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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des T in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 29. April 1992, Zl. 10.301/871-1.6/92, betreffend Ausnahmebewilligung nach § 28a Waffengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer richtete am 13. März 1990 an die belangte Behörde eine Eingabe, in welcher er ausführte, er wolle für Ausstellungszwecke "von den Steyrwerken ein AUG-Sturmgewehr in 9 mm Para erwerben, dieses jedoch abgeändert auf Einzellader, sodaß es von der Funktion her ein Repetiergewehr ist (kein Halbautomat oder Vollautomat)". Sollte dieses Stück als militärische Waffe anzusehen und daher eine Ausnahmebewilligung erforderlich sein, ersuche er, das Schreiben als Ansuchen zu betrachten.
Mit Eingabe vom 4. Februar 1991 legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde ein Schreiben der Steyr Mannlicher Ges.m.b.H. vor, in dem unter Hinweis auf die angeschlossene Konstruktionszeichnung "betreffend das 5,56 halbautomatische Gewehr" ausgeführt wird, es seien darin bis auf Lauf, Verschluß, Magazin und Magazinsadapter die Unterschiede gleich wie auf der Zeichnung dargestellt. Detailliertere Angaben seien im Moment nicht vorhanden. Man glaube aber, daß damit deutlich dokumentiert sei, "daß der Halbautomat nicht rückbaubar auf Vollautomat ist".
Auf Grund des Ersuchens der belangten Behörde um Feststellung, "ob das in Rede stehende Repetiergewehr als Kriegsmaterial angesehen werden kann", äußerte sich der Leiter der Wehrtechnischen Zentralabteilung der belangten Behörde am 21. Februar 1991 wie folgt: "Das bezughabende Gerät AUG 9 mm Halbautomat ist i.S.d. VO als Kriegsmaterial zu klassifizieren."
In seiner Eingabe vom 30. Jänner 1992 brachte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf seinen Antrag vor, er wolle nicht "ein AUG-Sturmgewehr in 9 mm Para" erwerben, sondern ein vom Herstellerwerk so umgebautes Gewehr, daß es in seiner veränderten Form als Repetiergewehr nicht mehr die Funktion einer vollautomatischen oder halbautomatischen Waffe übernehmen könne.
In der Folge ersuchte der mit der Angelegenheit befaßte Bundesminister für Inneres einen Amtssachverständigen für Waffen-, Munitions-, Kriegsmaterial- und Schießstättenwesen um ein Gutachten darüber, ob es sich beim gegenständlichen Gewehr noch um Kriegsmaterial im Sinne der Verordnung BGBl. Nr. 624/1977 handle. Befund und Gutachten des Sachverständigen vom 18. März 1992 lauten wie folgt:
"2. BEFUND
Der Befund wurde aufgrund des vorgelegten Aktenmaterials sowie der vorgelegten Zeichnungen erstellt.
3. GUTACHTEN
Bei der verfahrensgegenständlichen Waffe handelt es sich um eine Waffe, deren wesentliche Teile wie Schlageinrichtung, Gehäuse, Verschluß mit Führungsstangen und Schaft dermaßen adaptiert sind, daß ein Umbau von einer halbautomatischen auf eine vollautomatische Version angeblich nicht möglich ist. Wie jedoch den Firmenzeichnungen zu entnehmen ist, ist der Lauf und die Laufgruppe mit dem AUG austauschbar. Da gemäß der Verordnung der Bundesregierung vom 22.11.77, BGBl. Nr. 624, § 1 Abs. I, Z. 1, lit. c, unter anderem Läufe für Kriegsmaterial der lit. a taxativ als Kriegsmaterial aufgezählt sind, handelt es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Lauf und somit bei der zugehörigen Waffe um Kriegsmaterial gemäß leg. cit."
Ohne dem Beschwerdeführer dazu Parteiengehör gewährt zu haben, wies die belangte Behörde mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid den Antrag vom 13. März 1990 unter Berücksichtigung der Eingaben vom 4. Februar 1991 und vom 30. Jänner 1992 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Erwerb und Besitz "eines halbautomatischen Gewehres Steyr AUG Kal. 9 mm" gemäß §§ 7, 28a Abs. 2 und 5, 28b des Waffengesetzes 1986 in Zusammenhalt mit der Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial vom 22. November 1977, BGBl. Nr. 624, ab.
Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Erwerb und Besitz des in Rede stehenden halbautomatischen Gewehres in privater Hand generell eine Sicherheitsgefährdung darstelle, da damit gerechnet werden müsse, daß es unter Umständen gegen Sicherheitsorgane eingesetzt werde, die ihrerseits im Normalfall nicht mit solchen leistungsstarken Waffen ausgerüstet seien. Eine waffenmäßige Überlegenheit von Privatpersonen gegenüber den für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und damit für den Schutz des Staatsbürgers verantwortlichen Sicherheitsorganen sei strikt abzulehnen. Ließe man eine stark verbreitete Überlassung dieses Kriegsmaterials an Privatpersonen zu, so würde dies unter Umständen zu höchst unerwünschten Verhältnissen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit führen. Daher überwiege das öffentliche Interesse an der Abwehr der dargestellten Gefahren das Interesse des Beschwerdeführers am Erwerb und Besitz des gegenständlichen halbautomatischen Gewehres als Ausstellungsobjekt für ein zu gründendes Museum.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist der angefochtene Bescheid nicht schon deshalb mit Rechtswidrigkeit behaftet, weil die belangte Behörde von der aktenwidrigen Sachverhaltsannahme ausgegangen sei, es gehe dem Beschwerdeführer um den Erwerb eines halbautomatischen Gewehres, und demnach über etwas entschieden habe, was gar nicht Gegenstand seines Antrages gewesen sei. Wenn die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides von einem "halbautomatischen" Gewehr spricht, so handelt es sich dabei um ein in den Spruch aufgenommenes Begründungselement, in dem ihre - der Ansicht des Beschwerdeführers entgegengesetzte - Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Waffe als Kriegsmaterial im Sinne des § 1 I.1. lit. a der Verordnung BGBl. Nr. 624/1977 zum Ausdruck kommt. Daß Gegenstand des angefochtenen Bescheides das vom Beschwerdeführer gemeinte und nicht etwa ein anderes Gewehr ist, ergibt sich zwingend aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Antrag und die seiner Präzisierung dienenden Eingaben des Beschwerdeführers im Spruch des angefochtenen Bescheides.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob es sich bei der gegenständlichen Waffe um Kriegsmaterial im Sinne der genannten Verordnung handelt. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides fällt das gegenständliche "halbautomatische Sturmgewehr Steyr AUG Kal. 9 mm" gemäß § 1 I.1. lit. a der Verordnung unter den Begriff des Kriegsmaterials. Der Beschwerdeführer steht demgegenüber auf dem Standpunkt, daß diese Waffe bereits vom Herstellerwerk auf ein Gewehr mit Repetiersystem umgebaut werde, somit kein (voll- oder halb-) automatisches Gewehr mehr sei und daher nicht unter die genannte Verordnungsstelle falle.
Nach § 1 I.1. lit. a der Verordnung BGBl. Nr. 624/1977 sind als Kriegsmaterial unter anderem halbautomatische und vollautomatische Gewehre anzusehen.
Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist nicht zu entnehmen, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt ist, die gegenständliche Waffe sei ein halbautomatisches Gewehr im Sinne der genannten Verordnungsstelle. Wie sich aus der Gegenschrift ergibt, hat sich die belangte Behörde insoweit der Meinung der mit der Angelegenheit befaßten Sachverständigen angeschlossen. Deren (oben wiedergegebenen) Stellungnahmen vom 21. Februar 1991 und vom 18. März 1992 bilden jedoch keine taugliche Grundlage für die Beurteilung der strittigen Frage. Die Stellungnahme von 21. Februar 1991 ist eine bloße Behauptung ohne Begründung. Jene vom 18. März 1992 ist zwar in "Befund" und "Gutachten" gegliedert, nimmt aber zu der hier strittigen Frage, ob es sich bei der gegenständlichen Waffe überhaupt und aus welchen Gründen um ein automatisches Gewehr im Sinne des § 1 I. 1. lit. a der Verordnung BGBl. Nr. 624/1977 handelt oder nicht, gar nicht Stellung. Das Fehlen hinreichender Ermittlungsergebnisse sowie entsprechender Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu dieser Frage ist, weil es sich hiebei um eine entscheidende Frage handelt, als wesentlicher Verfahrensmangel anzusehen. Denn die belangte Behörde hat zum einen im angefochtenen Bescheid die Kriegsmaterialeigenschaft der gegenständlichen Waffe ausschließlich auf Grund ihrer Subsumtion unter § 1 I.1. lit. a der Verordnung BGBl. Nr. 624/1977 bejaht und zum anderen dem Umstand, daß es sich um eine halbautomatische und somit leistungsstarke Waffe handle, im Rahmen ihrer Ermessensübung entscheidende Bedeutung beigemessen (arg.: "solche leistungsstarken Waffen"; "waffenmäßige Überlegenheit"). Das Vorbringen in der Gegenschrift, daß der Lauf des gegenständlichen Gewehres jederzeit mit einem anderen Lauf ausgetauscht werden könne und der Lauf nach wie vor als Kriegsmaterial im Sinne der zitierten Verordnung (offenbar nach § 1 I. 1. lit. c) anzusehen sei, vermag den unterlaufenen Verfahrensmangel nicht zu sanieren. Die belangte Behörde macht damit nachträglich ein Sachverhaltselement geltend, zu dem sich der Beschwerdeführer im Verfahren nicht äußern konnte und das die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid auch gar nicht zugrunde gelegt hat. Dieses Vorbringen ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu berücksichtigen, da er gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu prüfen hat.
Da der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung bedarf und die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß im Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand die darauf entfallende Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992110153.X00Im RIS seit
08.08.2001Zuletzt aktualisiert am
13.04.2012