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L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des K in D, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 9. Juli 1992, Zl. 8 BauR 1-229/1/1992, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) C in D, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in V, 2) Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. März 1992 wurde der Erstmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung zur "Errichtung eines Wohn- u. Geschäftshauses" auf dem Grundstück Nr. 1979 des Grundbuches über die Kat. Gem. D erteilt. Die im wesentlichen auf die Einhaltung von Abstandsvorschriften gerichteten Einwendungen des Beschwerdeführers wurden abgewiesen.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. April 1992 wurde die gegen diesen Baubewilligungsbescheid gerichtete Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen, wobei auch die Berufungsbehörde davon ausging, daß der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Einhaltung eines Abstandes des Gebäudes der Erstmitbeteiligten zu seinem an der gemeinsamen Grundgrenze gelegenen Haus besitzt. Unter Berufung auf die hg. Judikatur stellte die Baubehörde zweiter Instanz fest, daß außerhalb ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften grundsätzlich kein Anspruch des Nachbarn auf Belüftung und Belichtung aus einem fremdem Grundstück bestehe, weil jeder Eigentümer für die entsprechenden Freiräume auf seinem Grundstück zu sorgen habe. Einwendungen, welche sich auf ein Fensterrecht stützen, seien privatrechtlicher Natur und könnten daher im Baubewilligungsverfahren nicht berücksichtigt werden.
Die gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 9. Juli 1992 gemäß § 95 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 abgewiesen.
Die Aufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Nachbar nach allen österreichischen Bauordnungen, so auch nach der Kärntner Bauordnung, ein bloß eingeschränktes Mitspracherecht besitze. Die Rechtsstellung des Anrainers im Baubewilligungsverfahren sei dadurch charakterisiert, daß er gegen ein Bauvorhaben nur jene Einwendungen mit Erfolg geltend machen könne, die ihre Grundlage in solchen baurechtlichen Vorschriften haben, die nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im besonderen Interesse der Nachbarn liegen. Somit würden zum einen die rein öffentlichen Interessen ausscheiden und zum anderen alle jene, die im Privatrechtsbereich wurzeln. Jedenfalls habe der Anrainer im Bauverfahren kein Zustimmungs- bzw. Ablehnungsrecht betreffend das eingereichte Bauvorhaben, vielmehr habe der Bauwerber einen Rechtsanspruch darauf, daß ihm bei Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen die angestrebte Baubewilligung erteilt werde. Gemäß der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung im § 18 Abs. 4 der Kärntner Bauordnung seien Einwendungen der Parteien, deren Austragung dem Rechtsweg vorbehalten sei, von der Baubehörde lediglich niederschriftlich festzuhalten. Auf die Entscheidung über den Bauantrag hätten solche Einwendungen keinen Einfluß. Sie würden folglich auch nicht der Überprüfung durch die Vorstellungsbehörde unterliegen, auch wenn im Vorstellungsvorbringen Gegenteiliges behauptet werde. Zum Vorbringen in der Vorstellung betreffend die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften sei in Übereinstimmung mit den Baubehörden und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes festzustellen, daß entsprechend dem Gesetzesauftrag zur Förderung des verdichteten Wohnbaues zunächst Gebäude grundsätzlich aneinander zu bauen seien, und nur dort, wo dies nicht möglich sei, voneinander getrennt unter Einhaltung von Abstandsflächen. Die Bestimmungen über die Abstandsflächen kämen daher nur dann zum Tragen, wenn nicht ohnehin angebaut werde. Nach der eindeutigen Aktenlage sei davon auszugehen, daß