil das Kanalabgabengesetz nicht danach differenziere, "ob ein Dachgeschoß bewohnt bzw. zu Wohnzwecken umgebaut" sei; sie meint ferner, daß die von der belangten Behörde herangezogene wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschließlich im Bereich der Sachverhaltswürdigung und nicht zur Klärung von Rechtsfragen heranzuziehen sei und daß auch nicht von einer durch Analogie zu schließenden Gesetzeslücke gesprochen werden könne.
Hiezu ist zunächst zu bemerken, daß der Begriff "Dachgeschoß" weder im Stmk Kanalabgabengesetz noch auch in der Stmk Bauordnung definiert ist. Nach der eigentümlichen Bedeutung des Wortes in seiner allgemeinen bzw. fachspezifischen Bedeutung ist darunter ein (oberstes) Geschoß innerhalb eines Daches zu verstehen (vgl. Koepf, Bildwörterbuch der Architektur, 2. Auflage, S 104). Ob unter diesen Begriff nur "bewohnbare", nicht aber diese Eigenschaft nicht aufweisende Räumlichkeiten ("Dachböden") fallen, ist im Beschwerdefall nicht entscheidungswesentlich, weil hier unbestrittenermaßen nur bewohnbare Räumlichkeiten vorliegen, diese aber nach dem Sprachgebrauch jedenfalls unter den Begriff "Dachgeschoß" fallen und somit gemäß § 4 Abs. 1 KanalAbgG lediglich mit der halben Fläche in die Berechnungsgrundlage des Kanalisationsbeitrages einzurechnen sind; gegen die Rechtsansicht, daß unter Dachgeschossen im Sinne der eben zitierten Gesetzesstelle auch oder sogar nur Dachböden zu verstehen sind, spricht vor allem, daß das Gesetz nicht auf die individuelle Nutzung von Räumlichkeiten, sondern auf die objektiven baulichen Gegebenheiten abstellt und daß unbewohnbare Räumlichkeiten unter dem Dach - anders als solche bewohnbare Räumlichkeiten, für die freilich zumindest bei Schrägdächern ein gegenüber anderen Wohn- bzw. Vollgeschossen (außer Kellern) geringerer Wohnwert typisch ist, weswegen ihre bloße Hälfteeinrichtung in die Bemessungsgrundlage des Kanalisationsbeitrages vorgesehen ist (vgl. hiezu übrigens auch § 6a Abs. 3 der Stmk. Bauordnung idF LGBl. Nr. 14/1988) - kein Element eines tauglichen Maßstabes für den Entsorgungsnutzen darstellen, den ein Gebäude aus der öffentlichen Kanalanlage zieht. Ausgehend davon könnte sogar die Auffassung vertreten werden, daß als Dachgeschosse im Sinne des § 4 Abs. 1 KanalAbgG überhaupt nur Räumlichkeiten der ersten Art (also bewohnbare Räumlichkeiten innerhalb des Daches eines Gebäudes), nicht aber Dachböden zu verstehen sind.
Auch die für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen im Falle nicht rechtlicher Anknüpfung geltende "wirtschaftliche Betrachtungsweise" vermag aus den von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Gründen keine andere Gesetzesauslegung zu bewirken. Unterschiedliche baurechtliche Vorschriften für die Ausgestaltung von ausgebauten und nicht ausgebauten Dachgeschossen vermögen an dieser Beurteilung ebenfalls nichts zu ändern, wird doch damit nicht das VORLIEGEN eines Dachgeschosses selbst in Frage gestellt, sondern lediglich dessen BENÜTZBARKEIT in Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Dachgeschosses geregelt.
Da sohin die belangte Behörde das Gesetz verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991170018.X00Im RIS seit
11.07.2001