TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/15 92/11/0162

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Veröffentlicht am 15.12.1992
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §46;
AVG §51;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs3 litb;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs1;
StGB §83;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. April 1992, Zl. VerkR-390.402/2-1992/F, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B für die Dauer von drei Monaten vom 24. Oktober 1991 (dem Tag der Zustellung des die Entziehung erstmals verfügenden Mandatsbescheides der Bundespolizeidirektion Steyr vom 22. Oktober 1991) an vorübergehend entzogen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte die angefochtene Entziehungsmaßnahme darauf, daß der Beschwerdeführer mit rechtskräftigen Urteilen des Bezirksgerichtes Steyr vom 3. Dezember 1986, vom 16. Dezember 1987 und vom 24. September 1991 insgesamt fünf strafbarer Handlungen nach § 83 StGB für schuldig erkannt worden ist. Darin erblickte die belangte Behörde eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967. Die von ihr angestellte Wertung dieser bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 erbrachte die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers, weil er dazu neige, vorsätzlich andere Personen am Körper zu verletzen und diese Folgen auch in Kauf nehme.

Der Beschwerdeführer stellt das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 nicht in Abrede. Er bringt aber vor, daß die Wertung dieser bestimmten Tatsache nicht zu dem Ergebnis hätte führen dürfen, er sei verkehrsunzuverlässig. Wenn die belangte Behörde nicht bloß auf die Tatsache seiner Verurteilung abgestellt, sondern die näheren Umstände, unter denen die strafbaren Handlungen begangen worden sind, festgestellt hätte, wäre sie zu einem anderen Ergebnis gekommen. Es sei jedenfalls rechtswidrig, wenn nach Begehung einer verhältnismäßig geringfügigen Tat auf über sechs Jahre zurückliegende strafbare Handlungen zurückgegriffen werde und diese zum Anlaß für eine Entziehung der Lenkerberechtigung genommen werden.

Der Beschwerdeführer hat insgesamt fünfmal strafbare Handlungen nach § 83 StGB begangen. Dieser Umstand spricht sehr wohl dafür, daß der Beschwerdeführer eine Neigung zur Gewalttätigkeit gegenüber anderen Personen aufweist. Daß er vor der Gewaltanwendung provoziert worden sei, mag sich in strafrechtlicher Hinsicht für den Beschwerdeführer positiv auswirken. Für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person, mithin der kraftfahrrechtlich relevanten Sinnesart, fällt es erheblich ins Gewicht, wenn diese Person Provokationen mit gewaltsamen Angriffen auf andere beantwortet; ein Kraftfahrzeuglenker ist im heutigen Straßenverkehr vielfach Situationen ausgesetzt, die als "Provokation" gedeutet werden können. Dasselbe gilt für den Umstand, daß sich die vom Beschwerdeführer verletzten Personen ihrerseits rechtswidrig verhalten hätten.

Es trifft nicht zu, daß die belangte Behörde die näheren Umstände der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers nicht geprüft hätte. Sie hat vielmehr die Akten der gerichtlichen Strafverfahren wegen der im Jahr 1986 begangenen strafbaren Handlungen beigeschafft und auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides Elemente daraus verwertet. Im übrigen bringt der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Verfahrensrüge in seiner Beschwerde nichts vor, was die belangte Behörde aus den näheren Tatumständen gegen die Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit hätte gewinnen müssen. Insbesondere enthält die Beschwerde keine Ausführungen, aus welchen Gründen die Annahme, der Beschwerdeführer weise eine rücksichtslose und brutale Sinnesart auf, unzutreffend wäre.

Der Beschwerdeführer ist ferner auf § 66 Abs. 3 lit. b KFG 1967 hinzuweisen, wonach u.a. strafbare Handlungen nach § 66 Abs. 2 lit. c, für die eine mehrfache Begehung als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten hat, nicht als solche bestimmte Tatsachen gelten, wenn die Strafe im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens in erster Instanz getilgt ist. Die Vorstrafen aus den Jahren 1986 und 1987 waren der Aktenlage nach bei Erlassung des Mandatsbescheides der Bundespolizeidirektion Steyr vom 22. Oktober 1991 nicht getilgt.

Die Ausführungen, daß aus der letzten strafbaren Handlung "isoliert betrachtet" keine Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers erschlossen werden könne, geht angesichts der Begründung des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Textierung des § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 ins Leere. Daß die Behörde die ersten vier strafbaren Handlungen vom 14. Mai 1986, vom 19. Dezember 1986 (zwei Taten) und vom 1. März 1987 - die ja bereits ihrerseits bestimmte Tatsachen nach § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 dargestellt haben - noch nicht zum Anlaß für eine Entziehung der Lenkerberechtigung genommen hat, sondern daß sie erst nach der am 26. Juli 1991 begangenen vorsätzlichen Körperverletzung tätig geworden ist, verletzt keine Rechte des Beschwerdeführers.

Der angefochtene Bescheid wurde von der belangten Behörde in Ausübung der Kontrollfunktion (vgl. dazu die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.327/A) erlassen. Daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach Auffassung der belangten Behörde bereits wieder verkehrszuverlässig war, stand seiner Erlassung nicht entgegen.

Die Einvernahme der Partei ist im Verfahren bei der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit kein in Betracht zu ziehendes Beweismittel, kann die Partei doch jederzeit im Verfahren das ihrer Auffassung nach erfolgversprechende Vorbringen erstatten. Im übrigen geht die belangte Behörde weitgehend von den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Provokationen und Verhaltensweisen der von ihm verletzten Personen aus.

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, der Beschwerdeführer sei bis mindestens 24. Jänner 1992 verkehrsunzuverlässig gewesen, was bedeutet, daß sie aus der letzten strafbaren Handlung des Beschwerdeführers eine mindestens sechsmonatige Verkehrsunzuverlässigkeit ableitete. Dies ist im Hinblick auf die seinen Vorstrafen zugrunde liegenden Taten rechtlich unbedenklich.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992110162.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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