für den gegenständlichen Bereich kein Bebauungsplan erlassen worden sei. Der angrenzenden Bauwerberin sei es daher, da weder ein Bebauungsplan das Aneinanderbauen untersage, noch die Bestimmung des § 4 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften dagegenstehe, nach den baurechtlichen Vorschriften nicht verwehrt, an die Grenzmauer des schon bestehenden Gebäudes des Beschwerdeführers anzubauen. Für die im Vorstellungsvorbringen geforderte Zustimmung des Anrainers zum Anbau fänden sich weder im Gesetz noch in der Judikatur Anhaltspunkte, weshalb eine solche auch nicht erforderlich sei. Das Vorhandensein einer gemeinsamen Grenze, welches vom Beschwerdeführer ebenfalls als Voraussetzung für ein Anbauen aufgestellt worden sei, werde von diesem einerseits in der Vorstellung zunächst nicht bestritten, dann jedoch wieder in Abrede gestellt, wenn plötzlich ausgeführt werde, daß diese Mauer eben keine Grenzmauer sei. Zur Frage des Fensterrechtes sei den ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Baubehörden lediglich noch ein weiteres einschlägiges Judikat des Verwaltungsgerichtshofes hinzuzufügen, wonach es dem Anrainer nicht verwehrt sei, an die Grenzmauer eines schon bestehenden Gebäudes anzubauen, ungeachtet des Umstandes, ob dort Fensteröffnungen vorhanden seien oder nicht (Erkenntnis vom 11. Dezember 1986, Zl. 84/06/0149), wie überhaupt der Anrainer nach den Bestimmungen der Kärntner Bauordnung kein Recht auf Licht und Luft vom Baugrund habe. Entgegen den diesbezüglichen Behauptungen in der Vorstellung seien selbstverständlich auch Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, die zu älteren gesetzlichen Bestimmungen ergangen seien, weiterhin zu beachten, sofern nicht eine grundsätzliche Änderung der Rechtslage eingetreten sei. Dies treffe im Fall des § 4 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften, LGBl. Nr. 56/1985 in der geltenden Fassung, ebenfalls nicht zu, da seine Neufassung im Zusammenhang mit der Frage des Aneinanderbauens sogar eine eindeutige Klarstellung durch den gesetzlichen Auftrag zum Aneinanderbauen mit sich gebracht habe. Wenn der Beschwerdeführer die Feststellung der Baubehörde im Protokoll über die Bauverhandlung vom 1. Oktober 1991 zitiere, wonach eine Zustimmung des Anrainers erforderlich sei, so übersehe er dabei, daß es sich dabei lediglich um die Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen handle, die jedoch die Baubehörde nicht binden, da nur die Baubehörde eine rechtliche Würdigung des Sachverhaltes vornehmen könne und dürfe. Die Einholung einer Stellungnahme der Abteilung 20 (Landesplanung) des Amtes der Kärntner Landesregierung sei hingegen nur als zusätzliches Bemühen der Baubehörde zu werten, sämtliche Fragen im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben abzuklären. Völlig unbeachtlich für das anhängige Bauverfahren seien die in der Vorstellung dargestellten Ausbaupläne des Anrainers, da Gegenstand des anhängigen Verfahrens ausschließlich das Bauansuchen der Erstmitbeteiligten sei. Zusammenfassend sei festzustellen, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Berufungsbescheid nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden sei.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die Erstmitbeteiligte erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften, LGBl. Nr. 56/1985 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 37/1990, sind oberirdische Gebäude und sonstige bauliche Anlagen entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder so anzuordnen, daß sie voneinander und von der Grundstücksgrenze einen ausreichenden Abstand haben. Der Abstand ist in Abstandsflächen (§ 5) auszudrücken. Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die Bestimmungen des Abs. 1 letzter Satz und der §§ 5 bis 10 nicht anzuwenden, wenn und soweit in einem Bebauungsplan Abstände festgelegt sind.
