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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Aumayr, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in I, gegen das Erkenntnis des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 1. April 1992, Zl. 710.896/01-OAS/92, betreffend Festlegung der Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft S (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft S), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landeregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 26. März 1973, Zl. IIIb1-724 R/106, erlassene Regulierungsplan für das Gemeindegut S legte das Anteilsrecht der Beschwerdeführerin in der Weise fest, daß ihr dieses Anteilsrecht "zur Erhaltung der in Punkt III. dieser Urkunde (Regulierungsplan) angeführten Brücken, Stege, Kirchen und Kapellen sowie der Schulen und sonstigen eingeforsteten Objekte" zukomme. Mit Kundmachung der AB vom 21. März 1975 wurde das Regulierungsverfahren abgeschlossen.
Am 12. Februar 1988 stellte die Beschwerdeführerin bei der AB einen Antrag, den sie am 15. Juni 1989 dahin modifizierte, daß sie begehrte, ihren Anteil an der Agrargemeinschaft S ziffernmäßig festzulegen. Ohne die nach den Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978 (TFLG 1978) als erforderlichen Bestandteil eines Regulierungsplanes anzusehende Anteilsbezifferung müsse der erlassene Regulierungsplan noch als unvollständig gelten, zumal sich sonst weder die Bedeutung des Stimmrechtes der Beschwerdeführerin noch die Verteilung von Lasten und Nutzungen beurteilen lasse. Es stünde der Beschwerdeführerin gemäß § 64 Z. 7 TFLG 1978 in der Fassung LGBl. Nr. 18/1984 ein Anteil von jedenfalls 20 % zu; seit der Erlassung des Regulierungsplanes im Jahre 1973 seien auch neue Tatsachen entstanden.
Die AB erledigte mit ihrem Bescheid vom 23. Oktober 1990, Zl. IIIb 1 - 724 R/314, das von der Beschwerdeführerin erhobene Begehren durch einen Bescheidspruch folgenden Wortlauts:
"Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz entscheidet über die Anträge der (Beschwerdeführerin), vertreten durch ..., vom 12.2.1988 und 15.6.1989 auf Fixierung ihres persönlichen (waltenden) Anteilsrechtes am Gemeindegut in EZ 195 und 534 GB S. gemäß § 73 lit. e TFLG 1978 wie folgt:
Der (Beschwerdeführerin) steht ein persönliches (walzendes) Anteilsrecht im Umfang von 129,8102 Nutzholz-Anteilen zu. Dieses Anteilsrecht umfaßt die Einforstung der im Punkt III des Regulierungsplanes für das Gemeindegut S. vom 26.3.1993 bezeichneten, in der Erhaltungspflicht der Gemeinde stehenden Objekte sowie die lfd. Nr. 23, 24, 34, 41, 58, 71, 79, 94, 106, 120, 135, 143, 165, 168, 183, 206, 222, 229 und 238 des Verzeichnisses der Anteilsrechte (Punkt II/B des Regulierungsplanes). Diese lfd. Nr. sind daher im Regulierungsplan zu streichen; ebenso erlischt die Bedarfseinforstung für die im Punkt III des Regulierungsplanes bezeichneten, in der Erhaltungspflicht der Gemeinde stehenden Objekte.
Auf Grund der Fixierung des Gemeindeanteiles erhöht sich die Gesamtsumme der Anteile am Gemeindegut von 1.840,000 auf 1.969,8102."
Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) mit Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. LAS-66/11-86, in der Weise Folge, daß er den bekämpften Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG wegen Rechtswidrigkeit behob und die Anträge der Beschwerdeführerin wegen entschiedener Sache zurückwies.
Die der Rechtsmittelbelehrung im genannten Erkenntnis folgend erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unzulässig zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der von der Beschwerdeführerin anhängig gemachte Verfahrensgegenstand dem Kompetenzbereich des Obersten Agrarsenates nach § 7 Abs. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 476/1974 entzogen sei. Gemessen an dem dem Verfahren zugrunde liegenden modifizierten Antrag der Beschwerdeführerin könnte eine Zuständigkeit des Obersten Agrarsenates nur aus den Bestimmungen des § 7 Abs. 2 Z. 1 und 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 abgeleitet werden, es erweise sich das von der Beschwerdeführerin anhängig gemachte Begehren aber diesen gesetzlichen Bestimmungen als nicht subsumierbar. Die Frage des Umfanges bestehender Anteilsrechte könne an den Obersten Agrarsenat nicht mehr herangetragen werden. Auf die Feststellung des Umfanges ihrer Anteilsrechte aber sei das Begehren der Beschwerdeführerin, wie immer man es rechtlich deuten möge, letztlich gerichtet. Könne der Oberste Agrarsenat in der Sache aber nicht angerufen werden, dann komme ihm auch über die vom LAS getroffene verfahrensrechtliche Entscheidung der Antragszurückweisung aus dem Grunde entschiedener Sache Entscheidungskompetenz nicht zu.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des Erkenntnisses aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise aus dem Grunde seiner Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf meritorische Entscheidung über die erhobene Berufung und in ihrem Recht auf Feststellung ihres Anteilsrechtes an der Agrargemeinschaft in näher bezeichneter Weise verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin hat repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Daß die Möglichkeit der Anrufung des Obersten Agrarsenates gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid davon abhängt, ob der Oberste Agrarsenat vom Gegenstand der Verwaltungsangelegenheit her gemäß § 7 Abs. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 angerufen werden könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zlen. 90/07/0081, 0083, mit weiteren Nachweisen), bestreitet die Beschwerdeführerin nicht. Sie tritt der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses vielmehr mit der Auffassung entgegen, daß die Entscheidungskompetenz des Obersten Agrarsenates auch in der Sache selbst deswegen zu bejahen wäre, weil es ein Teilgegenstand des Regulierungsverfahrens sei, über welchen die Agrarbehörde erster Instanz entschieden habe, sodaß die Entscheidung über ihre gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung die Frage der Gesetzmäßigkeit der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte im Sinne des § 7 Abs. 2 Z. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 betroffen habe. Dem Standpunkt der Beschwerdeführerin kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.
Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 ist gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates die Berufung an den Obersten Agrarsenat zulässig hinsichtlich der Fragen der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke und der Gesetzmäßigkeit der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte.
Regelungsgegenstand dieser Norm ist damit die Entscheidungskompetenz des Obersten Agrarsenates in erkennbar jenen agrarrechtlichen Angelegenheiten, welche in § 19 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 mit der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken auf dem Wege entweder der Teilung oder der Regulierung beschrieben sind, und welche das im Beschwerdefall maßgebende Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 in seinem § 41 in ebensolcher Weise bezeichnet. Der Regelungsinhalt der Norm des § 7 Abs. 2 Z. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 sieht in Ansehung der zwei Formen der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken nun durchaus Unterschiedliches vor: Während die Kompetenz des Obersten Agrarsenates im Falle der Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke auf die Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung eingeschränkt wird, ist sie für die Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte hingegen mit der Frage ihrer Gesetzmäßigkeit festgelegt (der von der belangten Behörde verschiedentlich verwendete Ausdruck "Abfindung der Regulierung" findet sich im Gesetzeswortlaut nicht und ergäbe auch keinen Sinn; sind doch nach dem Einleitungssatz des § 64 TFLG 1978 die dort angeführten Bestimmungen dieses Gesetzes im Regulierungsverfahren nur sinngemäß anzuwenden). Die Beurteilung der "Gesetzmäßigkeit der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte" aber steckt den Rahmen der an den Obersten Agrarsenat heranzutragenden Angelegenheiten weit, indem sie dessen Überprüfungsbefugnis auf alle Fälle erstreckt, in denen die Übereinstimmung einer Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte mit den dafür bestehenden gesetzlichen Grundlagen in Streit steht. Der Verwaltungsgerichtshof hält es für unzulässig, den vom Gesetz in dieser Weise umschriebenen Zuständigkeitsbereich unter Heranziehung der Bestimmung des § 7 Abs. 2 Z. 1 des Agrarbehördengesetzes 1950 einzuengen. Eine solche Auslegung, wonach auch in Angelegenheiten der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte die Berufung an den Obersten Agrarsenat gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates nur hinsichtlich der in § 7 Abs. 2 Z. 1 des Agrarbehördengesetzes 1950 angeführten Fragen zulässig wäre, nähme der dargestellten Bestimmung des zweiten Halbsatzes des § 7 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. nämlich jede Bedeutung und erwiese sich aus diesem Grund als verfehlt.
Im Beschwerdefall läßt sich das von der Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag angestrebte Verfahrensziel in der Herbeiführung einer behördlichen Entscheidung erkennen, welche den bestehenden Regulierungsplan in der Weise ändert, daß der Anteil der Beschwerdeführerin an der Agrargemeinschaft in anderer Weise als bisher bestimmt werde. Dies geht aus dem Vorbringen des ursprünglichen Antrages vom 12. Februar 1988 ebenso unzweideutig hervor wie aus jenem seiner Modifizierung vom 15. Juni 1989. Wie dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides entnommen werden kann, hat die AB ungeachtet der Zitierung des § 73 lit. e TFLG 1978 inhaltlich den Regulierungsplan vom 26. März 1973 abgeändert und damit agrargemeinschaftliche Anteilsrechte reguliert. Gegenstand der Verwaltungsangelegenheit war damit sowohl vom Begehren der Partei, als auch vom erstinstanzlichen Bescheid her eine die in § 7 Abs. 2 Z. 2 zweiter Halbsatz des Agrarbehördengesetzes 1950 genannte Frage berührende Sache. Die gegen die Zulässigkeit der an sie gerichteten Berufung von der belangten Behörde ins Treffen geführten Gründe tragen ihre Entscheidung nicht:
Daß die begehrte ziffernmäßige Feststellung des Anteilsrechtes den rechtskräftig festgelegten Umfang des der Beschwerdeführerin zukommenden Anteilsrechtes nicht ändern könnte, beseitigt die verfahrensrechtliche Tatsache, daß die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag nun einmal behauptet, die nicht ziffernmäßig vorgenommene Bestimmung ihres Anteilsrechtes sei gesetzwidrig, und mit dieser Begründung eine gesetzmäßige Bestimmung ihres Anteils verlangt, ebensowenig wie den Umstand, daß die AB im erstinstanzlichen Bescheid inhaltlich eine Änderung des Regulierungsplanes verfügt hat. Ob der gestellte Antrag aus den von der belangten Behörde erwogenen Umständen wegen des als rechtswirksam abgeschlossen anzusehenden Regulierungsverfahrens zur Erfolglosigkeit verurteilt oder aus dem Grunde der entschiedenen Sache zurückzuweisen wäre, berührt den Inhalt der von der belangten Behörde zu treffenden Berufungsentscheidung, trägt aber zur Beurteilung der ZULÄSSIGKEIT der Berufung aus den oben dargelegten Gründen nichts bei.
Es hat die belangte Behörde ihr die Berufung der Beschwerdeführerin zurückweisendes Erkenntnis darnach mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991; für die Replik gebührte kein zusätzlicher Aufwandersatz (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 686, wiedergegebene hg. Judikatur).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992070109.X00Im RIS seit
20.11.2000