Da für den Bauplatz der mitbeteiligten Bauwerberin kein Bebauungsplan wirksam ist, muß davon ausgegangen werden, daß die wiedergegebene gesetzliche Regelung keine Vorschrift enthält, die den Zusammenbau von Gebäuden an der Grundgrenze verhindert, weshalb die Baubehörden nicht berechtigt gewesen wären, das vorliegende Bauansuchen etwa mit der Begründung abzuweisen, daß das geplante Bauwerk unmittelbar an der Grenze zur Liegenschaft des Beschwerdeführers errichtet werden soll. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß sich in dem an der gemeinsamen Grundgrenze befindlichen Gebäude des Beschwerdeführers - und zwar an der dem Bauplatz der Erstmitbeteiligten zugewandten Seite - Öffnungen befinden, zumal der Beschwerdeführer auch aus einer früher erteilten Baubewilligung, mit welcher die Herstellung dieser Öffnungen bewilligt worden ist, kein Recht auf Verhinderung des Baues der Erstmitbeteiligten ableiten kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1991, Zl. 91/05/0171). Der Beschwerdeführer kann auch mit einem Hinweis auf die Abstandsbestimmungen des § 4 Abs. 3 der Kärntner Bauvorschriften für seinen Standpunkt nichts gewinnen, weil diese Vorschriften nur dann gelten, wenn Gebäude nicht "unmittelbar aneinander" gebaut werden, wovon aber im Beschwerdefall nicht auszugehen ist. Daher läßt sich aus diesen Bestimmungen auch nicht etwa ableiten, daß der Gesetzgeber der Errichtung von Gebäuden unter Einhaltung eines ausreichenden Abstandes von der Grundstücksgrenze einen Vorrang eingeräumt hätte. Eine Zustimmung des Beschwerdeführers im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 2 der Kärntner Bauordnung (in der Fassung vor der Wiederverlautbarung LGBl. Nr. 64/1992) wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn das Vorhaben der Erstmitbeteiligten (teilweise oder zur Gänze) auf einer im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundfläche errichtet werden sollte, wofür die Verwaltungsakten jedoch keinen Anhaltspunkt bieten, und was vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet wird. Auch eine Zustimmung des Beschwerdeführers zur Errichtung des Vorhabens an der gemeinsamen Grundgrenze sehen die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nicht vor.
Im übrigen ist in diesem Zusammenhang zur Vermeidung von Mißverständnissen im Hinblick auf einen auch in der Gegenschrift der belangten Behörde gegebenen Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1986, Zl. 84/06/0149 (BauSlg. Nr. 821), festzuhalten, daß zwar in diesem Erkenntnis auch die Auffassung vertreten worden ist, § 4 der Kärntner Bauvorschriften enthalte keine Regelung, die den Zusammenbau von Gebäuden an der Grundgrenze verhindere, doch darf nicht übersehen werden, daß in dem damaligen Beschwerdefall von der - anderslautenden - Regelung des § 4 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften 1980 auszugehen war.
Ferner ist darauf hinzuweisen, daß sich der Beschwerdeführer zu Unrecht auf das hg. Erkenntnis vom 26. November 1991, Zlen. 91/05/0122, AW 91/05/0034, beruft, weil dieser Entscheidung ein völlig anders gelagerter Sachverhalt (nämlich die Frage der Rechtmäßigkeit einer Baubewilligung für eine Garagenaufstockung sowie den Ausbau des Dachgeschoßes auf einem im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes gelegenen Bauplatz) zugrunde gelegen war.
Angesichts der vorstehenden Ausführungen, denenzufolge der Beschwerdeführer keinen Anspruch darauf besitzt, daß der Erstmitbeteiligten die Einhaltung eines Abstandes ihres Bauvorhabens zur Grenze des Grundstückes des Beschwerdeführers vorgeschrieben wird, ist auch die von ihm erhobene Rüge des "mangelnden Lichteinfalles" auf sein Grundstück nicht berechtigt, zumal außerhalb ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften grundsätzlich kein Anspruch des Nachbarn auf Belichtung und Belüftung aus einem fremden Grundstück besteht, sondern jeder Eigentümer für die entsprechenden Freiräume auf seinem Grundstück zu sorgen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1983, Zl. 06/2538/80, BauSlg. Nr. 57).
Der Beschwerdeführer ist daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992050218.X00Im RIS seit
28.09.2001Zuletzt aktualisiert am
12.08.2009